# taz.de -- Eröffnung Klangkunstzentrum Leipzig: Sound aus allen Richtungen | |
> Das Zentrum für immersive Medienkunst, Musik und Technologie in Leipzig | |
> öffnet seine Türen. Es widmet sich der dreidimensionalen Klangkunst. | |
Bild: An der Decke hängen die Lautsprecher für den Surround-Sound: Innenansic… | |
Unter der 6 Meter hohen Sichtbetondecke hängen 32 Lautsprecher zwischen | |
dunkelgrünen Stahlträgern. Sie bilden eine Kuppel und sind das Herz des neu | |
gegründeten Zentrums für immersive Medienkunst, Musik und Technologie – | |
kurz ZIMMT – in Leipzig, das eine alte Kranhalle im Osten der Stadt neu | |
belebt und heute Abend mit dem Festival „Immersive Sound“ eröffnet. | |
Die aufwendige Lautsprecherkonstruktion bildet ein dreidimensionales | |
Audiosystem und ermöglicht eine [1][Klangwiedergabe], die natürlichen | |
Hörerlebnissen extrem nahekommt. „Im Gegensatz zu Stereo oder Dolby | |
Surround 5.1. gibt es bei uns ein Oben und ein Unten. Durch die | |
Lautsprecheranordnung entsteht Dreidimensionalität, weil alle Richtungen | |
vorhanden sind“, erklärt Jason Langheim. Er ist Teil des Kollektivs ZIMMT, | |
Klangkünstler und Künstlerischer Mitarbeiter der Professur Experimentelles | |
Radio an der Bauhaus-Universität Weimar. | |
Das ZIMMT will in Leipzig einen [2][Ort für die Produktion und Aufführung] | |
immersiver und virtueller Künste und von 3-D-Audio etablieren, um Kunst und | |
Wissenschaft forschend zu verbinden und die bis dato eher selten verfügbare | |
3-D-Audiotechnik für Künstler:Innen und die Öffentlichkeit zugänglich | |
machen. | |
## Umgenutzte Halle | |
Die Halle befindet sich im Kontor 80, dem umgenutzten Gelände einer | |
ehemaligen Kugellagerfabrik, zwischen dem Coworking Space „Glow für | |
Frauen*“ und dem 3-D-Tonstudio „Not a Number“ von Felix Deufel. | |
Soundkünstler Deufel hatte Anfang 2020 auch die Idee für das ZIMMT. Bald | |
entstand ein siebenköpfiges Kollektiv, das die große Halle gemeinsam | |
ausbaute. Um teure Brandschutzmaßnahmen zu finanzieren, läuft momentan noch | |
eine [3][Crowdfunding-Kampagne]. | |
Das Prinzip der Immersion wird oft mit virtuellen Medien wie | |
Computerspielen verbunden. Wörtlich bedeutet Immersion „eintauchen“ und | |
beschreibt Künste, die erlebt statt betrachtet werden wollen. | |
3-D-Audiotechnik unterstützt das Eintauchen in Klangwelten: „Der Moment der | |
Immersion fällt vielleicht leichter, weil man sich durch den 3-D-Sound | |
nicht abwenden kann, und man ganz körperlich schon eingesogen wird“, | |
beschreibt Langheim. | |
Mitten in der Coronapandemie eröffnet das ZIMMT mit dem virtuellen Festival | |
„Immersive Sound. Forum für 3-D-Audio“, das von heute bis zum 18. April | |
läuft. Für das Programm wurde eine eigene Website gestaltet. Das Festival | |
vereint Workshops und eine Konferenz mit kostenlosen Konzerten | |
internationaler KünstlerInnen, die mit dreidimensionalem Klang arbeiten. | |
## Schnittstelle verschiedener Szenen | |
Die britische Elektroakustik-Komponistin Natasha Barett, Koryphäe auf dem | |
Gebiet der dreidimensionalen E-Musik, wird ebenso auftreten wie der | |
Berliner Künstler Robert Lippok, der seine musikalische Karriere in den | |
1980er Jahren noch in der DDR mit der Experimentalband Ornament & | |
Verbrechen mit Synthies und selbstgebauten Instrumenten begann. Dass | |
KünstlerInnen aus Hochkultur und Subkultur gemeinsam auftreten, ist | |
exemplarisch für die programmatische Ausrichtung des ZIMMT als | |
Schnittstelle verschiedener Szenen. | |
Auch wenn alles dadurch komplizierter geworden ist, empfindet das Kollektiv | |
die pandemiebedingte Online-Eröffnung nicht als Defizit, immerhin will das | |
ZIMMT eine Plattform für virtuelle Künste bieten. Dass die Konzerte | |
trotzdem in der Halle stattfinden, die das ZIMMT im Kern ausmacht, ist den | |
Betreiber:Innen wichtig. „Das Haptische, Reale fügt dem Virtuellen | |
immer etwas hinzu, weil das Virtuelle nicht existieren kann ohne das Reale. | |
Der Raum ist die Verbindung“, sagt Langheim. „Unser Forschungsthema ist | |
gerade, Kunst, die so krass auf diesen Raum bezogen ist, auch über das | |
Internet zu vermitteln.“ | |
Ein Kunstkopf – ein Plastikkopf mit Mikrofonen in den Ohrmuscheln, der seit | |
den 1970er Jahren eine gängige Technik für räumliche Tonaufnahmen verwendet | |
wird – wird die Konzerte in der Halle aufnehmen. Samt einem | |
360-Grad-Kamerabild werden sie dann gestreamt. Als klar wurde, dass Natasha | |
Barett nicht ohne Quarantäne aus Oslo würde einreisen können, vermaß das | |
Kollektiv die Halle akustisch und schickte die Daten an Barett, die ihre | |
Stücke nun so bearbeitet, dass sie dieselben Klangeigenschaften wie die | |
Halle haben. | |
So bald wie möglich soll es im ZIMMT Veranstaltungen mit Publikum geben. | |
Jenseits derzeitiger Kontaktbeschränkungen interessiert sich das Kollektiv | |
für virtuelle Events, die technische Umsetzung sieht man als Teil der | |
Immersion: „Ein Ziel ist, dass das Publikum vor dem Rechner den Kopf neigen | |
kann und sich so das Hören verändert, als würden die Zuhörer:Innen den | |
Kopf im Raum drehen“, sagt Langheim. Er ist überzeugt, dass auf diese Weise | |
interaktive Konzerterlebnisse bald umgesetzt werden können. | |
14 Apr 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Akustische-Oekologie/!5129497 | |
[2] /Philosoph-Gernot-Boehme-ueber-Stadtklang/!5067228 | |
[3] https://www.startnext.com/zimmt | |
## AUTOREN | |
Tabea Köbler | |
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