# taz.de -- Ethnische Säuberung von 1992: Weiße Armbänder für Nicht-Serben | |
> Im Sommer 1992 begannen die ethnischen Säuberungen in der Stadt Prijedor. | |
> Serben und Bosniaken gedenken gemeinsam der Geschichte. | |
Bild: Bergung von Opfern in einem Massengrab nahe der Stadt Prijedor im Jahre 2… | |
SARAJEVO taz | Erstmals demonstrierten mehr als Tausend Serben und | |
Bosniaken gemeinsam im Gedenken an die von den serbischen Nationalisten und | |
Militärs ermordeten Bürger der Stadt Prijedor im Frühjahr und Sommer 1992. | |
Damals am 31. Mai wurden die nichtserbischen Bürger vom serbischen | |
„Krisenstab“ aufgefordert, sich mit weißen Armbändern kenntlich zu machen | |
und weiße Flaggen an ihren Häusern zu hissen. | |
Danach begann der Terror der ethnischen Säuberungen. 27.000 Menschen wurden | |
von der serbischen Soldateska in die Konzentrationslager Omraska, | |
Trnopolje, Keraterm und Manjaca gebracht. Nach neuesten unvollständigen | |
Angaben wurden im Sommer 1992 in Prijedor 3176 Menschen ermordet, darunter | |
258 Frauen und 102 Kinder. | |
Auch Demonstranten aus Bihac, Mostar, Sarajevo und Banja Luka kamen am | |
Sonntag nach Prijedor. Auf dem Hauptplatz von Banja Luka trugen einige | |
Dutzend Menschen weiße Armbänder und verharrten in Schweigen. | |
„Die weißen Armbänder erinnern nicht nur an die Ereignisse von damals, | |
sondern auch an Kennzeichnung von Minderheiten im Faschismus während des | |
Zweiten Weltkrieges“, sagte einer der Teilnehmer. In den Städten Brcko, | |
Tuzla und Sarajevo kam es zu Solidaritätsaktionen. | |
## Der Bürgermeister verweigert sich | |
Aufgerufen hatte die Graswurzelbewegung „Weil es mich angeht“, in der | |
Menschen aller ethnischen oder religiösen Gruppen zusammenarbeiten. „Wir | |
sind eine Graswurzelbewegung, die bewußt darauf verzichtet hat, ein Bündnis | |
verschiedener Nichtregierungsorganisationen zusammenzubringen,“ sagt Goran | |
Zoric, bekannter Menschenrechtler aus Prijedor. „Wir erinnern an alle Opfer | |
der genozidalen Politik von damals, als ja nicht nur in Prijedor, auch in | |
anderen Teilen Bosniens Menschen ermordet und unterdrückt wurden,“ erklärt | |
der serbischen Menschenrechtler Srdjan Susnica in Banja Luka. | |
Vor dem Kaufhaus in Prijedor waren Würfel mit den Namen der 102 ermordeten | |
Kinder aufgestellt. Auch einige Serben aus der Umgebung Prijedors schlossen | |
sich dem Gedenken an. Der Familienvater Zoran Vuckovac aus Omarska erklärte | |
der Zeitung Oslobodjenje gegenüber, „Kinder können doch keine Nationalisten | |
sein. Wir müssen allen Opfern gedenken, wir wollen Gerechtigkeit.“ | |
Die Demonstranten fordern, wenigstens ein Denkmal für die ermordeten Kinder | |
in Prijedor aufzustellen. Bürgermeister Marko Pavic hat bisher alle | |
Forderungen nach Denkmälern für die Opfer von 1992 zurückgewiesen, hat aber | |
gleichzeitig die Stadt mit heroischen Stätten für die serbischen Soldaten | |
des letzten Krieges überzogen. | |
1 Jun 2015 | |
## AUTOREN | |
Erich Rathfelder | |
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