# taz.de -- EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen: Grüne stellen Bedingungen | |
> Sven Giegold macht ein Ja der Grünen zu Ursula von der Leyen von drei | |
> Punkten abhängig. Mit dabei: Ämter, um Inhalte durchsetzen zu können. | |
Bild: Wollen bei von der Leyens Ernennung mitreden: Grünen-Chef Robert Habeck … | |
BERLIN/BRÜSSEL taz | Im ersten Schreck hatten sich die Grünen hart gegen | |
eine mögliche EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen positioniert. | |
„Ein bitterer Personalvorschlag“, kommentierte der Grüne Sven Giegold auf | |
Twitter, als der Vorschlag des Europäischen Rates vor einer Woche bekannt | |
wurde. Europa verdiene etwas Besseres. Reinhard Bütikofer, Chef der | |
europäischen Grünen, ergänzte kategorisch: „Sie kann es nicht.“ | |
Wird die europäische Grünen-Fraktion die Christdemokratin im EU-Parlament | |
also ablehnen? Mitnichten. Nach einigen Tagen des Nachdenkens | |
kristallisiert sich eine Linie heraus: Die Grünen würden von der Leyen | |
zustimmen, wenn sie entsprechende Zugeständnisse bekommen. Giegold, | |
Europaabgeordneter und Ex-Spitzenkandidat, sagte auf Nachfrage der taz am | |
Montag zwar, dass eine Zustimmung der Grünen im EU-Parlament | |
„unwahrscheinlich“ sei. | |
Aber er öffnete auch eine Tür. „Wir bräuchten für ein Ja Zugeständnisse … | |
drei Ebenen: Stärkung der europäischen Demokratie, grüne Inhalte, etwa eine | |
wirksame CO2-Bepreisung, und Ämter, um Verabredungen durchsetzen zu | |
können.“ Giegold betonte weiter: „Die europäischen Grünen haben nie eine | |
Kandidatin oder einen Kandidaten ausgeschlossen.“ Die Grünen wollen laut | |
Giegold eine öffentliche Anhörung organisieren, um die Positionen von der | |
Leyens sichtbar zu machen – auch für die BürgerInnen. | |
Schon in der vergangenen Woche hatte Giegold für eine Verschiebung der | |
Abstimmung plädiert, um Zeit zu gewinnen. Der Grund: Die Grünen wollen eine | |
verbindliche Zusage des Europäischen Rates zur Sicherung des | |
Spitzenkandidatenprinzips mit transnationalen Listen. Dies sei bis zum | |
geplanten Abstimmungstermin Mitte Juli nicht möglich, argumentierte | |
Giegold. Deshalb müsse man später abstimmen. Denkbar sei ein Termin im | |
September. | |
## Ausgehebelte Verabredung | |
Der Hintergrund: Eigentlich hatten sich das Europäische Parlament und | |
mehrere Parteienfamilien darauf verständigt, nur diejenigen PolitikerInnen | |
für den EU-Spitzenjob zu berücksichtigen, die im Wahlkampf als | |
Spitzenkandidaten aufgetreten waren. Durch den öffentlichen Wettbewerb | |
sollte die europäische Demokratie gestärkt werden. Von der Leyen spielte | |
aber im Wahlkampf keine Rolle. | |
Die Staats- und Regierungschef hatten das Spitzenkandidaten-Prinzip | |
kurzerhand gekippt, weil einzelne Player, etwa der Franzose Emmanuel | |
Macron, dagegen sind. Außerdem hatten weder der CSUler Manfred Weber noch | |
der Sozialdemokrat Frans Timmermans eine Mehrheit. Von der Leyen ist also | |
ein Kompromiss. Pikant ist, dass er nicht nur von Kanzlerin Angela Merkel | |
oder Macron mitgetragen wird, sondern auch von Rechtspopulisten wie dem | |
ungarischen Regierungschef Viktor Orbán. | |
Es wäre „ein großer Fehler“, das Einknicken Merkels vor Orban und Italiens | |
