| # taz.de -- Elektronikpionier Taymur Streng gestorben: Ikonoklast am Stadtrand | |
| > Der Ostberliner Elektroniktüftler und Komponist Taymur Streng ist | |
| > gestorben. In zäher DDR-Zeit frönte er dem Experiment. Nachruf auf einen | |
| > Pionier. | |
| Bild: Taymur Streng an seinen elektronischen Klangerzeugern | |
| Hören ist nichts für Eilige. Taymur Strengs Zyklus „el-ac“, den der | |
| Berliner Komponist zwischen September 2020 und März 2022 auf seinem | |
| Youtube-Kanal hochgeladen hatte, umfasst fast 50 Clips, von jeweils um die | |
| 13 Minuten Dauer: Klavier- und Akkordeonmotive, repetitiv und flächig, | |
| metallische Klopfzeichen, synthetische Depeschen und orchestral anmutende | |
| Schleifen. | |
| Auch die optische Umsetzung, die Reihung von Spektralmustern, | |
| Industrieästhetik und altenglischer Kapellenarchitektur, verlangt gewisse | |
| Beharrlichkeit. Der am Ende der Videos als verantwortlich für „Composition, | |
| Concept & Videoart“ genannte Taymur Streng stammt aus der Postpunk-Szene | |
| Ostberlins der 1980er. Ein künstlerisch offenes Biotop, das Türen aufstieß. | |
| Geboren 1962 im sächsischen Riesa, 1979 aus dem thüringischen Sonneberg in | |
| die Hauptstadt der DDR zur Lehre gezogen, hatte er bereits im Kirchenchor | |
| gesungen und war auf Punk und seine Verästelungen gestoßen. In Ostberlin | |
| vertiefte Streng sich in elektronische Experimente: Residents, Cabaret | |
| Voltaire als Helden. Noch in den 2010ern sollte er einen Button des | |
| britischen Industrial-Quartetts Throbbing Gristle tragen. | |
| ## Begnadeter Bastler | |
| Weggefährt:innen erinnern sich an den begnadeten und obsessiven Tüftler | |
| und Bastler, der den Mangel an Equipment in der DDR als Herausforderung | |
| gemeistert hat. Taymur Streng, den es an den Stadtrand Berlins verschlagen | |
| hatte, initiierte das Mahlsdorfer Wohnstuben Orchester. Aus dem DiY-Projekt | |
| entstanden Bands wie Neun Tage und L’ambassadeur des ombres: Dunkle, nicht | |
| zwangsläufig düstere Projekte, die in zäher Zeit experimentelle Popmusik | |
| spielten. | |
| Streng arbeitete mit der [1][Künstlergruppe Ornament & Verbrechen], | |
| kooperierte mit DIN A-Testbild aus Westberlin und produzierte Aufnahmen der | |
| [2][Psychedelic-Combo Floating di Morel]. | |
| Den Umtriebigen zog es in die zeitgenössische Musik. Noch in der DDR hatte | |
| er an Kursen des Komponisten Lothar Voigtländer teilgenommen. Ab 1995 | |
| studierte er Tonsatz und Gehörbildung bei Helmut Zapf. Damals gründete | |
| Streng mit Kollegen das Ensemble Kunstkopf, 2002 erschien ihr Album „Sieben | |
| Stücke“. Taymur Streng nahm an der NoiseFactory Hamburg teil und war bei | |
| den Intersonanzen Potsdam vertreten. | |
| ## Kompositionen für akustische Instrumente | |
| Der als Elektroniker bekannte Künstler hat auch für akustische Instrumente | |
| komponiert. Ein schönes Beispiel ist die „Weise für Akkordeon und | |
| Kontrabass“ (2020), eingespielt von Christine Paté und Matthias Bauer. Für | |
| eine seiner Installationen hat Taymur Streng [3][den Dichter Wolfgang | |
| Hilbig] collagiert. | |
| Wie jetzt bekannt wurde, ist er kurz vor seinem 60. Geburtstag in Berlin | |
| gestorben. Sein Werk hat der Komponist freigehalten, indem er in dem Beruf | |
| arbeitete, den er einst in Ostberlin erlernt hatte: Streng war | |
| Bibliothekar. Nichts für Eilige. | |
| 27 May 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Robert Mießner | |
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