| # taz.de -- Effektiver Altruismus: Die Höhle des Lösens | |
| > Kann man die Rettung der Welt wie ein Start-up angehen? Eine Schule in | |
| > London versucht es. | |
| Bild: Gefragt sind weniger Elite-Abschlüsse als vielmehr Persönlichkeit | |
| Martin Wicke hat 60 Sekunden Zeit. „Sag mir eine Minute lang alles, was man | |
| mit einem Ziegelstein machen kann“, fordert ihn seine Interviewerin im | |
| Bewerbungsgespräch auf. Wicke, 31, Software-Berater aus Berlin, hat sich an | |
| der [1][Charity Entrepreneurship] Akademie in London beworben, einer Art | |
| Eliteschule für Weltverbesserung. Auch 4.500 andere Bewerber:innen | |
| hoffen auf einen der wenigen Plätze. Im Gespräch soll Martin Wicke nun | |
| zeigen, dass er schnell und kreativ denken kann. In Lösungen. | |
| Also legt er los: Mit einem Ziegelstein kann man eine Tür offenhalten. | |
| Einen Nagel in die Wand hauen. Eine Scheibe einschlagen. Hinter den Reifen | |
| eines Autos legen, um es am Wegrollen zu hindern. Zu Sand zermahlen und | |
| im Winter die Straße damit streuen. Gegen einen anderen Gegenstand | |
| tauschen. Immer mehr fällt ihm ein. | |
| Wenn Wicke einige Monate später von dem Berbungsprozess erzählt, dann weiß | |
| er nicht, ob es die Ziegelstein-Frage war, die den Ausschlag gab. Aber | |
| sicher ist, dass er es durch das Assessment Center geschafft hat. Er ist | |
| einer der 18 Menschen, die für das exklusive Programm für angehende | |
| NGO-Gründer ausgewählt wurden. | |
| Damit ist Martin Wicke jetzt Teil einer Akademie, die der niederländische | |
| [2][Bestseller-Autor Rutger Bregman] anerkennend „Hogwarts für Menschen, | |
| die Gutes tun wollen“ nennt. Eine Zauberschule, deren Schüler:innen an | |
| Lösungen für die großen Probleme der Welt arbeiten, von extremer [3][Armut] | |
| bis [4][Massentierhaltung]. | |
| Das Credo lautet: Größtmögliche Effektivität. Wo lassen sich mit möglichst | |
| wenig Geld möglichst viele Leben retten? Es geht um eine neue Art, Gutes zu | |
| tun: Rational statt emotional, zahlengetrieben und evidenzbasiert statt | |
| intuitiv. Kopf statt Herz. Aber lässt sich Aktivismus wirklich organisieren | |
| wie ein Start-up? | |
| ## Die NGO's folgen dem gleichen Plan | |
| Viele der Teilnehmer am Programm von Charity Entrepreneurship sind | |
| ehemalige Tech- oder Wirtschaftsberater, so wie Wicke, der bis vor Kurzem | |
| noch Projektleiter bei einem Software-Start-up war. Auch ein Mediziner, ein | |
| Neurowissenschaftler und ein Komponist sind dabei. Zwei Monate läuft das | |
| Vollzeit-Programm, mehrere Wochen online, zwei Wochen vor Ort in London. | |
| Dafür zahlt die Schule den Teilnehmer:innen ein Stipendium von 1.900 | |
| Pfund im Monat. Finanziert wird das durch Spenden von anderen NGOs und | |
| Philantrop:innen. | |
| Der Mann, der Wicke beibringen will, effizient Gutes zu tun, arbeitet in | |
| London in einem Hinterhofbüro mit grauem Teppichboden und | |
| Second-Hand-Möbeln. Joey Savoie ist Co-Gründer und Geschäftsführer von | |
| Charity Entrepreneurship und somit quasi der Schulleiter Dumbledore dieses | |
| Hogwarts für NGO-Gründer. | |
| Savoie ist 31 Jahre alt und damit jünger als viele der Menschen, die zu | |
| Charity Entrepreneurship kommen, um von ihm zu lernen. Sein | |
| Psychologiestudium brach er mit Anfang 20 ab. Er wollte nach der | |
| effektivsten Methode suchen, Gutes zu tun. | |
| Heute folgt jede der Gründungen an seiner Schule einem genauen Plan. | |
