# taz.de -- Klimaschutzklage gegen Volkswagen: Keine Daumenschrauben für VW | |
> Das Landgericht Braunschweig hat die Klage gegen VW zugelassen. Die | |
> Kläger wollen Volkswagen verpflichten, ab 2029 keine Verbrenner mehr | |
> herzustellen. | |
Bild: Hier sollen nach dem Wunsch der Kläger ab 2029 nur noch E-Autos stehen: … | |
BRAUNSCHWEIG taz | Zumindest als Teilerfolg möchten die Kläger – die beiden | |
Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser und Roland Hipp sowie die | |
Fridays-for-Future-Aktivistin Clara Mayer – diesen Gerichtstermin vor dem | |
Landgericht in Braunschweig gewertet wissen. Denn die Zivilkammer hat ihre | |
Klage [1][gegen den VW-Konzern] immerhin nicht in Bausch und Bogen für | |
unzulässig erklärt. Große Hoffnung auf einen durchschlagenden Erfolg machte | |
ihnen der zuständige Richter allerdings auch nicht. | |
Die Materie ist kompliziert und [2][juristisches Neuland]: Weltweit klagen | |
Klimaschützer gegen Staaten und Privatkonzerne, um ihr Menschenrecht auf | |
eine lebenswerte Zukunft geltend zu machen. | |
Als bahnbrechend gelten Urteile wie das des Bundesverfassungsgerichts im | |
April 2021, mit dem es dem Gesetzgeber auferlegte, die Ziele bei der | |
Reduktion von Emissionen konkreter und durchgreifender zu formulieren – | |
weil sonst die Rechte jüngerer Generationen mit Füßen getreten werden. | |
Aufsehen erregte auch ein Urteil aus Den Haag im Mai 2021, mit dem erstmals | |
ein internationaler Konzern, der Energieriese Shell, in die Pflicht | |
genommen wurde. Der ging zwar prompt in die Berufung, kündigte aber | |
trotzdem schon einmal deutlich ehrgeizigere CO2-Einsparziele an. | |
## Zwei Klagen gegen VW laufen | |
Doch bedeutet das nun, dass auch in Deutschland einzelne Konzerne zur | |
Emissionsminderung verpflichtet werden können? Anwältin Roda Verheyen, die | |
mit der Klage gegen das Bundesklimaschutzgesetz vor dem | |
Bundesverfassungsgericht erfolgreich war, versucht genau das. | |
Greenpeace hat mit ihrer Hilfe zwei Klagen gegen VW angestrengt: In | |
Braunschweig versuchen der Waldbesitzer Martin Kaiser, der Imker Roland | |
Hipp und die Medizinstudentin Clara Meyer darzulegen, wie der Klimawandel | |
ihr Eigentum zerstört und künftig ihre Gesundheit und ihre Mobilität | |
einschränken wird, wenn nicht bald etwas passiert. In Detmold klagt der | |
Biobauer Ulf Althoff-Cramer, weil sein Hof, die Lebensgrundlage für ihn und | |
seine Familie, durch Klimaschäden gefährdet ist. | |
In ihren Augen ist VW dafür verantwortlich zu machen, weil der Konzern | |
weltweit für mehr CO2-Emissionen sorgt als einzelne Staaten. Die | |
Klimaschutzversprechen des Konzerns blieben aber reichlich vage und | |
unkonkret. Zwar versuche VW, sich als Vorreiter in Sachen Elektromobilität | |
zu verkaufen – steigere aber gleichzeitig mit großem Eifer den Absatz der | |
klimaschädlichen SUV-Sparte. | |
Dabei fordern die Kläger wohlgemerkt nicht, dass VW den Geschäftsbetrieb | |
einstellt. Sie wollen, dass der Konzern die Produktion von | |
Verbrennermotoren zum Jahr 2029 einstellt und nicht erst 2035 wie es | |
EU-weit vorgesehen ist. | |
Dabei argumentieren sie vor allem mit Berechnungen der Internationalen | |
Energieagentur (IEA), die ausgerechnet hat, wie viel CO2 überhaupt noch in | |
die Welt geblasen werden dürfte, wenn man eine Chance haben will, die | |
