# taz.de -- Europas Energieversorgung: Flüssiggas ist ein Politikum | |
> Bei der Frage, ob Deutschland einen Flüssiggas(LNG)-Terminal bauen soll, | |
> geht es auch um Geopolitik und Bündnisloyalitäten. | |
Bild: Streiten sich um den europäischen Gasmarkt: US-Präsident Biden und Russ… | |
HAMBURG taz | Ein Brief von Bundesfinanzminiser Olaf Scholz (SPD) an seinen | |
damaligen US-Kollegen Steven Mnuchin wirft ein interessantes Licht auf die | |
Frage, warum an der Unterelbe Importterminals für Flüssiggas (LNG) gebaut | |
werden sollen. Im August vergangenen Jahres schlug Scholz Mnuchin vor, | |
[1][bis zu eine Milliarde Euro in die LNG-Infrastruktur zu investieren], | |
namentlich zwei Terminals in Wilhelmshaven und Brunsbüttel. Im Gegenzug | |
sollten die Vereinigten Staaten den „ungehinderten Bau und Betrieb von Nord | |
Stream 2“ gewährleisten – einer umstrittenen Gaspipeline durch die Ostsee. | |
Nord Stream 2 ist bereits zu 95 Prozent fertig gestellt. Die Pipeline soll | |
ebenso wie die existierende Pipeline Nord Stream Erdgas aus Russland durch | |
die Ostsee nach Deutschland transportierten. Damit tritt sie in Konkurrenz | |
zum bisherigen Gastransport durch die Ukraine. Die Amerikaner und die | |
[2][meisten europäischen Verbündeten] befürchten, dass der Verlust an | |
Transiteinnahmen die Ukraine schwächen könnte und Russland die Ukraine | |
unter Druck setzen könnte, indem es dem Land den Gashahn zudreht. Russland | |
hat vor einigen Jahren ukrainisches Territorium besetzt. | |
Die USA haben allerdings noch ein weiteres Interesse: Sie wollen mehr | |
Flüssiggas nach Europa importieren, insbesondere seitdem die neue Methode | |
des unkonventionellen Frackings neue Vorkommen erschlossen hat. Deutschland | |
importiert heute schon Flüssiggas, das auch aus Ländern wie Qatar oder | |
Australien geliefert wird, über Anlandestationen in anderen europäischen | |
Ländern. Das amerikanische LNG ist allerdings teurer als das russisches | |
Erdgas. | |
Der neue US-Präsident Joe Biden ist zwar darum bemüht, die unter seinem | |
Vorgänger Donald Trump abgekühlten Beziehungen zu Deutschland zu | |
verbessern. Wie die Nachrichtenagentur Reuters Anfang Juli berichtete, | |
sperrt sich aber das Parlament beim Thema Nord Stream 2. Das | |
Repräsentantenhaus verabschiedete einstimmig einen Änderungsantrag, der die | |
Aufhebung von Sanktionen für das Projekt durch das US-Außenministerium | |
verhindern soll. „Diese Sanktionen sind obligatorisch, sie sind keine | |
Ermessenssache“, sagte der demokratische Abgeordnete Marcy Kaptur, der den | |
Änderungsantrag unterstützt. | |
Scholz' Brief wurde von der Bundesregierung nicht kommentiert. Allerdings | |
räumte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Bundestag | |
nach Angaben der dpa ein: „Der Brief war mit den Fachressorts abgestimmt.“ | |
Scholz stellt darin fest, dass der deutsche Gasmarkt heute schon | |
amerikanischem LNG offen stehe und sich sehr um einen „neuen Vertrag für | |
den weiteren Transport russischen Gases durch Ukraine“ bemühe. | |
Auch in ihren Anstrengungen, einen deutschen LNG-Terminal möglich zu | |
machen, hat die Bundesregerierung trotz der fortdauernden US-Sanktionen | |
nicht nachgelasssen. Der Terminal in Brunsbüttel wird vom Land und vom Bund | |
mit jeweils 50 Millionen Euro gefördert. | |
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat eine [3][Verordnung] | |
erlassen, nach der die Fernleitungsnetzbetreiber verpflichtet werden, die | |
erforderlichen Leitungen zwischen LNG-Anlagen und dem Fernleitungsnetz zu | |
errichten und die LNG-Anlagen an das Fernleitungsnetz anzuschließen. „Der | |
marktwirtschaftliche Ausbau der LNG-Infrastruktur in Deutschland ist ein | |
wichtiges Anliegen der Bundesregierung“, stellt Altmaiers Haus dazu fest. | |
## Mit dem Markt nichts zu tun | |
Es habe nichts mit Marktwirtschaft zu tun, wenn die Investoren von 90 | |
Prozent der Anschluss-/Betriebskosten befreit und mit Fördergeld gepäppelt | |
würden, kritisiert hingegen Reinhard Knof von der Bürgerinitiative gegen | |
CO2-Endlager, der sich gegen ein Terminal in Brunsbüttel einsetzt. | |
„Trotzdem hat German LNG bis heute keine finale Investitionsentscheidung | |
für die offensichtlich wenig profifable, klimafeindliche Investitionsruine | |
treffen können“, stellt er fest. Dabei werde hierfür auch noch der Plan | |
aufgegeben, in Brunsbüttel einen Vielzweckhafen zu bauen, und eigens der | |
Bebauungsplan geändert. | |
Der B-Plan werde nicht für LNG geändert, sondern weil er fehlerhaft sei, | |
versichert Brunsbüttels parteiloser Bürgermeister Martin Schmedtje. Der | |
Vielzweckhafen sei auf Windenergieanlagen auf See abgestellt gewesen. „Wir | |
haben dafür weder einen Bedarf noch einen Betreiber“, sagt Schmedtje. | |
Es gebe aber einen klaren politischen Willen, ein LNG-Terminal zu schaffen. | |
„Die Bundesregierung hat entschieden, dass sie einen oder zwei Terminals in | |
Deutschland haben will“, sagt er. „Das Land Schleswig-Holstein hat | |
entschieden, dass es eine Fläche bereitstellen möchte.“ Die Stadt könne sie | |
anbieten. | |
25 Jul 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.duh.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung/deutsche-umwe… | |
[2] /Aussenminister-Heiko-Maas-in-Polen/!5783864 | |
[3] https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Artikel/Service/Gesetzesvorhaben/verordnun… | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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