# taz.de -- Eskalierende Klimakrise: Jugendliche verklagen Deutschland | |
> Zu wenig Klimaschutz: Das Bundesverfassungsgericht hat die Klage | |
> abgelehnt, jetzt geht es vor den Europäischen Gerichtshof für | |
> Menschenrechte. | |
Bild: Industrieanlage im Duisburger Hafen: Senkt Deutschland die CO2-Emissionen… | |
KARLSRUHE taz | Es ist die erste deutsche Klimaklage vor dem Europäischen | |
Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR): Neun Jugendliche und junge | |
Erwachsene haben mit Unterstützung der Deutschen Umwelthilfe (DUH) in | |
Straßburg gegen das deutsche Klimaschutzgesetz geklagt. | |
Das Klimaschutzgesetz schreibt vor, dass Deutschland ab 2045 klimaneutral | |
wirtschaftet. Bis dahin werden jedoch viel zu viele CO2-Emissionen | |
zugelassen, so die DUH. Schon 2028 wäre das deutsche CO2-Budget für eine | |
Begrenzung der Klimaerwärmung auf 1,5 Grad dem Umweltverband zufolge | |
aufgebraucht. Und kurz nach 2030 wäre das von Wissenschaftler:innen | |
errechnete deutsche Budget erschöpft, das eine Beschränkung des | |
Temperaturanstiegs auf 1,75 Grad avisiert. | |
Bei „deutlich unter zwei Grad“ soll die Erderhitzung laut Pariser | |
Weltklimaabkommen stoppen, das natürlich auch Deutschland unterschrieben | |
und ratifiziert hat. | |
Im Januar hatten die Jugendlichen aus dem Umfeld von Fridays for Future | |
[1][zunächst beim Bundesverfassungsgericht gegen das Klimaschutzgesetz | |
geklagt]. Doch die Klage war im Juni – ohne jede Begründung – abgelehnt | |
worden. | |
## In Straßburg liegen schon zwei große Klimaklagen | |
Das war ein Schock für die Kläger:innen, nachdem das | |
Bundesverfassungsgericht noch im Frühjahr 2021 mit seinem | |
[2][sensationellen Klimabeschluss] große Hoffnungen geweckt hatte. Damals | |
hatte Karlsruhe den Klimaschutz als Staatsziel benannt und der Politik die | |
Orientierung an nationalen Klimabudgets aufgetragen. | |
DUH-Anwalt Remo Klinger zeigte sich im Juni desillusioniert. „In Karlsruhe | |
ist erst mal Schluss.“ Doch die DUH hat schnell erkannt, dass im Scheitern | |
auch eine Chance liegt. Mit der schnellen Ablehnung habe Karlsruhe den Weg | |
zum Gerichtshof für Menschenrechte „frei gemacht“, heißt es jetzt. | |
Nun klagen die neun Jugendlichen also in Straßburg gegen das deutsche | |
Klimaschutzgesetz. Sie sehen durch die Erderwärmung ihr Menschenrecht auf | |
körperliche Unversehrtheit verletzt. Auch ihre Freiheitsrechte seien | |
bedroht, weil die staatlichen Klimaschutz-Restriktionen später umso | |
strenger sein werden, je rücksichtsloser in diesen Jahren CO2 ausgestoßen | |
wird. Zwar habe der Staat einen „Beurteilungsspielraum“, er dürfe das | |
Mindestmaß an Klimaschutz aber nicht völlig verfehlen, so die Kläger:innen. | |
In Straßburg liegen bereits zwei wichtige europäische Klimaklagen vor. Ende | |
2020 klagten sechs [3][portugiesische Jugendliche gegen 33 europäische | |
Staaten]. Anfang 2021 klagten mehr als 2000 Schweizer „Klimaseniorinnen“ | |
gegen den Schweizer Staat. | |
Der EGMR hat beide Verfahren priorisiert, behandelt sie also mit Vorrang. | |
Beide Verfahren wurden wegen der grundsätzlichen Bedeutung auch an die mit | |
17 Richter:innen besetzte Große Kammer transferiert. Vielleicht kommt es | |
schon nächstes Jahr zu mündlichen Verhandlungen. Wann der EGMR über die | |
neue deutsche Klage entscheidet, ist hingegen völlig unklar. | |
Allerdings ist vor allem das portugiesische Verfahren komplex, weil die | |
Jugendlichen gegen 33 Staaten klagen, darunter übrigens auch Deutschland. | |
Normalerweise richten sich die Menschenrechtsbeschwerden nur gegen einen | |
Staat. | |
Es gibt auch prozessuale Probleme. So haben die portugiesischen | |
Jugendlichen nie versucht, beispielsweise vor deutschen Gerichten zu | |
klagen, sondern gingen sofort nach Straßburg. Möglicherweise ist ihre Klage | |
gegen Deutschland daher unzulässig. In diesem Sinne könnte die erst jetzt | |
eingereichte Beschwerde der deutschen Jugendlichen gegen die Bundesrepublik | |
durchaus noch praktische Bedeutung bekommen. | |
19 Oct 2022 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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