# taz.de -- Ex-Pastor über Klaus-Michael Kühne: „Er ist gut gegen Kritik ge… | |
> Ex-Pastor Ulrich Hentschel über das Sponsoring von Klaus-Michael Kühne, | |
> dessen Spedition im NS am Abtransport jüdischen Eigentums verdient hat. | |
Bild: Kann gut mit Machthabern: Klaus-Michael Kühne (rechts) neben Entwicklung… | |
taz: Herr Hentschel, wie viel Macht hat Klaus-Michael Kühne in Hamburg? | |
Ulrich Hentschel: Sehr viel! Die speist sich zum einen aus seinen | |
Beteiligungen an Hapag-Lloyd und der Lufthansa, zum anderen aus seinem | |
finanziellen Engagement für die Elbphilharmonie, das Literaturfestival | |
„Harbour Front“, die Staatsoper, die Hauptkirche St. Katharinen und andere | |
wichtige kulturelle Einrichtungen. So schafft er es, die Diskussion über | |
die fehlende Beschäftigung mit der lukrativen NS-Geschichte seines | |
Unternehmens kleinzuhalten. | |
Verhindern finanzielle Abhängigkeiten von Kühne und seinem Vermögen also | |
eine kritische Diskussion über die zentrale Rolle, die das Unternehmen | |
Kühne+Nagel beim Abtransport jüdischen Eigentums aus ganz Westeuropa und | |
Italien spielte? Immerhin vergibt das Harbour-Front-Literaturfestival nun | |
keinen „Klaus-Michael Kühne-Preis“ mehr. | |
Das war in der Tat eine Reaktion auf die öffentliche Aufmerksamkeit, die | |
entstand, als sich [1][Sven Pfizenmaier von seiner Preis-Bewerbung | |
zurückzog] – explizit begründet mit Kühnes Geschichtsklitterung. | |
Die Autorin Franziska Gänsler [2][trat von ihrer Nominierung ebenfalls | |
zurück], weil sie es wiederum untragbar fand, wie die Kühne-Stiftung mit | |
Pfizenmaiers Kritik umging. Ist da nicht doch eine gewisse Dynamik | |
entstanden? | |
Durchaus, aber das ist noch lange kein Durchbruch. Wahrscheinlich ändert | |
sich erst dann wirklich etwas, wenn in der New York Times mal ein Artikel | |
über Kühnes frühe NS-Profite stünde. | |
In Bremen war es auch ohne so etwas möglich, ein [3][„Arisierungs“-Mahnmal] | |
unweit der neuen Kühne+Nagel-Zentrale zu platzieren – mit Fokus auf die | |
damaligen Speditions-Geschäfte. | |
In Bremen ist Kühne aber auch gesellschaftlich und als Kultursponsor längst | |
nicht so präsent wie in Hamburg. Hier konzentriert er seine | |
Stiftungsaktivitäten. | |
Bremen ist der Stammsitz von Kühne+Nagel. Aber es wäre nicht vorstellbar, | |
dass sich der Unternehmer [4][in den örtlichen Fußballverein einkauft]. | |
Auch beim HSV gibt es jetzt eine kleine Fan-Gruppe, die sich kritisch mit | |
der Herkunft von Kühnes Vermögen beschäftigt – aber das ist erst ein | |
kleiner Anfang. Kühne ist gut gegen Kritik gepanzert. | |
Bei der Diskussion morgen Abend ist niemand von der Kühne-Stiftung dabei – | |
wurde die nicht eingeladen? | |
Doch, natürlich, aber ohne Erfolg. Leider hat auch Gabi Dobusch, | |
Kulturexpertin der SPD und Abgeordnete der Hamburgischen Bürgerschaft, ihre | |
Teilnahme abgesagt. So entsteht der Eindruck, dass, wie Kühne und die von | |
ihm beschenkten Kultureinrichtungen, auch die Hamburger Politik einer | |
kritischen Debatte ausweichen will. | |
Stimmt. | |
Dabei ist es sehr wichtig zu diskutieren, welche Mitverantwortung die | |
staatliche Kulturpolitik für die Akzeptanz einer bedeutenden NS-Erbschaft | |
hat. Man muss ja über Maßstäbe für eine Grenze sprechen, ab der die | |
kulturelle Förderung, die einem Ablasshandel gleichkommt, aus solchem | |
Vermögen nicht mehr akzeptabel ist. Und wenn Kühne wirklich der Hamburger | |
Patriot wäre, als der er sich immer bezeichnet, würde er hier auch Steuern | |
zahlen – das wäre weit mehr, als er nun an Stiftungsgeldern verteilt. | |
24 Apr 2023 | |
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## AUTOREN | |
Henning Bleyl | |
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