| Savoies Lieblingsbeispiel: LEEP, das Lead Exposure Eliminiation Project, | |
| deutsch: Projekt zur Beseitigung der Bleiexposition. Die NGO zur | |
| Reduzierung von Bleivergiftungen war 2020 eine der ersten, die aus seiner | |
| Akademie heraus gegründet wurden. | |
| Am Anfang steht die Recherche. „Wo gibt es ein Problem, dass groß, | |
| überschaubar und gleichzeitig vernachlässigt ist?“, fragt Savoie. In diesem | |
| Fall ist es Blei. Laut Weltgesundheitsorganisation sterben jedes Jahr rund | |
| eine Million Menschen an den Folgen einer [5][Bleivergiftung]. | |
| Dann folgt Schritt zwei: eine NGO gründen. Der Ansatz von LEEP: Regierungen | |
| und Farbhersteller so lange lobbyieren, bis sie sich auf Regulierungen | |
| einigen, die den Einsatz von Blei verbieten. In Deutschland geschah dies | |
| bereits 1989, aber in vielen Ländern des Globalen Südens wird Blei | |
| weiterhin in Wandfarben eingesetzt. | |
| Und dann, zuletzt, Schritt drei: evaluieren und quantifizieren. In Malawi, | |
| Madagaskar, Pakistan, Sierra Leone und Zimbabwe hat der Lobby-Ansatz von | |
| LEEP funktioniert. Die Organisation schätzt, dass sie mit einem [6][Einsatz | |
| von rund 14 Dollar] für ein zusätzliches gesundes Lebensjahr sorgt. Auch | |
| wenn die genaue Berechnung der Kosten-Effektivität kompliziert und | |
| teilweise umstritten ist, gilt dies als extrem effektiv. | |
| Auch Martin Wicke, der Ingenieur aus dem Vorstellungsgespräch, möchte das | |
| schaffen: eine NGO wie LEEP zu gründen. Deswegen sitzt er Ende Februar an | |
| seinem MacBook in einem Co-Workingspace in Berlin und spricht in einem | |
| Video-Anruf mit einem Mitschüler. | |
| Aidan Alexander ist Australier, hat für Uber und die Boston Consulting | |
| Group gearbeitet, derzeit lebt er in London. Schon in wenigen Wochen | |
| könnten Wicke und er gemeinsam die Gründer einer neuen NGO sein. Dafür | |
| sollen die beiden heute ihre drei Lieblings-Gründungs-Ideen auf | |
| Skalierbarkeit prüfen. Wie könnte man die Ideen groß denken? Wie könnten | |
| sie in fünf Jahren aussehen? Und wie einfach wäre es, sie auf der ganzen | |
| Welt auszurollen? | |
| Wicke und Alexander tragen in eine Tabelle Ideen für NGOs ein, die gerade | |
| zu ihren Favoriten gehören. Da ist zum einen die NGO, die sich für das Wohl | |
| von Fischen einsetzt. Eine NGO für mehr Tierrechte in der Haltung von | |
| essbaren Insekten. Und eine NGO, die mehr Geldgeber für andere | |
| Tierwohl-NGOs gewinnen will. | |
| Warum so viele Tiere? „Im Vergleich zu Menschen werden Tiere von NGOs stark | |
| vernachlässigt“, sagt Martin Wicke. Und Aidan Alexander sagt: „Vor einem | |
| Jahr hätte ich noch gedacht, ich könnte nur an einer Idee arbeiten, die | |
| Menschen hilft. Aber mittlerweile fühlt sich unser Umgang mit Nutztieren | |
| immer mehr wie die schlimmste moralische Katastrophe unserer Zeit an.“ | |
| Wicke und Alexander sind nicht die Typen, denen brutale Tierhaltung | |
| Albträume macht. Vielmehr treibt sie eine Kette von Fakten und Argumenten | |
| zu ihrem Engagement. „Das Leid der Tiere steht in einem fürchterlichen | |
| Verhältnis mit unserem Bewusstsein für das Problem“, sagt Wicke. Täglich | |
| töteten Menschen rund 900.000 Rinder und über zweihundert Millionen Hühner. | |
| Trotzdem gingen nur rund drei Prozent der Spendengelder für Tiere in den | |
| Kampf gegen die industrielle Massentierhaltung. | |
| Die großen Fragen nach Moral und dem richtigen Leben spielten lange nur | |
| eine kleine Rolle in Wickes Leben. Das änderte sich, als er während seines | |
