# taz.de -- EU-Ratspräsident will Amt niederlegen: Michel geht – Orbán prof… | |
> Statt EU-Ratspräsident will Charles Michel lieber EU-Kandidat sein. Doch | |
> wenn er geht, könnte das dem umstrittenen Orbán in die Karten spielen. | |
Bild: Setzt Prioritäten: Charles Michel möchte lieber bei der EU-Parlamentswa… | |
BRÜSSEL taz | Ein Paukenschlag für die Europäische Union: Der ständige | |
Ratspräsident Charles Michel hat seinen Rückzug angekündigt. Der liberale | |
Belgier will für seine Partei „Mouvement Réformateur“ (MR) bei der | |
Europawahl antreten und am 16. Juli sein Amt an der EU-Spitze niederlegen. | |
In Brüssel geht nun die Sorge um, dass ausgerechnet Viktor Orbán von diesem | |
Schritt profitieren könnte. Der ungarische Rechtspopulist übernimmt am 1. | |
Juli für sechs Monate den rotierenden Ratsvorsitz. Orbán tritt damit zwar | |
nicht in Michels Fußstapfen. Dennoch könnte er die EU-Agenda zu einer | |
kritischen Zeit prägen. Viele EU-Regierungen kritisieren Ungarns | |
Ministerpräsidenten unter anderem, weil er die Demokratie in seinem Land | |
einschränkt. | |
„Ich habe beschlossen, bei der [1][Wahl zum Europäischen Parlament im Juni | |
2024] zu kandidieren“, sagte Michel. Vier Jahre nach Beginn seiner Amtszeit | |
sei es seine „Verantwortung, sowohl Rechenschaft über die Arbeit der | |
vergangenen Jahre abzulegen als auch ein Projekt für die Zukunft Europas | |
voranzutreiben“, so der 48-Jährige. | |
Völlig überraschend kommt der Schritt nicht. In seinem Amt als ständiger | |
Ratspräsident, das er 2019 von Donald Tusk übernahm, konnte Michel sich nie | |
wirklich durchsetzen. Der Dauerstreit mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula | |
von der Leyen (CDU) überschattete seine Tätigkeit. Als [2][Tiefpunkt gilt | |
das sogenannte Sofagate]: Michel und von der Leyen waren 2021 gemeinsam zu | |
einem Besuch bei Präsident Recep Erdoğan in die Türkei gereist. Während es | |
sich Michel im Sessel neben Erdoğan bequem machte, wurde von der Leyen aufs | |
Sofa verwiesen – ein diplomatischer Eklat. | |
## Ausgerechnet Orbán | |
Michel hat seither zwar wieder Boden gutgemacht. Beim letzten EU-Gipfel im | |
Dezember gelang ihn gemeinsam mit Kanzler Olaf Scholz das Kunststück, eine | |
Blockade im Streit um den EU-Beitritt der Ukraine zu verhindern. [3][Orbán | |
nahm an der entscheidenden Abstimmung nicht teil], Michel konnte grünes | |
Licht für Beitrittsgespräche geben. Mit seinem vorzeitigen Abgang sorgt er | |
jedoch erneut für Ärger. | |
Ursprünglich sollte Michel noch bis Ende November als EU-Chef fungieren. | |
Damit hätte er über die Zeit von der Europawahl im Juni bis zur Ernennung | |
einer neuen EU-Kommission im Herbst für Kontinuität an der EU-Spitze | |
gesorgt. Nun könnte Ungarn in die Lücke stoßen, die Michel wohl schon im | |
Sommer hinterlässt. | |
„Ausgerechnet Victor Orbán würde dann Interimspräsident, da Ungarn die | |
rotierende Präsidentschaft innehaben wird“, schrieb die Vizepräsidentin des | |
Europaparlaments, Katarina Barley (SPD), auf X. „Kann man sich nicht | |
ausdenken.“ | |
Führungslos wird die EU allerdings nicht. Von der Leyen ist noch bis Herbst | |
im Amt, bei ihrer möglichen Wiederwahl sogar noch bis 2029. Dass Orbán von | |
Michels plötzlichem Abgang profitiert, ist auch nicht sicher. Schließlich | |
dürfte die EU spätestens bei ihrem Gipfeltreffen Ende Juni einen neuen | |
Ratspräsidenten wählen. | |
Als mögliche Kandidaten gelten der scheidende niederländische | |
Regierungschef Mark Rutte und der frühere Chef der Europäischen | |
Zentralbank, Mario Draghi. Ein Machtvakuum dürfte es an der EU-Spitze also | |
nicht geben. | |
7 Jan 2024 | |
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## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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