# taz.de -- Einigung bei Familiennachzug in Sicht: Deutschland wird zum Ehebrec… | |
> Union und SPD sind sich fast einig über Familiennachzug für Flüchtlinge. | |
> Experten warnen vor einer Beschränkung auf 12.000 Personen pro Jahr. | |
Bild: Auf dem Weg zur deutschen Botschaft in Athen, um für schnellen Familienn… | |
Zum Beispiel Mohamad Malak, 33. Der Syrer ist vor zwei Jahren aus dem Krieg | |
nach Deutschland geflüchtet und eigentlich ein Musterbeispiel für | |
Integration: Malak spricht fließend Deutsch und macht in Berlin eine | |
Umschulung zum Mechatroniker; die Aussichten auf einen Job seien gut. Aber | |
jetzt „weiß ich nicht, wie es weitergehen soll“, sagt er, „mir geht es s… | |
schlecht.“ | |
Malaks Frau lebt bei Damaskus und sollte so schnell wie möglich nach | |
Deutschland nachkommen. Doch Malak hat nur den subsidiären, also den | |
eingeschränkten Flüchtlingsschutz bekommen. Der Familiennachzug ist für | |
Geflüchtete mit diesem Schutz ausgesetzt, und Union und SPD wollen den | |
Nachzug nicht wieder bedingungslos zulassen. | |
Eine Kontingentierung von nur 12.000 nachgezogenen Angehörigen im Jahr | |
wurde im Sondierungspapier für die Koalitionsverhandlungen vereinbart. | |
12.000 Nachziehende pro Jahr: Das bedeutet bei schätzungsweise 60.000 | |
Betroffenen, dass manche dann bis zu fünf Jahre auf ihre Angehörigen warten | |
müssten. „Ich kann nicht mehr denken“, sagt Malak, „wann sehe ich meine | |
Frau wieder?“ | |
Für ihn ist es kein Trost, dass Union und SPD darüber verhandeln, trotz der | |
Kontingentierung mehr „Härtefallregelungen“ zuzulassen. Bei den | |
Härtefallregelungen, wie es sie bereits gebe, sehe er noch Spielraum, sagte | |
CDU-Vize Volker Bouffier am Montag. Die Neuregelung zum Familiennachzug | |
soll nach dem Willen der CDU/CSU am Donnerstag im Bundestag beschlossen | |
werden. | |
## Wer wählt aus, wer wann kommen darf? | |
Kommt eine Kontingentierung auf 1.000 Nachziehende im Monat zustande, | |
rechnen Sachverständige mit erheblichen Problemen bei der praktischen | |
Umsetzung. Wende man das Prinzip „First come, first serve“ an, entstünden | |
lange Warteschlangen, warnte der Asylrechtsexperte Daniel Thym bei einer | |
Anhörung am Montag im Bundestag. Man werde dann möglicherweise | |
„priorisieren“ müssen. | |
Thym nannte als Beispiel für die Auswahl materielle Kriterien, wie etwa die | |
weitgehende Sicherung des eigenen Lebensunterhalts. Roland Bank, Hoher | |
Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) Deutschland, warnte | |
aber davor, an Menschen, die aus humanitären Gründen geflohen seien, die | |
gleichen wirtschaftlichen Erwartungen zu haben wie an andere Zuwanderer. | |
Thym verwies auch auf die Möglichkeit, zwei getrennte Regelungen zu | |
schaffen, eine großzügigere für die schätzungsweise 60.000 Geflüchteten mit | |
subsidiärem Schutz, die bereits hier sind, und eine zweite für Menschen, | |
die noch kommen werden. Doch das wird kaum diskutiert. | |
Bei der Anhörung kamen andere umstrittene Auswahlkriterien zur Sprache, die | |
die Zahl der nachziehenden Angehörigen begrenzen sollen. Dazu zählen neben | |
der Aufenthaltsdauer und der Integrationsleistung das Kindeswohl, die | |
Situation der Angehörigen im Herkunftsland und die Möglichkeit, die | |
Familie auch außerhalb Deutschlands zusammenzuführen. Experten warnten aber | |
vor einer Flut von Prozessen vor den Verwaltungsgerichten, wenn die | |
Behörden diese Auswahl träfen. | |
## Eine baldige Rückkehr nach Syrien ist unrealistisch | |
Hendrik Cremer vom Deutschen Institut für Menschenrechte sprach von | |
dramatischen Folgen für die Familien, wenn es zu lange Wartezeiten gebe. | |
Ein 15-jähriger Junge beispielsweise werde nach drei Jahren Wartezeit 18 | |
Jahre alt sein. Damit komme er für den Familiennachzug zu seinem Vater | |
nicht mehr infrage, denn der gilt nur für Minderjährige. | |
Der Gedanke, die Geflüchteten könnten wegen der Beschränkung in Deutschland | |
dann etwa nach Syrien oder in einen von dessen Anrainerstaaten | |
zurückkehren, um dort mit ihren Familien zusammenzuleben, entspricht nicht | |
mehr der politischen Realität. Darauf wies Prälat Karl Jüsten vom | |
Kommissariat der Deutschen Bischöfe hin. | |
Die Türkei und der Libanon, mit die größten Aufnahmeländer für Flüchtlinge | |
aus Syrien, hätten ihre Flüchtlingspolitik geändert, so Jüsten. In der | |
Türkei gebe es keinen gesicherten Aufenthaltsstatus mehr, im Libanon sei | |
der Aufenthalt auf drei Monate befristet. „Ich fühle mich betrogen“, sagt | |
Mohamad Malak, „wozu habe ich Deutsch gelernt?“ Nach Syrien jedenfalls geht | |
er nicht zurück. | |
29 Jan 2018 | |
## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
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