| Wirtschaftsingenieursstudiums in Aachen ein Interview mit dem australischen | |
| Philosophen [7][Peter Singer] las. | |
| Das Gedankenexperiment, das Singer dort beschrieb, treibt Wicke bis heute | |
| an. Wenn er davon erzählt, richtetet er sich auf, spricht lauter. „Stell | |
| dir vor, du bist auf dem Weg zu einem wichtigen Termin, trägst teure | |
| Kleidung. Plötzlich siehst du in einem Teich ein kleines Kind, das drauf | |
| und dran ist zu ertrinken. Du schaust dich um: niemand ist in der Nähe, der | |
| dem Kind helfen könnte. Natürlich ist es da deine Pflicht, in den Teich zu | |
| springen und das Kind zu retten. Auch wenn das bedeutet, dass deine Kleider | |
| dreckig werden und dein Termin platzt.“ | |
| Wicke ist überzeugt: Das Gedankenexperiment zeigt die Welt, in der wir | |
| leben. „Jeder zehnte Mensch lebt in extremer Armut und hungert“, sagt | |
| Wicke. „Wir stehen quasi jeden Tag vor dem Teich mit dem ertrinkenden Kind, | |
| nur dass wir ihn nicht direkt sehen können.“ | |
| Zu diesen Zahlen gebe es keinen emotionalen Zugang. „Ob jeder Zehnte Mensch | |
| hungert oder jeder Neunte – den Unterschied können wir nicht fühlen“, sagt | |
| Wicke. Und trotzdem sei es für Millionen Menschen der wichtigste | |
| Unterschied der Welt. | |
| 2018 stößt Wicke an der Uni auf eine Gemeinschaft von Menschen, die sich, | |
| inspiriert von Philosophen wie Peter Singer und [8][William MacAskill], vor | |
| allem eine Frage stellen: Wie können sie ihre begrenzten Ressourcen nutzen, | |
| um anderen am meisten zu helfen? Sie nennen sich selbst [9][„Effektive | |
| Altruisten“]. | |
| Jeden Mittwochabend treffen sie sich an der Uni oder in einer Bar und | |
| trinken gemeinsam Tee. Die Gruppe setzt sich mit gewichtigen Fragen | |
| auseinander. Welches Problem ist drängender: Armut, Tierleid oder | |
| Klimawandel? Und wenn ich wählen müsste, ob ich einem schwer leidenden | |
| Menschen helfe oder fünf mittelschwer leidenden Menschen: Wie würde ich | |
| mich entscheiden? | |
| „Das sind brutale Fragen“, sagt Wicke über diese | |
| Triage-Gedankenexperimente. „Aber unsere Ressourcen sind begrenzt. Wir | |
| können nicht alle gleichzeitig retten. Um in der echten Welt Entscheidungen | |
| treffen zu können, müssen wir solche Fragen diskutieren.“ | |
| Seit Jahren schon spendet Wicke Geld, ein Zehntel seines Gehalts, wie viele | |
| überzeugte Effektive Altruisten. Im Jahr 2022 trifft er bei einem Vortrag | |
| auf Karolina Sarek, die Mitgründerin von Charity Entrepreneurship. Sie | |
| sagt: Trotz tausender Bewerber:innen sei es schwer, die richtigen Leute | |
| zu finden. | |
| Denn die Anforderungen, die die Akademie an Bewerber:innen stellt, sind | |
| enorm. Gefragt sind weniger Elite-Abschlüsse als vielmehr Persönlichkeit. | |
| Sie sollen analytisch denken wie Wissenschaftler:innen, risikofreudig und | |
| mutig handeln wie Start-up-Gründer:innen und dabei so bescheiden sein wie | |
| Mönche. Für Wicke klingt das verlockend. Und die Schule traut ihm die große | |
| Aufgabe zu. | |
| Zurück nach Berlin, zum Video-Call zwischen Wicke und Alexander. Zwischen | |
| Deutschland und England lassen sie die Köpfe rauchen: Wie skalierbar wären | |
| die NGO-Ideen, die sie gerade vergleichen? Könnte man die Aufgaben der NGO | |
| langfristig auch von der Regierung umsetzen lassen? Wie könnte man | |
| Unternehmen überzeugen, die eigene Mission mitzuverfolgen? Und könnte man | |
