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# taz.de -- Erste Sitzung des Bayerischen Landtags: Legislatur beginnt mit AfD-…
> Ein AfD-Abgeordneter fehlte bei der ersten Sitzung des neuen bayrischen
> Landtags. Statt im Plenarsaal befand er sich in Polizeigewahrsam.
Bild: Faire Verlierer: Die Grüne Katharina Schulze gratuliert CSU-Chef Markus …
München taz | Eigentlich hätte Daniel Halemba jetzt dort vorne auf einem
der erhöhten Plätze des Landtagspräsidiums sitzen sollen. Denn es ist
Gepflogenheit, dass während der Eröffnung des Landtags neben dem
Alterspräsidenten die beiden jüngsten Abgeordneten sitzen. Und der
Würzburger ist mit seinen 22 Jahren der jüngste der 203 Abgeordneten des
neu gewählten Parlaments.
Doch als der Bayerische Landtag am Montag um 15 Uhr zu seiner
konstituierenden Sitzung zusammentritt, befindet sich [1][Halemba in
Polizeigewahrsam]. Nur wenige Stunden zuvor wurde der AfD-Politiker in
Kirchheim unter Teck festgenommen. Ihm wird Volksverhetzung und das
Verwenden von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen
vorgeworfen. „Daniel Halemba, entschuldigt“, liest der AfD-Kollege Franz
Schmid unter Gelächter vor, als er die Namen der Abgeordneten zur
Überprüfung der Anwesenheit verliest.
Halemba ist Mitglied der Burschenschaft Teutonia Prag zu Würzburg, in deren
Verbindungshaus bei einer Razzia im September Gegenstände mit
NSDAP-Kennzeichen und Aufkleber und Schriften rassistischer Natur
sichergestellt wurden. Die Immunität, die Abgeordnete grundsätzlich
genießen, greift erst mit Beginn der konstituierenden Sitzung. So sitzt nun
bei der Eröffnung an Halembas Stelle der CSU-Abgeordnete Kristian von
Waldenfels neben Alterspräsident Paul Knoblach von den Grünen.
Es überrascht nicht, dass die AfD die Verhaftung Halembas als politischen
Akt deuten will. Von einem „herbeikonstruierten Haftgrund“ und
„fadenscheinigen Gründen“ spricht Fraktionsvorsitzende Katrin Ebner-Steiner
vor Beginn der Sitzung, auch von „staatlicher Repression“. Schon in der
vergangenen Legislaturperiode hat die Fraktion der rechtsradikalen Partei
immer wieder für Skandale gesorgt – etwa als sich ein Abgeordneter mit
einer Gasmaske ans Rednerpult gestellt hat, um gegen Coronaschutzmaßnahmen
zu demonstrieren. Die neue Fraktion nun ist nicht nur größer, [2][sie gilt
auch als deutlich radikaler].
## AfD jetzt Oppositionsführerin
Als Oppositionsführerin hat die AfD die Grünen abgelöst. Sollte sie
allerdings an der Tradition der letzten Legislaturperiode festhalten, dass
in regelmäßigen Abständen Abgeordnete Partei und Fraktion – nicht aber den
Landtag – verlassen, können sich die Grünen vielleicht doch noch Hoffnung
machen. Denn obwohl die Rechtsradikalen um die Höcke-Vertraute
Ebner-Steiner bei der Wahl einen um 0,2 Prozentpunkte höheren Stimmenanteil
erreichten, haben beide Parteien derzeit gleich viele Abgeordnete, nämlich
32.
Überhaupt hat sich so einiges geändert im neuen Landtag. Da wäre zum
Beispiel die FDP. Wobei es der Konjunktiv ganz gut trifft. Sie wäre noch
da, hätte sie die Fünfprozenthürde übersprungen. Nun muss sich der
ehemalige FDP-Abgeordnete Helmut Markwort die Rede von Knoblach, gerade mal
69 Jahre alt, am Bildschirm ansehen. Zu gern hätte der bald 87-Jährige sie
– wie 2018 – selbst gehalten.
Von der [3][einst stolzen Volkspartei SPD] ist dagegen nur noch ein kleines
Häufchen Elend übrig – 17 Abgeordnete, die sich in ihrer Ratlosigkeit
weiter um ihren glücklosen Partei- und Fraktionschef Florian von Brunn
scharen. Wenigstens in einer Hinsicht können sie als vorbildlich gelten:
Während die Grünen einen kleinen und die übrigen Parteien einen immensen
Männerüberschuss verzeichnen, sind bei der SPD die Mehrheit der
Fraktionsmitglieder Frauen – 10 von 17. Im gesamten Landtag sind nur 51 von
203 Abgeordneten weiblich.
Auch bei den Fraktionsspitzen gibt es teilweise Veränderungen. Der
langjährige CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer hatte nicht mehr für den
Landtag kandidiert, zu seinem Nachfolger haben die Christsozialen den
bisherigen Gesundheitsminister Klaus Holetschek gewählt. Während die
Fraktionen von Freien Wählern und SPD an ihren Vorsitzenden, Florian
Streibl und Florian von Brunn, festhielten, verabschiedeten sich AfD und
Grüne von ihren Doppelspitzen.
