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# taz.de -- Dokumentarfilmer über G20-Filme: „Ästhetisch haben wir gewonnen…
> Über den G20-Gipfel in Hamburg sind insgesamt 20 alternative
> Dokumentarfilme gedreht worden. Der Hamburger Filmemacher Rasmus Gerlach
> zieht Bilanz.
Bild: Kreative Protestform: Megafonchor in „Der Gipfel – Performing G20“
taz: Herr Gerlach, Sie haben die Dokumentation [1][„Der Gipfel – Performing
G20“] gedreht, aber auch sonst einen guten Überblick: Wie kommt es, dass es
so viele Filme zum G20-Gipfel 2017 in Hamburg gibt?
Rasmus Gerlach: Ich habe während des Gipfels beim [2][alternativen
Medienzentrum FC/MC] mitgearbeitet. Es ging uns darum, eine möglichst große
Gegenöffentlichkeit abzubilden. Beim G8-Gipfel in Heiligendamm hatte zwar
Wim Wenders mit einem Team gefilmt, doch daraus ist dann nichts geworden;
auch sonst war der filmische Output enttäuschend gering. Deshalb haben wir
in Hamburg viele junge Filmemacher*innen dazu ermuntert mitzumachen.
Gruppen aus anderen Städten haben Aufnahmen bei verschiedenen Demozügen
gemacht und wir sind sehr froh darüber, wie unterschiedlich die Arbeiten
dann geworden sind.
Wie viele Filme sind damals insgesamt entstanden ?
Es gibt 20 von diesen alternativen Filmen, und in einer neun Stunden langen
Gesamtschau sind sie auch in der Roten Flora gezeigt worden. Das Schöne
ist, dass es sowohl inhaltlich wie auch stilistisch kaum Doubletten gibt.
Mit [3][„Welcome to the New World“] gibt es sogar einen kleinen Spielfilm,
der Kurzfilm „Roh und Gekocht“ wurde auf Super-8-Filmmaterial gedreht und
lief auf dem Hamburger Kurzfilmfestival.
Das Fernsehen hat all das ignoriert.
„Vor dem großen Knall“ war der einzige Film aus der Reihe, der im Fernsehen
lief: Er wurde von dem etwas mutigeren Privatsender Tele 5 gezeigt.
Wo sind diese Filme stattdessen zu sehen ?
Wir suchen mutige Kinos, die das Neun-Stunden-Programm zeigen – aber das
ist nicht so einfach. Zwei Jahre nach G20 werden am Wochenende nun aber
wenigstens vier Filme im Hamburger Studio-Kino gezeigt. Dabei gibt es dann
auch Diskussionen mit Thomas Wüppesahl von den kritischen Polizisten und
Rafael Behr, Professor an der Hamburger Polizei-Akademie.
Wäre es nicht auch interessant, einen Vergleich anzustellen mit den
Beiträgen der Fernsehanstalten zu Gipfel, Demonstrationen und
Polizeieinsatz ?
Das gesammelte Fernsehschaffen zum Thema hat das [4][Archiv der sozialen
Bewegungen] der Roten Flora gesammelt. Die haben das komprimiert und eine
DVD zusammengestellt. Diese Arbeit sehen wir auch als einen Teil des
G20-Filmerbes – auch die Plakate sind dort elektronisch versammelt.
Wie hat sich aus Ihrer Sicht dieses Erbe entwickelt in den zwei Jahren
seither?
An den Reaktionen konnten wir erkennen, dass die Diskussion bundesweit und
im Ausland anders geführt wurde. Aber als ehrliche Haut muss ich sagen,
dass es uns am Ende wenig genutzt hat.
In dem Sinne, dass der Protest erfolglos gewesen sei?
Vielleicht hätten wir versuchen müssen, prominente Figuren heranzuziehen.
Ich bin eigentlich kein Fürredner solch einer Prominentenkultur – aber wenn
sich, wie in Heiligendamm, Die Toten Hosen, Wim Wenders, Bob Geldorf und
Bono engagieren, dann macht das einen ganz anderen Eindruck.
Also ist das Fazit eher ernüchternd ?
Politisch stehen wir unter dem Strich mit leeren Händen da, viele junge
Demonstrant*innen werden mit Höchststrafen weggeknastet, kein*e einzige*r
Polizist*in gerät auch nur in die Nähe einer Anklage. Aber ästhetisch haben
wir gewonnen: Viele tolle junge Leute haben damals in Hamburg ihre ersten
Erfahrungen als Filmemacher*innen gemacht. Unser Medienzentrum war ein
großes Labor, und die Lehren können bei neuen Protesten anderswo nützlich
sein. Man muss ja nicht in jedem Land neu beginnen und kann die Resultate
aus der Arbeit weitergeben. Wie etwa im August: bei den Protesten gegen den
G7-Gipfel in Biarritz.
Wie haben Sie Ihren eigenen Film unter die Leute gemacht ?
Es gab 99 Einladungen zu Vorführungen in alternativen Kinos und
Kommunalkinos, der Film wurde viel Open-Air gezeigt. Da dauerten dann die
Gespräche danach oft noch mal so lange wie der Film selbst. Aber der
Diskussionsbedarf war und ist groß – und dann muss man die komplexen Fragen
auch genau beantworten.
Hat die große Zahl an Filmen über den Hamburger Gipfel damit zu tun, dass
die Stadt sich gerne als Medienmetropole wahrnimmt?
Nein. Viele der Filme wurden ja von Auswärtigen gemacht. Der Regisseur von
[5][„Festival der Demokratie“], einem der erfolgreichsten Film in der
Reihe, ist der Wiener Kunststudent Lars Kollros. Ich denke, wenn man selber
in den Hamburger Kalamitäten gefangen ist, ist es schwieriger, so zu
arbeiten. Der dokumentarische Blick sollte nicht zu nah am Leiden sein –
aus der Distanz kann man brutaler hingucken.
Hat die damalige Arbeit den Filmemacher*innen nicht auch einen gewissen
Erfindungsreichtum abverlangt?
Für „Welcome to the New World“ hat der junge japanische Kameramann Jerry
Suen eine Konstruktion erfunden, die bei einem Polizeieinsatz die Kamera
schützt: sieht aus wie eine Mischung aus Vogelkäfig und Aquarium und wirkt
gegen Schläge und Wasserwerfer. Dafür kriegt dann der Kameramann alles ab –
aber Jerry hat es heil überstanden.
Sie selbst wurden bei den Aufnahmen verletzt.
Ein Polizist hat mir einen Rippenbruch verpasst. Ich weiß ja, der Künstler
muss leiden, und so war ich nun einmal auch auf der Seite der Verletzten,
die bei solch einem Großeinsatz am Ende übrigbleiben. Hamburg hat immer
noch keine Zahl der verletzten G20-Demonstrant*innen vorgelegt aber immer
wieder auf die verletzten Polizist*innen hingewiesen. Ein etwas schiefes
Bild – von der Polizeistadt Hamburg wird noch zu sprechen sein.
4 Jul 2019
## LINKS
[1] http://der-gipfel.hamburg/
[2] https://fcmc.tv/
[3] https://sunnika-films.com/welcome-new-world/
[4] http://asb.nadir.org/
[5] https://www.festival-der-demokratie.de/de/
## AUTOREN
Wilfried Hippen
## TAGS
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