| die eigene Strategie so veröffentlichen, dass andere Organisationen sie | |
| nachahmen? | |
| Ein Dokument mit Fragen, Tabellen und Denkanstößen leitet Wicke und | |
| Alexander durch ihren Denkprozess. 47 dieser „Arbeitsblätter“ strukturieren | |
| das Gründer-Programm von Charity Entrepreneurship. In ihnen geht es um | |
| wissenschaftliche Methoden, den Umgang mit Expertenwissen und das | |
| Entwickeln eines Projektplans. Schulleiter Savoie hat die Erfahrung | |
| gemacht, dass Gründerteams von zwei Personen am erfolgreichsten sind. Sie | |
| halten am längsten durch und schließen ihre NGO im Zweifel auch wieder, | |
| wenn sie merken, dass sie nicht so effektiv ist wie geplant. | |
| Erfolg und Effizienz – die Sprache der effektiven Altruisten wirkt | |
| bisweilen leblos. Keine Rede von Solidarität, Menschlichkeit, Nächstenliebe | |
| und all den Begriffen, die Menschen oft beschwören, wenn sie Gutes tun. | |
| Joey Savoie hingegen will messbaren Impact. Als er 2013 zum ersten Mal von | |
| den Effektiven Altruisten hört, die sich gerade rund um einen | |
| Philosophie-Professor in Oxford formieren, ist er begeistert. Plötzlich | |
| merkt er, dass es da draußen noch andere Menschen wie ihn gibt, die die | |
| Welt mit wissenschaftlichen Methoden zu einem besseren Ort machen wollen. | |
| Sein Psychologiestudium scheint ihm plötzlich unwichtig. Er bucht ein | |
| Flugticket nach England und beginnt dort, als Freiwilliger für die Bewegung | |
| zu arbeiten. | |
| Wegweisend wird für ihn die Begegnung mit Rob Maher, dem Gründer der | |
| [10][Against Malaria Foundation]. Die NGO gilt laut GiveWell, einer | |
| Organisation, die NGOs evaluiert, als eine der kosteneffektivsten der Welt. | |
| Against Malaria betreibt Aufklärungsarbeit und verteilt Moskitonetze. | |
| [11][Kostenpunkt für ein zusätzliches gesundes Lebensjahr] bei dieser NGO: | |
| Rund 100 Dollar. | |
| Von Maher ermutigt, reist Savoie 2016 gemeinsam mit drei | |
| Mitstreiter:innen nach Indien. Sechs Monate lang recherchieren sie | |
| dort, wie sie möglichst effektiv das Leben möglichst vieler Menschen | |
| verbessern können. Sie entwickeln 28 Ideen, fünf erscheinen ihnen besonders | |
| vielversprechend, am Ende setzen sie eine um: Das Verschicken von | |
| Impferinnerungen per SMS an die Eltern von Kleinkindern. | |
| Die Intervention kostet nahezu nichts und erhöht gleichzeitig die Impfrate | |
| unter den erreichten Familien um wenige Prozent. Die Folge: Weniger Kinder | |
| sterben an vermeidbaren Krankheiten wie Masern oder Keuchhusten, die | |
| weltweit bis heute jährlich über 300.000 Todesfälle fordern. | |
| ## Mit 30.000 Dollar geht es los | |
| Eine NGO allein bedeutet schon jede Menge Arbeit. Aber eigentlich warten da | |
| ja noch vier weitere gute Ideen auf Savoie. Kurzerhand beschließt er, sie | |
| in einem Forum der Effektiven Altruisten zu posten. Die Rückmeldungen | |
| überwältigen ihn. Zwei Absolventen aus Harvard und Oxford kontaktieren ihn, | |
| wollen eine Idee umsetzen. Savoie besorgt ihnen 30.000 Dollar Startkapital | |
| und verspricht ihnen eine Stunde Mentoring im Monat. | |
| Die beiden gründen 2017 Fortify Health, das in Indien mit örtlichen Müllern | |
| zusammenarbeitet, um Weizenmehl mit Eisen, Folsäure und Vitamin B12 | |
| anzureichern. Eine äußerst wirksame Methode, um Millionen Menschen vor | |
| Anämie und angeborenen Defekten wie Spina bifida, also offenem Rücken, zu | |
| schützen. Schon bald ist Fortify Health mit ihrem Ansatz erfolgreicher als | |
