Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Philosophie-Forschung in Hildesheim: Das Andere sehen
> Eine Forschungsgruppe der Uni Hildesheim beschäftigt sich mit
> außereuropäischen Philosophien. Sie möchte so einer globalisierten Welt
> gerecht werden.
Bild: Klassische Schule der indischen Philosophie: Yoga – hier praktiziert im…
In William Shakespeares „Romeo und Julia“, Akt 3, Szene 3, bezeichnet
Franziskanermönch Lorenzo die Philosophie als „der Trübsal süße Milch“.
Romeo antwortet: „Hängt die Philosophie!“ Viele reale Menschen des Hier und
Heute winken ähnlich ab wie Shakespeares jahrhundertealte Bühnenfiguren:
Philosophie? Angesichts der multiplen Weltkrisen unserer Tage gebe es
Wichtigeres als intellektuelles Gerede, heißt es dann rasch.
Wie kurzsichtig diese Einschätzung ist, und wie wirkungsvoll gerade
multiperspektivisches Philosophieren helfen kann, die oft überfordernde,
tiefgreifenden Wandel verursachende Komplexität unserer Moderne zu
verstehen, zeigt die Kolleg-Forschungsgruppe [1][„Philosophieren in einer
globalisierten Welt – historische und systematische Perspektiven“].
Angesiedelt ist sie an der Universität Hildesheim am Institut Philosophie
im Fachbereich Kulturwissenschaften und Ästhetische Kommunikation. Im
Herbst 2024 hat sie ihre Arbeit aufgenommen, gefördert von der
[2][Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG)].
Unter Leitung von Rolf Elberfeld, seit Langem profiliert in der
transkulturellen Erforschung von Philosophie-Traditionen, zielt die Gruppe
darauf, die Dominanz des eurozentrisch-angloamerikanischen
Philosophie-Begriffs aufzubrechen. Es gelte, „aus den historischen
Forschungen, aber auch außereuropäischen, feministischen und
post/dekolonialen Perspektiven, grundlegende systematische Konsequenzen für
einen Philosophiebegriff im weiten Sinne“ zu ziehen, heißt es in der
Projektbeschreibung der DFG. Eine Arbeit also gegen Marginalisierung und
Exklusion.
Die Forschungsgruppe beginnt nicht bei null. Als empirische Grundlage
dienen ihr die Ergebnisse des 2019 bis 2024 in Hildesheim Reinhart
Koselleck-Projekts [3][„Geschichte der Philosophie in globaler
Perspektive“], das Elberfeld ebenfalls geleitet hat. Es mündete in eine
[4][Datenbank mit Philosophie-Geschichten in Dutzenden Sprachen].
„Philosophieren in einer globalisierten Welt“ ist zunächst für vier Jahre
bewilligt, vier weitere können folgen. Auftakt war die Ringvorlesung „Was
ist Philosophie? Hildesheimer Polylog mit Philosoph*innen aus Afrika“.
„Sie hat die Pluralität, auf die wir zielen, deutlich sichtbar gemacht“,
sagt Elberfeld der taz. Es gehe „um die Betrachtung der Vielfalt
philosophischer Denkfiguren“.
Die erste Hälfte der vier Jahre dreht sich um Philosophien in Afrika und
Lateinamerika, die zweite um Indien, China, Korea und Japan. Wer annimmt,
das neunköpfige Team, das internationale WissenschaftlerInnen ergänzen,
ziele auf eine Global-Philosophie, die alle Philosophien zu einer einzigen
verschmilzt, könnte nicht grundsätzlicher irren: „Es geht uns um die
Demokratisierung des Denkens“, sagt Elberfeld. „Wir müssen unser
Dialogverhalten ändern. Unser Philosophie-Begriff ist ja Ausdruck eines
hochgradigen Selektionsprozesses, aus dem Verdrängung und Unterdrückung
sprechen. Bis heute sehen wir das Andere nicht.“
Indem sie programmatisch auf die Wertschätzung der Vielfalt setzt, tritt
die Forschungsgruppe zugleich der rechtspopulistischen Falsch-Versprechung
entgegen, die Lösung aller Probleme sei größtmögliche Einheitlichkeit und
Einfachheit. „Diese Tendenz erregt Besorgnis“, sagt Elberfeld. „Ob sie
eines Tages auch unsere Arbeit berührt, müssen wir abwarten.“ Bis dahin
baut „Philosophieren in einer globalisierten Welt“ auf Kanon- und
Gesichtsfeld-Erweiterungen, auf Offenheit, auf „polylogische
Auseinandersetzung mit Philosophie-Traditionen“, so Elberfeld.
[5][Philosophie] bedeutet „Liebe zur Weisheit“. Eine
Philosophie-Geschichtsschreibung, die das Fremde zugunsten des Eigenen
ignoriert, hat mit beidem wenig zu tun.
8 Mar 2025
## LINKS
[1] https://www.uni-hildesheim.de/neuigkeiten/eroeffnung-der-kolleg-forschungsg…
[2] https://www.dfg.de/de
[3] https://www.uni-hildesheim.de/histories-of-philosophy/
[4] https://www.uni-hildesheim.de/histories-of-philosophy/philosophiegeschichte…
[5] /Philosophie/!t5012520
## AUTOREN
Harff-Peter Schönherr
## TAGS
Hildesheim
Philosophie
Forschung
Globalisierung
Denken
Eurozentrismus
Demokratie
wochentaz
Imam
Schlagloch
## ARTIKEL ZUM THEMA
Effektiver Altruismus: Die Höhle des Lösens
Kann man die Rettung der Welt wie ein Start-up angehen? Eine Schule in
London versucht es.
Interview mit Imam Ender Cetin: „Der Rechtsruck macht uns Sorgen“
Ender Cetin ist einer der ersten Absolventen des Osnabrücker Islamkollegs
Deutschland. Er nennt es einen Wendepunkt der muslimischen Geschichte.
Zukunft der Demokratien: Die Krisen des Westens
Im globalen Rahmen sind wir im Westen die Arschlöcher. Aber Selbsthass und
Ressentiments machen die Luft trotzdem nicht besser.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.