# taz.de -- Terrorgefahr in Bosnien und Herzegowina: Offene Drohungen des IS | |
> In der Altstadt von Sarajevo sind seit einigen Monaten immer mehr | |
> Islamisten anzutreffen. Und die Armee wird zum Ziel von Angriffen. | |
Bild: Angriffe nicht nur auf die Armee: Drei Menschen wurden im Bus durch Schü… | |
SARAJEVO taz | Als sich kurz vor dem Nationalfeiertag Bosnien und | |
Herzegowinas am 25. November die überlebenden Antifaschisten des Zweiten | |
Weltkrieges in Sarajevo versammelten, waren dunkle Wolken über der Stadt | |
aufgezogen. Auch in übertragenen Sinne. Denn die Drohungen auf einer | |
Website des sogenannten „Islamischen Staats“ (IS) in bosnischer Sprache, | |
der „Vijesti Ummeta“, hatte wenige Tage zuvor unverhohlen mit einem neuen | |
Krieg gedroht. | |
Nach dem Jubel über die Aktion des IS in Paris hieß es: „Blut wird auf dem | |
Balkan fließen … ihr Dummköpfe, Bosnien, das vom Blut der Mudschaheddin | |
getränkt ist, die für einen Scharia-Staat kämpften … dieses Blut ist bei | |
Allah nicht umsonst vergossen, es hat Früchte getragen, und diese Früchte | |
werden bald eure Köpfe rollen lassen.“ | |
Diese Aussagen haben viele Menschen in Sarajevo schockiert. Ohnehin hat es | |
zahlreiche Bürger verunsichert, dass immer mehr bärtige Islamisten in der | |
Altstadt anzutreffen sind. „Sie zeigen Präsenz, machen aber bisher nichts“, | |
erklärten vorige Woche einige Passanten. Doch die alten Partisanen und alle | |
jene, die im letzten Krieg während der Belagerung Sarajevos „für die | |
Freiheit gekämpft“ haben und nicht für die Scharia, sehen sich nun | |
herausgefordert. Die Islamisten wollten das Land mit Terror überziehen, | |
warnt sogar der Reisu-l-Ulema, Husein Kavazović,die höchste Autorität der | |
Muslime im Land. „Jeder, der den islamischen Terrorismus verteidigt, muss | |
bestraft werden“, forderte er. | |
Die Antifaschisten waren zusammenkommen, um an den 25. November 1943 zu | |
erinnern, als vor 72 Jahren während der deutschen Besatzung die | |
antifaschistische Regierung des Landes zum ersten Mal im Untergrund | |
zusammengetreten war. Der Nationalfeiertag wird jedoch heute nur in | |
Sarajevo und den bosniakisch-muslimisch dominierten Gebieten des Landes | |
gefeiert. Die rechtsgerichteten serbischen und kroatischen Nationalisten | |
wollen keinen gemeinsamen Feiertag für den Staat Bosnien und Herzegowina. | |
Die serbische Teilrepublik feiert am 21. November, dem Tag des | |
Dayton-Abkommens, der das Land 1995 in zwei sogenannte Entitäten zerrissen | |
hat. | |
## Administrativ und politisch gespalten | |
Die bange Frage steht nun im Raum, wie dieses administrativ und politische | |
gespaltene Land der Herausforderung durch den Terrorismus begegnen kann. | |
Ausgerechnet die neben der Bundespolizei Sipa einzige funktionierende | |
gemeinsame Institution des Landes, die Bosnische Armee, in der Soldaten aus | |
allen Volksgruppen vertreten sind, ist offenbar zum Angriffsziel geworden. | |
Dies wurde letzte Woche deutlich, als der 34-jährige Enes Omeragićin der | |
Nacht zum Donnerstag nahe einer Kaserne im Stadtteil Rajlovac in Sarajevo | |
zwei bosnische Soldaten erschossen hat. Bei den Ermordeten handelte es sich | |
um einen muslimischen Bekannten des Angreifers und einen Serben aus | |
Vogošća.Bevor er die Flucht ergriff, schoss Omeragićauf einen Bus und | |
verletzte den Fahrer und zwei Fahrgäste. Anschließend verbarrikadierte er | |
sich in seinem Haus und sprengte sich in die Luft, nachdem es die Polizei | |
umstellt hatte. | |
Vizeverteidigungsminister Emir Suljagić,erklärte sofort, es lägen Hinweise | |
auf einen terroristischen Hintergrund vor. Andere Politiker waren | |
vorsichtiger und vermuteten einen persönlichen Racheakt eines Einzeltäters. | |
Es wurde aber bekannt, dass der Mann durch seinen Schwager, der sich dem IS | |
in Syrien angeschlossen hatte und jetzt wieder zurückgekehrt ist, | |
beeinflusst sein könnte. Zwar gibt es noch keinen eindeutigen Beweis. Doch | |
als wenige Tage später ein Böller in einem Tunnel der Straße nach Mostar | |
auf den Wagen des Chefs des Generalstabs der Bosnischen Armee, Anto | |
Jeleč,geworfen wurde, war die bosnische Armee wiederum Ziel der Attacke. | |
Immerhin rückten die zerstrittenen Parteien angesichts der Gefahr des | |
Terrorismus nun etwas enger zusammen. Jetzt wird überlegt, wie eine | |
gesetzliche Grundlage für die Ausrufung eines Ausnahmezustands geschaffen | |
werden kann. Immerhin ist klar geworden, dass die Angriffe der Terroristen | |
allen gelten. Auch den Muslimen in Bosnien und Herzegowina, die für die | |
Islamisten Ungläubige und Verräter sind. | |
25 Nov 2015 | |
## AUTOREN | |
Erich Rathfelder | |
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