# taz.de -- Digitalausschuss zu Überwachungsplänen: Kinderschutz mit Verschl�… | |
> Die EU-Kommission will persönliche Kommunikation scannen lassen. Im | |
> Digitalausschuss des Bundesrates zeigen sich Expert:innen nun | |
> ablehnend. | |
Bild: Unter welchen Umständen dürfen persönliche Chats gescannt werden? | |
Berlin taz | Skepsis und Ablehnung dominierten am Mittwoch die Positionen | |
der geladenen Sachverständigen im [1][Digitalausschuss] des Bundestages. | |
Die Frage: Sollen Kommunikations-Dienste wie Whatsapp, Signal oder Facebook | |
verpflichtet werden, auf Anordnung persönliche Bilder und Nachrichten der | |
Nutzer:innen zu durchsuchen? [2][Das sieht im Kern ein Vorschlag der | |
EU-Kommission vor], die damit gegen sexualisierte Gewalt an Kindern | |
vorgehen will. Neun Sachverständige hatten die Fraktionen eingeladen, | |
darunter Expert:innen für Kinderschutz, für Freiheitsrechte und für | |
IT-Sicherheit. | |
Die Bundesregierung muss sich, wie auch die anderen EU-Mitgliedsstaaten, in | |
der EU zu dem Thema verhalten. Doch das Kabinett ist bislang uneins: Hatte | |
sich Innenministerin Nancy Faeser (SPD) für die „Chatkontrolle“ genannte | |
Überwachung ausgesprochen, sehen Grüne und FDP diese geplante Kontrolle | |
deutlich kritischer. | |
Zuletzt zeichnete sich [3][nach Informationen von netzpolitik.org] eine Art | |
Kompromiss für eine gemeinsame Positionierung ab: Überwachung ja, aber nur | |
bei Inhalten, die nicht Ende-zu-Ende verschlüsselt sind. Bei | |
Ende-zu-Ende-verschlüsselten Inhalten wäre eine Überwachungspflicht ein | |
noch größerer Eingriff: Denn die Anbieter müssten hier eine Hintertür | |
einbauen, um die sichere Kommunikation doch knacken zu können – oder die | |
Inhalte schon auf dem Endgerät scannen. | |
Besonders diese beiden Möglichkeiten stoßen bei den Sachverständigen im | |
Ausschuss auf Kritik. Ende-zu-Ende-Verschlüsselung erweise sich „nur in | |
einer deutlich untergeordneten Zahl von Fällen als durchgreifendes | |
Ermittlungshemmnis“, so Markus Hartmann von der Generalstaatsanwaltschaft | |
Köln in seiner Stellungnahme. Zentrales Problem sei nicht, dass Straftaten | |
auf Grund von verschlüsselter Kommunikation nicht erkannt würden. „Vielmehr | |
besteht ein strukturelles Handlungsdefizit durch eine unzureichende | |
technische und personelle Ausstattung der Strafverfolgungsbehörden.“ | |
Ein weiteres Problem sieht Elina Eickstädt vom Chaos Computer Club: „Was | |
wir hier bekommen, ist der Plan für eine Überwachungsinfrastruktur, wie sie | |
noch nie dagewesen ist“, sagte sie im Ausschuss. Außerdem sei mit | |
zahlreichen Fehlalarmen zu rechnen – das würde die Arbeit der | |
Ermittler:innen noch weiter erschweren. | |
## Nicht zielführend in Sachen Kinderschutz | |
Diese Befürchtung teilt Joachim Türk vom Kinderschutzbund: „Wir erwarten | |
eine hohe Quote [4][fehlerhafter Ergebnisse], die die Polizeiarbeit eher | |
erschweren als sie zu stärken“, sagte er am Mittwoch. Zwar sei es | |
grundsätzlich richtig, dass die EU-Mitgliedsstaaten mehr tun müssten gegen | |
sexualisierte Gewalt gegen Kinder. Aber: „Das hier ist kein Wettstreit | |
Kinderschutz gegen Datenschutz.“ Sowohl das Recht auf körperliche | |
Unversehrtheit als auch das Recht auf vertrauliche Kommunikation seien | |
Kinder- und Jugendrechte. | |
In seiner schriftlichen Stellungnahme hatte Türk bereits betont: „Der Fokus | |
auf eine technische Lösung ist zu einseitig und bleibt einem | |
gesamtgesellschaftlichen Problem gegenüber blind.“ Stattdessen fordert er | |
ein Bündel an Maßnahmen. Darunter etwa verbesserte Prävention und eine | |
konsequente Pflicht, dass Anbieter gefundenes Material löschen. | |
Felix Reda von der Gesellschaft für Freiheitsrechte weist auf eine weitere | |
Konsequenz hin, sollte die EU-Kommission ihre Überwachungspläne | |
durchsetzen: eine faktische Ausweispflicht im Netz als Konsequenz aus einer | |
Pflicht zur Altersverifikation. „Es gäbe keinen E-Mail-Account mehr ohne | |
Ausweis.“ Eine anonyme Internetnutzung sei so kaum mehr möglich. | |
## Blaupause für autoritäre Regime? | |
Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber befürchtet zudem, dass die | |
mit den EU-Plänen aufzubauende Überwachungsinfrastruktur anderen Staaten | |
als Blaupause dienen könnte. Und dass gerade autoritäre Regime die | |
Unternehmen nicht nur nach potenziellen Missbrauchsdarstellungen, sondern | |
auch nach politisch unliebsamen Inhalten scannen lassen könnten. | |
Offen ist bislang die Frage, wie die Anbieter vom Messenger- und | |
Mail-Diensten mit einer Gesetzeslage, die einen Bruch der Verschlüsselung | |
verlangt, umgehen würden. Als erster positionierte sich nun der | |
Messenger-Anbieter Signal anlässlich einer ähnlichen geplanten Gesetzgebung | |
in Großbritannien: Der Dienst werde sich dort „auf jeden Fall zu 100 | |
Prozent zurückziehen“, wenn er gezwungen würde, den Schutz der persönlichen | |
Daten zu schwächen, [5][so Signal-Präsidentin Meredith Whittaker in der | |
BBC]. | |
1 Mar 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bundestag.de/ausschuesse/a23_digitales/Anhoerungen/932296-932296 | |
[2] /Jurist-ueber-WhatsApp-Ueberwachung/!5841468 | |
[3] https://netzpolitik.org/2023/positionspapier-innenministerium-macht-wenig-z… | |
[4] /Chatkontrolle-in-der-EU/!5873639 | |
[5] https://www.bbc.com/news/technology-64584001 | |
## AUTOREN | |
Svenja Bergt | |
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