# taz.de -- Filmemacher über seine Corona-Doku: „St. Pauli ist jetzt schon k… | |
> Rasmus Gerlach zeigt eine Drei-Stunden-Fassung seiner Dokumentation | |
> „Corona St. Pauli“. Der Film ist wie die Pandemie noch nicht | |
> abgeschlossen. | |
Bild: Im Zentrum des Interesses stehen die Menschen: Szene aus dem Film „Coro… | |
taz: Herr Gerlach, als Sie im Oktober Ihren damals 160 Minuten langen Film | |
[1][„Corona – St. Pauli“] als Work in progress zeigten, schrieben Sie mir: | |
„Ich hoffe, dass es nun bald aus ist mit der Pandemie. Der Film wird sonst | |
zu lang“. Wie lang ist er jetzt? | |
Rasmus Gerlach: Inzwischen ist wieder so viel passiert, dass der Film nun | |
drei Stunden und drei Minuten lang ist. Aber eines Tages wird es eine | |
Schnittfassung geben, die die Länge eines abendfüllenden Films haben soll. | |
Vielleicht sogar noch kürzer, weil die Menschen sich wohl erst in 100 | |
Jahren voller Interesse an die Pandemie zurückerinnern werden. | |
Wie hat der Film sich seit dem letzten Oktober verändert? | |
Viele Leute haben ihr Denken über die Pandemie revidiert. Das Interessante | |
ist ja, dass sich das Bewusstsein der Menschen in solch einer angespannten | |
Lage weiterentwickelt. Auch bei mir, denn inzwischen stehe ich bei dem | |
Konflikt zwischen Impffreunden und Impfgegnern in der Mitte und versuche | |
als Filmemacher neutral zu sein. Ich finde, dass vieles bei der Gesundheit | |
privat sein und bleiben sollte. Diese Position habe ich mir bei den langen | |
Arbeiten am Film erarbeitet, aber es ist schwierig, weil die neutrale | |
Position in diesem Konflikt ein Unort ist. Man erwartet, dass es da eine | |
klare Parteinahme gibt und das Beobachten etwa bei Demonstrationen aus | |
einer neutralen Warte verstehen viele Leute nicht. Doch ich als Filmemacher | |
denke, dass gerade das gebraucht wird. | |
Nun werden ja immer mehr Kamerateams bei Demos angegriffen. Hatten Sie auch | |
solche Schwierigkeiten? | |
Ich wurde leider wie schon zu [2][G20-Zeiten] von der Polizei angegriffen. | |
Das war am 1. Mai 2021, und dabei ist auch wieder eine von meinen Kameras | |
zu Bruch gegangen. Der Technikschwund ist bei diesem Film beträchtlich. | |
Aber ich wurde erstaunlicherweise nie von Demonstrant*innen attackiert. | |
Das liegt wohl daran, dass ich schon so lange dabei bin. | |
Wurde dieser Angriff schon im Film thematisiert? | |
Nee, das kommt erst in der neuen Fassung vor, denn es dauert lange, die | |
Szenen gut zu schneiden. Die Montage ist bei einem Dokumentarfilm | |
wahnsinnig aufwendig. | |
Aktuell kann der Film also nicht sein, weil die Aufnahmen immer eine Weile | |
reifen müssen? | |
Genau. Ich veröffentliche aber kleine Beobachtungen und einzelne Szenen auf | |
Facebook bei [3][„Recht auf Stadt Forum“] und [4][„Golden Pudel Club“].… | |
bekomme ich dann gute Rückmeldungen darüber, wie Leute diese Szenen | |
wahrnehmen und was sie darüber denken. Manche Aufnahmen kann ich danach | |
allerdings gar nicht mehr im Film verwenden, weil der Kontext „verseucht“ | |
ist. | |
Welche Sequenz in der neuen Version des Films ist Ihnen besonders wichtig? | |
Wirklich spannend waren die Dreharbeiten am Silvesterabend an der | |
Reeperbahn. Da haben wir ein Interview mit einem ehemaligen | |
Sexshopangestellten führen können. Dabei ging es um die Frage, was denn | |
aus St. Pauli werden wird. Und dieser Insider hatte eine sehr schockierende | |
Sicht auf den Stadtteil, denn er sagte, St. Pauli sei nicht „unkaputtbar“, | |
sondern jetzt schon kaputt. | |
Und hat Sie das überzeugt? | |
Wenn man abends unterwegs ist, sieht man tatsächlich, dass vieles von dem, | |
was man kannte, verschwindet. Die Läden machen tatsächlich zu. Es ist | |
traurig, dass der Film jetzt diese Wendung bekommt. | |
2 Feb 2022 | |
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[3] https://de-de.facebook.com/groups/rechtaufstadt.hamburg/about/ | |
[4] https://de-de.facebook.com/groups/golden.pudel.club/ | |
## AUTOREN | |
Wilfried Hippen | |
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