## Grüne setzen auf Schulze
Die AfD-Fraktion hob Ebner-Steiner ins Amt der Fraktionschefin, das sie bis
2021 schon einmal innehatte. Die Grünen wählten auf Vorschlag ihres
bisherigen Co-Vorsitzenden Ludwig Hartmann Katharina Schulze an ihre
Spitze. Schulze ist die [4][prominenteste und lauteste Landespolitikerin]
der bayerischen Grünen.
Hartmann wiederum möchte nun zumindest einer der Stellvertreter von
Landtagspräsidentin Ilse Aigner werden. Auch die CSU schlug einen neuen
Kandidaten vor, statt Karl Freller soll nun der bisherige Parlamentarische
Geschäftsführer Tobias Reiß ins Präsidium. Für die Freien Wähler soll
Alexander Hold, für die SPD Markus Rinderspacher Landtagsvize bleiben. Ein
AfD-Kandidat dürfte wegen des Widerstands der demokratischen Parteien
chancenlos bleiben.
Es bleibt also doch einiges beim Alten – nicht zuletzt die Regierung, die
den Freistaat künftig regieren wird. Es ist zwar das erste Mal, dass eine
Koalitionsregierung in Bayern nach einer ganzen Legislaturperiode in die
Verlängerung geht, an der Fortsetzung der schwarz-orangefarbenen Politstory
hatte jedoch niemand gezweifelt – weder vor noch nach der Wahl.
Dennoch kann man sich ja mal spaßeshalber nur drei Wochen zurückbeamen, um
das Fundament zu beurteilen, auf dem diese Regierung fußt. Da stand
beispielsweise Markus Söder bei einer Pressekonferenz in der Kantine der
CSU-Landesleitung und sprach über seinen bisherigen Koalitionspartner. Der
habe sich doch seit Aiwangers Auftritt in Erding sehr verändert,
konstatierte der Ministerpräsident. [5][In Erding hatte Aiwanger] bei einer
Demo im Juni arg populistische Töne angeschlagen und gefordert, die
schweigende Mehrheit müsse sich die Demokratie zurückholen.
## Söder braucht Aiwanger
Deshalb frage er sich nun schon, so Söder, ob sich die Freien Wähler noch
im liberalen Spektrum der Parteienlandschaft sähen, wie integer sie noch
seien. Außerdem bezeichnet er den Koalitionspartner als Hauptkonkurrenten,
den man künftig stärker an seinen Leistungen messen müsse. Dafür, dass
Söder auch weiterhin auf jeden Fall mit dieser Partei koalieren will,
stellte er ihr ein denkbar schlechtes Zeugnis aus. Um Wirtschaftspolitik
etwa habe sich nicht der zuständige Minister, sprich Aiwanger, gekümmert,
die habe er, Söder, praktisch alleine gemacht.
Und nur zweieinhalb Wochen später, als Söder Aiwanger bei der
Unterzeichnung des Koalitionsvertrags die Hand verdächtig lange drückt,
klingt das dann so: „Wir haben intern gut gearbeitet, wir haben auf einem
hohen Niveau sachlich gearbeitet.“ Neues Vertrauen zueinander sei
entstanden. Also alles nur Show?
Ja und nein. Das Verhältnis von Söder und Aiwanger, das noch nie
unkompliziert war, gilt spätestens seit Aiwangers Flugblattaffäre als
zerrüttet. Doch der Machtwille der beiden dürfte groß genug sein, um einen
Modus Vivendi zu finden, der das gemeinsame Regieren erträglich macht.
Am Dienstag stellt sich Söder zur Wiederwahl. Angesichts einer satten
Mehrheit von 122 Abgeordneten, über die die Koalition verfügt, kein Termin,
der eine Überraschung verspricht. Ein solcher wird dagegen am 8. November
stattfinden. Dann wird der Rest des Kabinetts vereidigt. Und die Namen der
zehn Minister und zwei Staatssekretäre, die die CSU stellt, will Söder erst
kurz vorher preisgeben.
30 Oct 2023
## LINKS
[1] /Bayerischer-AfD-Politiker-festgenommen/!5970067
[2] /Verfassungsschutz-in-Bayern/!5960445
[3] /Landtagswahlen-in-Bayern-und-Hessen/!5965658
[4] /Gruene-ueber-Landtagswahl-in-Bayern/!5960800
[5] /Demo-gegen-Heizungsgesetz-in-Erding/!5937357
## AUTOREN
Dominik Baur
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