# taz.de -- Diskussion im Haus der Kulturen der Welt: Die Diversität des Ostens | |
> Max Czollek und Sasha Marianna Salzmann luden ein, um über die „Utopie | |
> Osteuropa“ zu reden. Es ging um die Ukraine und um Ostdeutschland. | |
Bild: Gastgeber des Abends: Max Czollek und Sascha Marianna Salzmann | |
Eines lässt sich Donnerstagabend im Berliner [1][Haus der Kulturen der | |
Welt] auf den ersten Blick feststellen: „Der“ Osten zieht als Thema. | |
Ausverkauft ist die Veranstaltung mit dem Titel „Gegenwartsbewältigung | |
Osteuropa“, die von den Schriftsteller:innen Sasha Marianna Salzmann | |
und Max Czollek kuratiert und moderiert wird. | |
Etwa 400 Besucher:innen drängen sich im Seitenflügel des Hauses in | |
Mitte, das einst als Symbol westlicher Freiheit bis in den wenige Hundert | |
Meter weiter beginnenden Ostblock leuchten sollte. Ein Gespräch mit der | |
belarussischen Philosophin Olga Shparaga, der ukrainischen Künstlerin | |
Yevgenia Belorusets und der schwarzen ostdeutschen Autorin und Soziologin | |
Katharina Warda steht auf dem Programm; im Anschluss, so verspricht es | |
Czollek eingangs, soll das ukrainische HipHop-Trio Fo Sho den Laden dann | |
abreißen. Das Ganze ist Teil des Festivalformats „Utopie Osteuropa“. | |
## Osten zu sehr als etwas Einheitliches gesehen | |
Eine wesentliche Erkenntnis des Abends zeigt sich schon mit Blick auf die | |
Besetzung: Der Osten wird viel zu sehr als etwas Einheitliches gesehen. Das | |
gelte auch für den innerdeutschen Blick auf den Osten, sagt [2][Katharina | |
Warda]. Warda, 1985 in Wernigerode geboren, versucht in ihrer | |
soziologischen Arbeit und in Kulturprojekten das Multiperspektivische zu | |
stärken: „Ein wichtiger Bestandteil meiner Arbeit ist es, die Vorstellung | |
vom Osten als homogenem Raum zu brechen“, erklärt sie. | |
Damit meint Warda, zum Beispiel Migrationsgeschichten wie die ihrer Familie | |
– sie hat einen südafrikanischen Vater und eine deutsche Mutter – sichtbar | |
zu machen. Es gebe ein unverrückbares Bild, wie „der“ Ostdeutsche sei, | |
darin kämen viele Stimmen und Erfahrungen gar nicht vor. Zu sehr sei der | |
Blick auf „Dunkeldeutschland“ und auf die – zweifellos vorhandene – rec… | |
Gewalt verengt. Tenor bei Warda: Der Ostdeutsche ist immer der andere | |
(Deutsche). | |
Vergleichbare Tendenzen sieht [3][Yevgenia Belorusets] für die Ukraine. Die | |
Fotografin und Schriftstellerin, Jahrgang 1980, ist in Kyjiw geboren und | |
aufgewachsen, sie lebt nun wieder dort, schreibt heute Bücher und Artikel | |
über den Krieg in ihrem Heimatland. Sehr viele unterschiedliche Erfahrungen | |
seien in der Ukraine nach der Öffnung des Eisernen Vorhangs gemacht worden, | |
„viele davon unbenannt“. Die Ukraine werde oft in vereinfachten Narrativen | |
abgebildet, sei aber multiethnisch und heterogen. „Seit 2014 ist der innere | |
Dialog, der in der Ukraine geführt wurde, durch eine äußere Intervention | |
unterbrochen worden.“ | |
## Bewältigung der Vergangenheit – west-östliche Utopie | |
Belorusets drängt auf Bewältigung der jüngeren Vergangenheit: „Welche | |
Fehler wir alle gemacht haben, dass dieser Krieg geschehen konnte, sollten | |
wir uns immer wieder fragen.“ Zukunftsgerichteter ist die belarussiche | |
Philosophin Olga Shparaga im Gespräch, sie versucht Begriffe zu finden für | |
eine positive west-östliche Utopie. Eine Infrastruktur der Fürsorge müsse | |
man aufbauen: Fürsorge für die Unterprivilegierten, Schwachen und | |
Ausgeschlossenen, Fürsorge für die Demokratie. Insgesamt fiel die | |
Diskussion fast zu kurz aus – es fing gerade erst an, spannend zu werden. | |
Das HipHop-Trio Fo Sho – weiblich, schwarz, jüdisch, ukrainisch – ist dann | |
quasi der Band gewordene Beweis für ukrainische Heterogenität. Das | |
Geschwistertrio rappt im Song „100%“ darüber, wie ihnen als Schwarze das | |
Ukrainischsein abgesprochen wurde, trägt die Selbstermächtigungshymne | |
„XTRA“ vor. Den Laden reißen sie nicht gerade ab, ein gelungener Abschluss | |
ist das Konzert dennoch. | |
11 Feb 2024 | |
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## AUTOREN | |
Jens Uthoff | |
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