Erderwärmung auf 1,5 Grad zu beschränken. Sie versuchen, diese auf | |
einzelne Großverursacher herunterzurechnen. | |
## Auch die Deutsche Umwelthilfe klagt | |
Ein ähnliches Verfahren ficht Verheyen gerade vor dem Oberlandesgericht | |
Hamm aus, wo sie die Eigentumsrechte eines peruanischen Bauern gegen den | |
Essener Energiekonzern RWE vertritt. Die Deutsche Umwelthilfe hat außerdem | |
in Stuttgart gegen Mercedes-Benz und in München gegen BMW geklagt. | |
Das Landgericht Stuttgart hat die Klage schlicht abgewiesen, in München und | |
Detmold stehen die Entscheidungen noch aus. In Braunschweig will der | |
Richter seine Entscheidung am 31. Januar verkünden. In der mündlichen | |
Verhandlung ließ er allerdings schon durchblicken, dass er die Klage zwar | |
grundsätzlich für zulässig hielt, aber für nicht besonders aussichtsreich. | |
Die VW-Anwälte hatten natürlich zunächst versucht, die Berechtigung der | |
Klage in Zweifel zu ziehen. Unmöglich könne man VW für die Emissionen der | |
Autokäufer in Haftung nehmen und auch die Schäden am Eigentum der Kläger | |
ließen sich nicht konkret auf VW-Emissionen zurückführen. | |
Aber immerhin gebe es nachweisbare Schäden, argumentierte das Gericht. Es | |
könne also keine Rede davon sein, dass hier Rechtsmissbrauch betrieben oder | |
eine unzulässige Popularklage geführt werde. | |
## Interessen müssen abgewogen werden | |
Allerdings können sich die Kläger auch nicht einfach so auf eine Verletzung | |
ihrer Grundrechte berufen. Denn die seien zunächst einmal ein Abwehrrecht | |
gegen den Staat, im Zivilrecht könnten sie nur mittelbar Anwendung finden. | |
Hier müssten die Rechte und Interessen beider Parteien gegeneinander | |
abgewogen werden, immerhin ergeben sich aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch | |
auch gewisse Duldungspflichten, erläuterte der Richter. | |
Mit anderen Worten: Das Gericht sieht den Ball eher im Feld der Politik. | |
Wer seine Grundrechte verletzt sieht, muss gegen den Staat klagen, nicht | |
gegen Unternehmen. So hatte auch VW stets argumentiert. | |
Verheyen hält das für falsch. Das Bundesverfassungsgericht hatte nach | |
seinem spektakulären Urteil zum Klimagesetz weitere Klagen abgelehnt und | |
damit der Politik erst einmal weite Spielräume gelassen. Es müsse doch aber | |
eine Möglichkeit geben, konkrete Schäden geltend zu machen und eine | |
Unterlassung zu erwirken. An wen sollten sich die Kläger denn damit sonst | |
wenden, wenn das Verfassungsgericht nicht mehr zuständig, der | |
zivilrechtliche Weg aber auch versperrt sei? | |
Im Weg steht ihr bei dem Braunschweiger Verfahren aber möglicherweise auch, | |
dass das Gericht die Betroffenheit der Kläger für nicht groß und | |
existenziell genug hält. „Dann bin ich einmal gespannt, wie das Gericht in | |
Detmold das sieht, wo mit dem Hof meines Mandanten eben auch gleich die | |
Lebensgrundlage seiner ganzen Familie gefährdet ist“, sagt Verheyen. Hier | |
ist für den 3. Februar ein weiterer Verhandlungstermin anberaumt. | |
Es wird nicht der letzte sein, so viel ist klar. „Es ist völlig normal, | |
dass solche Dinge nicht in der ersten Instanz entschieden werden“, kündigt | |
die Klimaschutz-Anwältin schon einmal an. „Schade ist nur, dass uns die | |
Zeit davonläuft.“ | |
10 Jan 2023 | |
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## AUTOREN | |
Nadine Conti | |
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