# taz.de -- Deal zum Bau von Nord Stream 2: Pipelinestreit scheint gelöst | |
> Laut Medienberichten gibt US-Präsident Joe Biden den Widerstand gegen | |
> Nord Stream 2 auf. Die Ukraine soll finanzielle Unterstützung bekommen. | |
Bild: Gerhard Schröder zufrieden: Symbolischer Akt für die Ostsee-Pipeline No… | |
Nach jahrelangem Streit steht einer Fertigstellung der umstrittenen | |
Erdgaspipeline Nord Stream 2 offenbar nichts mehr im Weg. Die Pipeline | |
führt durch die Ostsee von Russland nach Deutschland, ihr Bau wurde von der | |
US-Regierung missbilligt, sie drohte allen daran beteiligten Unternehmen | |
mit Sanktionen. Nachdem es im Mai eine vorübergehende Aussetzung gab, | |
wollen die USA die Sanktionsdrohungen nun komplett zurücknehmen. Das | |
berichten unter anderem die US-Agentur Bloomberg und das Wall Street | |
Journal unter Berufung auf Quellen in Berlin und Washington. | |
Die Regierungen der Bundesrepublik und der USA hätten sich auf ein Abkommen | |
verständigt, das die Fertigstellung der Pipeline ermöglichen soll, heißt es | |
in den Berichten. So soll als Bedingung ein Fonds in Höhe von 1 Milliarde | |
Dollar aufgelegt werden, mit dem die Energiesicherheit der Ukraine | |
verbessert werden soll, unter anderem durch den Ausbau erneuerbarer | |
Energien. Deutschland soll dafür laut Bloomberg zunächst einen Betrag von | |
175 Millionen Dollar zur Verfügung stellen. Zudem soll die Bundesregierung | |
zugesagt haben, Sanktionen gegen Russland zu verhängen, falls Moskau Druck | |
auf die Ukraine ausübe oder den Gastransit durch das Land einstelle. | |
Diese beiden Maßnahmen sollen die Sorge mildern, dass Nord Stream 2 die | |
geostrategische Position der Ukraine entscheidend schwächen könnte. Denn | |
bisher verläuft dort ein großer Teil des Exports russischen Erdgases nach | |
Westeuropa. Der Ukraine bietet das sowohl Einnahmen als auch eine gewisse | |
Sicherheit. Deutschland hatte vorher schon erklärt, darauf zu bestehen, | |
dass weiterhin Gas durch die Ukraine transportiert werde. Allerdings gibt | |
es dafür nach Fertigstellung von Nord Stream 2 technisch keine | |
Notwendigkeit mehr, sodass Russland entsprechende Zusagen nicht einzuhalten | |
bräuchte. Osteuropäische Länder wie [1][Polen] und das Baltikum hatten | |
deshalb [2][vehement gegen die Pipeline protestiert]. | |
Um die Interessen dieser Länder zu schützen und die stärkere Abhängigkeit | |
Europas von russischem Gas zu verhindern – wohl auch, um mehr eigenes | |
Flüssiggas nach Europa verkaufen zu können – hatten die USA unter dem | |
ehemaligen Präsidenten Donald Trump scharfe Sanktionen gegen alle Firmen | |
angekündigt, die sich an Bau und Betrieb von Nord Stream 2 beteiligen. Das | |
Schweizer Unternehmen Allseas hatte seine Spezialschiffe daraufhin im | |
Dezember 2019 abgezogen, was die Arbeiten an der weitgehend | |
fertiggestellten Pipeline stark verzögert hat. | |
## Ein Besuch von Merkel hat's gerichtet | |
Der amtierende US-Präsident Joe Biden lehnt Nord Stream 2 ebenso wie viele | |
Demokraten im Kongress ab. Er hatte die Sanktionen aber von Mai bis August | |
ausgesetzt, um beiden Seiten Zeit für Verhandlungen einzuräumen. Noch beim | |
[3][Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Washington] in der | |
vergangenen Woche hatten beide Seiten ihre unterschiedlichen Auffassungen | |
in Sachen Nord Stream 2 deutlich gemacht. Nun hat Biden offenbar | |
entschieden, dass der politische Schaden durch die extraterritorialen | |
Sanktionen größer wäre als das geopolitische Risiko, das von der | |
Fertigstellung der Pipeline ausgeht. | |
Eine offizielle Bestätigung für die Einigung gab es bis Mittwochnachmittag | |
noch nicht. Doch machten Äußerungen sowohl aus Washington als auch aus | |
Berlin deutlich, dass die Berichte wohl zutreffen. Der Sprecher des | |
US-Außenministeriums, Ned Price, deutete laut Nachrichtenagentur AFP | |
während einer Reise an, dass eine Vereinbarung kurz bevorstehe. „Wir haben | |
noch keine endgültigen Details zu verkünden, aber ich denke, ich kann bald | |
mehr sagen“, sagte er. | |
Ähnlich äußerte sich die deutsche Vizeregierungssprecherin Martina Fietz. | |
Sie könne eine Einigung noch nicht bestätigen, sagte sie am Mittwoch, fügte | |
aber hinzu: „Wir sind zuversichtlich, dass wir bald Näheres bekanntgeben | |
können.“ Dementiert wurden die Medienberichte auf taz-Nachfrage nicht. | |
Nord Stream 2 verläuft auf einer Länge von 1.200 Kilometern weitgehend | |
parallel zur bereits 2011 in Betrieb genommenen Pipeline Nord Stream 1. Die | |
Betreibergesellschaft Nord Stream gehört dem russischen Staatskonzern | |
Gazprom. Aufsichtsratsvorsitzender ist Gerhard Schröder, der Nord Stream 1 | |
im Jahr 2005 noch als SPD-Bundeskanzler mit beschlossen hatte, bevor er | |
wenige Monate später auf Bitten Wladimir Putins zum Unternehmen wechselte; | |
auch für Nord Stream 2 hat er intensive Lobbyarbeit betrieben. | |
Außer wegen ihrer geopolitischen Bedeutung ist die [4][Pipeline auch aus | |
Umweltgründen umstritten] – einerseits wegen der Auswirkungen des Baus auf | |
die Ökologie der Ostsee, andererseits aus klimapolitischen Erwägungen. | |
„Fossile Großprojekte wie die Nord Stream 2 mit ihrem Fassungsvermögen, das | |
97 Millionen Tonnen CO2 jährlich entspräche, passen nicht mehr in die | |
Zeit“, kommentierte Sascha Müller-Kraenner, Geschäftsführer der Deutschen | |
Umwelthilfe, die Berichte über eine Einigung. Er kündigte an, weiterhin | |
juristisch gegen die Inbetriebnahme vorzugehen. | |
21 Jul 2021 | |
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## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
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