Innenminister Matteo Salvini nachträglich zu legitimieren, sagte | |
Ex-Fraktionschef Jürgen Trittin der taz. Eine von vornherein entmachtete | |
Ursula von der Leyen könne sowieso nicht die Inhalte liefern, die den | |
Grünen wichtig seien. „Eine Ablehnung würde den Druck in Rat und Parlament | |
erhöhen, eine gute Lösung zu präsentieren.“ | |
Auch Bütikofer verwies darauf, dass das EU-Parlament nicht nur bellen | |
dürfe, sondern auch beißen müsse. Das Verfahren sei eine „böse Zumutung�… | |
Doch Bütikofer und Trittin repräsentieren nicht die innergrüne Mehrheit. | |
Die Frage ist nämlich, was nach einer Ablehnung von der Leyens passieren | |
würde. Alternativen sind in der Praxis sehr schwer durchzusetzen: Dass die | |
dänische Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager, die auch als mögliche | |
EU-Kommissionspräsidentin gehandelt wurde, in Rat und Parlament | |
mehrheitsfähig wäre, ist mehr als fraglich. | |
## Nehmen sich die Grünen aus dem Spiel? | |
Andere Grüne fürchten deshalb, dass sie sich mit einer Blockade von der | |
Leyens aus dem Spiel nähmen. Die Bundestagsabgeordnete Franziska Brantner | |
hält eine Zustimmung unter Bedingungen für richtig. „Frau von der Leyen | |
kann zeigen, wie Ernst es ihr ist mit der Stärkung der europäischen | |
Demokratie“, sagte sie der taz. Richtigerweise stünden Inhalte wie | |
effektiver Klimaschutz, die Stärkung der europäischen Demokratie und eine | |
humane und geordnete Flüchtlingspolitik im Vordergrund. | |
Ähnlich argumentierte die Europaabgeordnete Terry Reintke auf Twitter. Die | |
Grünen hätten „nie irgendwen kategorisch ausgeschlossen“, schrieb sie. Un… | |
Die absolute Mehrheit im Parlament wackle ohne die Grünen massiv. | |
In der Tat sind die Grünen für von der Leyen wichtig. Sie braucht 376 von | |
751 Stimmen im EU-Parlament. Im Moment kann sie sich am ehesten auf die | |
Fraktionen der konservativen EVP, der Sozialdemokraten und der Liberalen | |
stützen – außerdem wird sie Stimmen aus der konservativen EKR-Fraktion | |
bekommen, die von Polens Regierungspartei PiS angeführt wird. Aber diese | |
Fraktionen werden nicht geschlossen abstimmen. In der EVP-Fraktion gibt es | |
Ärger über den Überraschungscoup des Rates, die Lage in der | |
Sozialdemokratie ist divers. Die deutsche SPD ist zum Beispiel strikt gegen | |
von der Leyen. | |
Das heißt: Die Stimmen der Grünen wären hochwillkommen, vielleicht sogar | |
spielentscheidend. EU-Ratspräsident Donald Tusk hatte deshalb bereits dafür | |
geworben, die Grünen zu beteiligen – und ihnen einen Posten in der | |
Kommission zu geben. | |
Am Montag traf die Fraktionsspitze der europäischen Grünen die designierte | |
Kommissionschefin in Brüssel zu einem ersten Kennenlernen. Dies soll jedoch | |
nicht die letzte Runde sein. Die öffentliche Anhörung, die Giegold | |
forderte, könnte am Dienstag oder Mittwoch stattfinden. Am Mittwoch will | |
von der Leyen dann auch die Vorsitzenden der anderen Fraktionen treffen. | |
Erst danach wird das Europaparlament über das weitere Vorgehen entscheiden. | |
Der Personalpoker geht weiter. Und die Grünen hoffen, dabei eine | |
entscheidende Rolle zu spielen. | |
8 Jul 2019 | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
Eric Bonse | |
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