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# taz.de -- Heizkosten könnten steigen: Erdgaspreise im Höhenflug
> Vor allem Asiens Wirtschaft treibt die Nachfrage nach Erdgas. Deutsche
> Speicher sind nur spärlich befüllt. Der Winter könnte teuer werden.
Bild: Auch das wird teurer: Kochen mit Erdgas
Freiburg taz | Es dürfte ein teurer Heizwinter werden – speziell für
Menschen mit Gasheizung, aber nicht nur für diese. Denn die
[1][Erdgas]preise im Großhandel sind in den vergangenen Monaten drastisch
gestiegen. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle weist in
seiner jüngsten Statistik bereits für Juli einen Preis aus, der um 42
Prozent höher lag als zu Jahresbeginn. Seither kletterten die Notierungen
weiter.
Die Ursachen sind vielfältig. Ein Grund ist die große Nachfrage nach Erdgas
aus Asien. Diese führe dazu, dass viele Tanker, die verflüssigtes Erdgas
(LNG genannt) transportieren, „nicht Europa ansteuern, sondern den
asiatischen Markt bedienen“, erklärt der Branchenverband Zukunft Gas. In
Asien liege die Wirtschaftsaktivität nämlich bereits über dem Niveau vor
der Krise. „Insbesondere der LNG-Import Chinas ist im ersten Halbjahr stark
angewachsen“, erklärt Timm Kehler, Vorstand von Zukunft Gas.
Da die Gaspreise sich im globalen Wettbewerb bilden, wirken internationale
Wirtschaftsaktivitäten stets auch auf die Preise in Europa. Entsprechend
ist der Druck an den deutschen Gasmärkten: Am Spotmarkt der Energiebörse
EEX wurden am Mittwoch 73 Euro pro Megawattstunde bezahlt, ein Anstieg um
70 Prozent binnen sechs Wochen.
Angesichts der seit Monaten hohen Großhandelspreise hatten viele deutsche
Gasversorger im Sommer nur zögerlich Gas beschafft – wohl in der Hoffnung
auf eine Entspannung des Marktes. Doch dann verschärften stattdessen weiter
steigende Preise die Situation. Die Folgen kann man nun am Füllstand der
deutschen Erdgasspeicher ablesen, der aktuell mit nur 64 Prozent extrem
gering ist für diese Jahreszeit. In den letzten beiden Jahren waren die
Speicher zum Herbstbeginn bereits zu mehr als 90 Prozent gefüllt.
Aus technischer Sicht könnten die Speicher bis Anfang November noch einen
Füllstand von mehr als 90 Prozent erreichen, betont die Initiative
Erdgasspeicher, in der die Betreiber deutscher Gasspeicher organisiert
sind. Eine Gefahr für die Versorgungssicherheit bestehe damit zumindest
„für die erste Winterhälfte derzeit nicht“. Deutschland spielt in diesem
Punkt übrigens eine zentrale Rolle, denn das Land verfügt mit rund 230
Terawattstunden über fast ein Viertel der europäischen Kapazitäten und ist
damit die größte Speichernation in der EU und die viertgrößte weltweit.
Als weitere tatsächliche oder vermeintliche Gründe für die hohen Gaspreise
werden derzeit auch gerne ein kalter vergangener Winter – was er aber weder
in Deutschland noch in Europa betrachtet wirklich war –, Ausfälle und
Wartungsarbeiten an der europäischen Gas-Infrastruktur sowie der Rückgang
der niederländischen Erdgasförderung genannt. Zudem dürfte auch der
gestiegene Preis für den Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) die
Erdgasnotierungen treiben: Weil bei hohen CO2-Preisen Erdgas gegenüber der
Kohle im Vorteil ist, steigt die Nachfrage nach Erdgas.
## Welche Rolle spielt Gazprom?
Zudem gibt es Spekulationen über die Rolle Russlands. Oliver Krischer,
Energieexperte der Grünen im Bundestag, wurde in Medien mit der Aussage
zitiert, die Situation dürfte bei den leeren Gazprom-Speichern in
Deutschland und Europa „bewusst herbeigeführt worden sein“. Der russische
Gasgigant besitzt über eine Tochterfirma auch hierzulande Gasspeicher.
Somit rutsche Deutschland „in eine Situation mit Erpressungspotenzial“,
sagte Krischer. Hintergrund könne das Genehmigungsverfahren für die
Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 sein. Andererseits sagt Gaslobbyist Kehler:
„Nach unserem Kenntnisstand erfüllt Gazprom alle vertraglichen
Verpflichtungen gegenüber seinen Kunden.“
Während über die Hintergründe der hohen Großhandelspreise also auch
spekuliert wird, sind die Konsequenzen hingegen eindeutig: Die Gasversorger
werden demnächst deutliche Preiserhöhungen ankündigen. Die Industrie, deren
Bezugskonditionen sich in der Regel kurzfristiger ändern, ist längst
betroffen und reagiert teilweise schon mit Produktionskürzungen; zum
Beispiel verkündete dieser Tage der norwegische Düngemittelhersteller Yara,
er werde die Herstellung von Ammonium umgehend um 40 Prozent drosseln.
Besonders folgenschwer ist der Preisanstieg in Großbritannien, da das Land
sehr stark von Erdgas abhängig ist, nachdem es fast alle Kohlekraftwerke
abgeschaltet hat. Hinzu kommt, dass britische Energieversorger die
gestiegenen Einkaufspreise wegen gedeckelter Verbraucherpreise nicht
weitergeben können und nun teilweise vor dem Ruin stehen.
Betroffen von den gestiegenen Gaspreisen werden in allen europäischen
Ländern auch jene Haushalte sein, die kein Erdgas nutzen. Denn der Gaspreis
ist ein wichtiger Faktor ebenfalls im Gefüge der Strompreisbildung im
europäischen Großhandel. Entsprechend ist dort auch der Strom zuletzt
drastisch teurer geworden, was sich dann ab Januar auf der Stromrechnung
bemerkbar machen wird.
23 Sep 2021
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## AUTOREN
Bernward Janzing
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