# taz.de -- Außenminister Heiko Maas in Polen: Zankapfel Nord Stream | |
> Das Treffen der Außenminister Polens und Deutschlands in Warschau bringt | |
> keine Annäherung. Im Zentrum stand der Streit um die Pipeline Nord Stream | |
> 2. | |
Bild: Deutsch-Polnisches Außenministertreffen am Donnerstag in Warschau: Heiko… | |
WARSCHAU taz | Eigentlich hatten sich die Außenminister Polens Zbigniew Rau | |
und Deutschlands Heiko Maas am Donnerstag bei ihrem Treffen in Warschau | |
wichtigen Themen widmen wollen. An oberster Stelle sollte die Frage stehen: | |
Kann es [1][einen Kompromiss im Streit um die Nord Stream 2-Pipeline] von | |
Russland durch die Ostsee nach Deutschland geben. | |
Dann: Wie soll eine gemeinsame Reaktion auf eine vierten Corona-Welle | |
aussehen? Und auch: Wie sollen die einzelnen EU-Staaten und die EU als | |
Ganzes auf die Situation in Belarus reagieren? Doch nach dem Treffen der | |
beiden Minister war davon kaum noch die Rede. | |
„Die Art und Verfahrensweise für eine Wiedergutmachung bleibt weiterhin | |
eine offene Frage“, stellte Polens Außenminister Rau am Donnerstag nach dem | |
Treffen mit seinem deutschen Amtskollege fest. Heiko Maas antwortete | |
darauf: „Für Deutschland ist die Frage der Kriegsreparationen | |
abgeschlossen. | |
Das Reparations-Thema kocht immer mal wieder hoch, hat aber aktuell keine | |
politische Bedeutung. Polen bezog direkt nach dem Krieg über die | |
Sowjetunion acht Jahre lang Reparationsleistungen aus Deutschland. Auch | |
viele polnische NS-Opfer erhielten über die Jahre Zahlungen aus | |
Deutschland, zuletzt – unter Kanzler Gerhard Schröder – die polnischen | |
Zwangsarbeiter*innen. | |
## Fertigstellung bis 2024 | |
Nicht entschädigt wurden bislang die aus Polen verschleppten und in | |
deutschen SS-Familien germanisierten Kinder. Doch deren Schicksal wurde auf | |
dem Minister-Treffen nicht angesprochen. Stattdessen versprach Maas, dass | |
in Berlin die Konzeption für das polnische Kriegsopfer-Denkmal Fortschritte | |
mache. Polens regierende Nationalpopulisten hatten die Fertigstellung des | |
Denkmals bis 2024 gefordert. | |
Keinerlei Fortschritte gab es beim Streitthema „[2][Gaspipeline Nord Stream | |
2“]. Maas warnte in Warschau davor, die wirtschaftlichen Beziehungen zu | |
Russland abzubrechen. Wenn man gleichzeitig auch China isoliere, treibe man | |
diese beiden Länder immer weiter zusammen und schaffe den größten | |
Wirtschaftsraum weltweit, sagte Maas. „Das ist nicht nur falsch, sondern | |
das ist auch gefährlich – auch für unsere Sicherheitsinteressen in Europa. | |
Und deshalb halten wir das nicht für die richtige Strategie.“ | |
Rau bekräftigte dagegen die polnische Ablehnung des Projekts. „Wir sind | |
Gegner dieses Projektes und waren es von den Anfängen seiner Entstehung | |
an.“ Es verursache ein Sicherheitsdefizit in der Region und im Fall der | |
Ukraine sogar ein „Sicherheitsvakuum“ sagte er. | |
Beide Minister hatten ihre Argumente zuvor einer breiteren Öffentlichkeit | |
vorgestellt. Minister Rau hatte in einem Gastbeitrag für die Frankfurter | |
Allgemeine Zeitung vor der Gaspipeline Nord Stream 2 als einer „imperialen | |
Falle“ des russischen Präsidenten Wladimir Putins gewarnt. Mit der | |
Inbetriebnahme der Ostsee-Pipeline lasse der russische Präsident die | |
Deutschen in diese Falle laufen, denn mit ihr entstehe ein | |
„Sicherheitsdefizit“ an der Nato-Ostflanke. Die Ukraine werde „in den | |
Zustand einer vollkommenen Unsicherheit“ gestoßen, so Rau. | |
## Großes Ganzes | |
Dem Außenminister Polens zufolge sieht „Putins Angebot an Deutschland“ so | |
aus: Die Europäische Union, die durch die Bundesrepublik dominiert werde, | |
solle mit der Eurasischen Union, die Russland dominiere, zu einem großen | |
Ganzen verschmelzen. Putin nutze dabei das deutschen Konzept des „Wandels | |
durch Handel“ und drehe es um, um seinerseits die Bundesrepublik zu | |
verändern. | |
„Zusammen mit dem Gas aus der Pipeline Nord Stream sollen die Deutschen die | |
Idee […] eines kleptokratischen Entwicklungsmodells importieren, das sich | |
aus der gegenseitigen Abhängigkeit zwischen Politik, Wirtschaft und | |
kriminellem Milieu ergibt“, schreibt Zbigniew Rau. | |
Dabei gebe es eine Alternative zum Angebot Putins. 1989, als der Eiserne | |
Vorhang in Europa fiel, habe der damalige Präsident der USA George Bush | |
senior „den Aufbau eines ungeteilten, freien und friedlichen Europas“ | |
angestoßen. Mit der Fertigstellung von Nord Stream 2 stehe Deutschland vor | |
der Entscheidung, das Angebot Putins anzunehmen oder aber die Alternative | |
von Bush zu wählen, so Rau. | |
Deutschlands Außenminister Heiko Maas erklärte vor seinem Warschau-Besuch | |
in einem Interview mit der konservativen Tageszeitung Rzeczpospolita, dass | |
man die deutsch-polnische Zusammenarbeit in EU und Nato nicht auf die Nord | |
Stream 2-Pipeline reduzieren dürfe. Wer das tue, ignoriere die Tatsache, | |
dass die Verbindungen zwischen beiden Ländern eng und vielfältig seien. | |
## Nicht ohne Polen | |
Auf die Aussage von Rau am 11. Juni angesprochen, der zufolge Deutschland | |
die Werte und Sicherheitsinteressen der freien Welt aufgegeben hätten, um | |
Nord Stream 2 zu bauen und mit dem agressiv auftretenden Russland | |
zusammenzuarbeiten, antwortete Maas: „Wenn es um die Energiesicherheit | |
geht, stehen wir mit den Staaten Mittel- und Osteuropas sowie den USA auf | |
einer Seite.“ | |
Aus diesem Grund habe Berlin von Anfang an versucht, einen für alle Seiten | |
zufriedenstellenden Kompromiss zu finden. Diesem Ziel diene auch die | |
EU-Gas-Richtlinie von 2019. Deutschland bemühe sich sehr, den Gastransit | |
durch die Ukraine auch nach der Fertigstellung von Nord Stream 2 | |
aufrechtzuerhalten. | |
Es führe in diesen Kontext Gespräche mit der Ukraine, mit Polen und mit den | |
USA: Wichtig und für viele Polen auch beruhigend dürfte der Satz von Heiko | |
Maas sein, der zur Schlagzeile wurde: „Ich kann mir eine EU ohne Polen | |
nicht vorstellen.“ | |
2 Jul 2021 | |
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## AUTOREN | |
Gabriele Lesser | |
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