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# taz.de -- Mehrwertsteuer-Senkung im Einkaufsalltag: Großer Aufwand für weni…
> Längst nicht alle Firmen geben die Mehrwertsteuersenkung an die
> Verbraucher weiter. Ökoläden zum Beispiel klagen, die Umstellung lohne
> sich nicht.
Bild: Textilhändler und andere klagen, dass sich die Umstellung nicht lohnt
Osnabrück taz | „Wir geben die [1][Mehrwertsteuersenkung] an Sie weiter“ �…
mit solchen Slogans werben insbesondere viele Lebensmittel- und
Elektrohändler derzeit. Denn seit 1. Juli beträgt die Steuer für ein halbes
Jahr 16 statt wie vorher 19 Prozent. Der ermäßigte Satz liegt bei 5 statt 7
Prozent. Damit will die Bundesregierung den Konsum wiederbeleben, der in
der Coronapandemie eingebrochen ist. Aber kommt die Steuersenkung wirklich
bei den Verbrauchern an?
„Diejenigen, die während der Pandemie gute Geschäfte gemacht haben,
gewähren teilweise sogar noch größere Rabatte“, sagt Isabel Klocke vom Bund
der Steuerzahler. Sie erwartet, dass die Steuersenkung anstandslos an die
Verbraucher weitergegeben wird – aber das ist längst nicht überall der
Fall. Dienstleister und das Handwerk seien zurückhaltender. Frisöre zum
Beispiel mussten wegen der Coronabestimmungen schließen und wollen diese
Verluste jetzt erst mal wettmachen.
Hinzu kommt der bürokratische und technische Aufwand, über den etwa die
Ökobranche klagt. Viele inhabergeführte Geschäfte treffe die Umstellung
hart, sagt Kathrin Jäckel vom Bundesverband Naturkost Naturwaren. Sie
bezweifelt, dass die Steuersenkung den gewünschten Effekt hat. Denn gerade
im Lebensmitteleinzelhandel lägen die Ersparnisse im Centbereich. Beim Kauf
eines 30 Cent teuren Bioeis sparte der Verbraucher weniger als einen Cent.
Einige Händler hätten sich deshalb Alternativen überlegt: Sie setzen die
Steuerersparnis für regionale Hilfs- und Umweltprojekte ein. [2][Die taz]
will die Mehrerlöse aus den Abonnements in die Weiterentwicklung der
Zeitung investieren.
Grundsätzlich sind Unternehmen nicht dazu verpflichtet, die Steuersenkung
weiterzugeben. Sie können selbst entscheiden, ob und wie ihre Kunden davon
profitieren sollen.
## Coronaprofiteur Onlinehandel knauserig
Äußerst unglücklich über die Mehrwertsteuersenkung ist die
Automobilbranche, die sich von der Politik stattdessen eine Kaufprämie für
Autos gewünscht hatte. Der Verband der Automobilindustrie erklärt jedoch,
dass die Steuerersparnis im vollen Umfang an den Kunden weitergegeben werde
– man prüfe außerdem, wie diese verstärkt werden kann.
Auch die Deutsche Bahn gewährt einen Steuerrabatt. Im öffentlichen
Nahverkehr ist das hingegen schwierig, weil Preisänderungen erst von den
Kommunen genehmigt werden müssen – und das könne sich ziehen, sagt Lars
Wagner, Sprecher des Verbands deutscher Verkehrsunternehmen.
In der Gastronomiebranche ist von der Steuersenkung ebenfalls eher wenig zu
spüren – „wir sind durch die Coronapandemie aber auch sehr gebeutelt“, s…
Stefanie Heckel vom Hotel- und Gaststättenverband Dehoga. Anstatt „die Cola
einige Cent billiger zu machen“ setzten Betriebe deshalb lieber auf
besondere Aktionen für ihre treuen Kunden.
Stammkunden mit der Steuersenkung zu belohnen, ist auch in der
Textilbranche ein Modell. Rabatt gebe es zum Beispiel für Inhaber einer
Kundenkarte, sagt Axel Augustin vom Handelsverband Textil. Die Pandemie
habe die Branche ebenfalls schlimm getroffen – die aufwendige Steuersenkung
schade nun eher, als dass sie nütze. Schließlich sei in vielen Geschäften
ohnehin Schlussverkauf. „Wer braucht da noch die 3 Prozent?“ Viele kleinere
Geschäfte behielten die Ersparnis deshalb – um ihre Verluste zumindest ein
bisschen auszugleichen.
Der Coronaprofiteur Onlinehandel aber gibt die Steuersenkung ebenfalls
kaum an die Kunden weiter – das ergibt zumindest eine Auswertung des
ZDF-Wirtschaftsmagazins „Wiso“, das die Preise von rund 3.000 Artikeln auf
Onlineportalen untersucht hat. Nur bei einem Viertel der Produkte gab es
Preissenkungen, teilweise stiegen die Preise sogar. Der Verband des
E-Commerce und Versandhandels rechtfertigt das auf Anfrage damit, dass die
Preise im Onlinehandel oft schwankten – je nach Angebot und Nachfrage.
„Natürlich können Produkte nach der Mehrwertsteuersenkung durch die
Preisentwicklung teurer werden als vorher“, sagt Sprecher Martin
Groß-Albenhausen. Die Preise könnten aber genauso gut sinken.
Der Bundesverband der Verbraucherzentralen rät deshalb, Angebote zu
überprüfen und Preise zu vergleichen. Inwieweit die Mehrwertsteuersenkung
zufriedenstellend an die Kunden weitergegeben wird, können die
Verbraucherschützer nicht sagen – bislang habe es aber zumindest noch keine
Beschwerden gegeben.
9 Jul 2020
## LINKS
[1] /Volkswirt-zum-Konjunkturprogramm/!5688534
[2] https://blogs.taz.de/hausblog/investieren-in-die-zukunft-der-taz/
## AUTOREN
Sandra Röseler
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
Mehrwertsteuer
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Einzelhandel
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Konjunkturprogramm
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