| Savoie mit seiner NGO. | |
| Diese Erfahrung ließ Savoie umdenken. „Es gibt da draußen viele talentierte | |
| Menschen, die Gutes tun wollen“, sagt er. „Aber bei weitem nicht genug | |
| Lernorte, an denen sie dabei unterstützt werden.“ Das hat er effektiv | |
| geändert: Wickes Jahrgang ist bereits der siebte, 31 effektive NGOs wurden | |
| schon aus seiner Akademie heraus gegründet. | |
| Doch Savoies Vision ist größer. Seine Akademie soll nicht nur ein Lernort | |
| für Gründer sein, sondern auch für Analysten, die NGO-Ideen ausfindig | |
| machen und bewerten, für Geldgeber, die effektiv spenden wollen und für | |
| Spendensammler, die mehr Menschen motivieren wollen, ihr Geld effektiv | |
| einzusetzen. | |
| Ambitious Impact, AIM, heißt die neue Organisation, unter deren Dach er die | |
| nächste Generation von effektiven Weltrettern ausbilden will. Das | |
| Gründerprogramm, an dem Wicke teilnimmt, wird also bald eines von mehreren | |
| an Savoies Schule sein. | |
| Joey Savoie, Martin Wicke, Aidan Alexander – sie alle hätten die | |
| Möglichkeit, hochbezahlten Jobs in der Wirtschaft nachzugehen. Stattdessen | |
| arbeiten sie heute für einen Bruchteil des Geldes an effektiven NGOs. | |
| Viele der Spender, die ihre Arbeit finanzieren, sind Größen der Tech-Szene | |
| im Silicon Valley. Eric Schmidt, der langjährige Google-CEO. Oder Dustin | |
| Moskovitz, ein Mitgründer von Facebook. Angenehm für die Milliardäre: | |
| Kritik am Wirtschaftssystem, das sie reich gemacht hat, kommt von den | |
| Effektiven Altruisten kaum. | |
| „Früher habe ich mehr Zeit in politische Reformbemühungen investiert“, sa… | |
| Savoie. „Aber es ist schwierig, eine Organisation zu gründen, die die | |
| gesamte Wirtschaftspolitik eines Landes verändert. Für mich war es am Ende | |
| die Frage: Versuchst du, den Kurs der Titanic zu ändern oder fährst du | |
| lieber ein nützliches Schnellboot?“. | |
| Die postkoloniale Kritik an reichen Westlern, die sich als weiße Retter | |
| inszenieren und dabei die kapitalistische Ausbeutung des globalen Südens | |
| durch Unternehmen aus dem globalen Norden ignorieren, hat auch Wicke schon | |
| gehört. Er begegnet ihr mit einer Mischung aus pragmatischem Realismus und | |
| Universalismus. | |
| „Wenn vor mir eine Person aus Deutschland und eine Person aus Nigeria steht | |
| und ich 100 Euro zu vergeben habe“, sagt Wicke. „Wem helfe ich dann mehr, | |
| wenn ich ihr das Geld gebe?“. Sich angesichts des Leids im globalen Süden | |
| nicht den Problemen zu widmen, komme ihm falsch vor. „Wenn das meine | |
| Alternativen sind, dann gebe ich das Geld natürlich an die Person, der ich | |
| so mehr helfen kann.“ | |
| Einen Monat nach dem Abwägen der NGO-Ideen erreicht man Martin Wicke in | |
| London. Er hat gerade vier Wochen Intensivtraining hinter sich. Aidan | |
| Alexander und er waren kein Match, aber Wicke hat nun einen Plan: Mit einer | |
| australischen Rechtsanwältin und eine:r amerikanischen Uniabsolvent:in | |
| will er eine NGO gründen, die sich für das Wohlergehen von Fischen in | |
| Griechenland einsetzt, dem größten Fischproduzenten der EU. | |
| Wie viel es genau kosten wird, das Leben eines Fisches zu verbessern, ist | |
| noch ungewiss. Nur das Ziel ist klar: 5-mal effektiver als die derzeit | |
| effektivsten NGOs der Welt will Wicke sein. „Ansonsten wäre das Geld ja | |
| woanders besser angelegt.“ | |
| 1 Apr 2024 | |
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