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# taz.de -- Die Wahrheit: Nichtstun mit Niveau
> Die letzten Geheimnisse der Arbeitswelt werden gelüftet: Eine
> krankmachende Langeweile greift immer mehr um sich.
Bild: Ein Schweißer kann nicht so tun, als ob er schweißt. Entweder er schwei…
Es ist so weit. Letzte Geheimnisse werden gelüftet. So auch jenes:
Menschen, die in Büros arbeiten, langweilen sich oft so sehr, dass sie
davon krank werden. Herausbekommen haben diese Ungeheuerlichkeit zwei
Schweizer Unternehmensberater. „Bore-out“ nennen sie ihren Fund: krank vor
Langeweile. Angeblich ist Bore-out weit stärker verbreitet als sein
populäres Gegenstück, das Burn-out-Syndrom. Der volkswirtschaftliche
Schaden beträgt circa 38 Milliarden Euro jährlich … oder vielleicht sogar
stündlich.
Um es deutlich zu sagen: Langweilen Sie sich privat, so viel Sie wollen.
Hier aber geht es um gut bezahltes dienstliches Langweilen. Und um dessen
Tarnung! Denn nichts ist peinlicher, als beim Langweilen erwischt zu
werden. Die beiden Unternehmensberater haben eine ganze Reihe von solchen
Tarnmethoden enttarnt: Einmal stündlich im Eiltempo den Flur entlang
hetzen, ohne irgendwo hinzumüssen. Bei Kollegen oder Chefs immer dann an
die Tür klopfen, wenn man ganz sicher weiß, die haben gerade ein Meeting.
Oder Überstunden anhäufen. Besprechungsräume mieten, ohne sich zu
besprechen. Irgendwas am Computer machen. Moorhuhn spielen zum Beispiel.
Oder ganz einfach sinnlos auf der Tastatur herumklappern. Sieht aus wie
Arbeit, hört sich an wie Arbeit, ist aber keine. So tun als ob. Kennt
jeder. Hat auch jeder irgendwann schon mal gemacht. Gehört zum Bürojob wie
die Heftklammer an den Teebeutel. Im Öffentlichen Dienst in Österreich ist
es sogar Einstellungsvoraussetzung!
Wenn die ganze Kreativität, die in solche Camouflagen investiert wird, in
die Lösung von Problemen oder einfach nur in die Bearbeitung eines Renten-
oder Bauantrages gesteckt würde – die Welt wäre eine andere. Dabei kommt
Langeweile nicht unbedingt vom Nichtstun, sondern vom Unterfordertsein.
Wobei es ganz sicher auch wieder welche gibt, die das Nichtstun
überfordert. Ein Teufelskreis.
Wie überall geht es auch in diesem Bereich jedoch alles andere als gerecht
zu. Nicht bei jeder Tätigkeit kann man nämlich seiner Umwelt so leicht
heftigste Beanspruchung vortäuschen wie in der Verwaltung. Den beiden
schweizerischen Forschern fiel der Schweißer ein.
## Ein schweizerischer Schweizer
Angesichts der phonetischen Nähe zur eigenen Nationalität keine große
Leistung in der Disziplin „Beispiele finden“, aber durchaus richtig: Ein
Schweißer kann nicht so tun, als ob er schweißt. Entweder er schweißt oder
er schweißt nicht. Er bläst stattdessen zum Beispiel Tuba oder geht, falls
er ein schweizerischer Schweißer ist, zur Volksabstimmung über die Frage,
ob es Nicht-EU-Ausländern in der Schweiz erlaubt sein soll, sich
unbewaffnet zu langweilen.
Anderes Beispiel: Ein Schwimmer, der nur so tut, als könne er schwimmen,
ist ein Nichtschwimmer. Ein Abteilungsleiter dagegen, der nur so tut, als
könne er seine Abteilung leiten, bleibt Abteilungsleiter. Jedenfalls so
lange, bis er schließlich Geschäftsführer wird.
Oder werfen wir einen Blick ins Tierreich: Ein Huhn auf dem Hof kann
vielleicht zwei-, dreimal vorspiegeln, es habe ein Ei gelegt. Das nächste
Mal wäre aber ganz sicher auch das letzte Mal, dann gibt es völlig humorlos
Frikassee. Darum sind Bürojobs auch so heiß begehrt, gerade unter Hühnern,
die im Öffentlichen Dienst ja außerdem noch von zahlreichen
Gleichstellungsgesetzen profitieren.
Spätestens an dieser Stelle hätte sicherlich der immerhin rund 1,07 Meter
große deutsche Philosoph Hegel eingehakt und in absolut lesenswerten acht
Bänden sinngemäß geäußert: Man kann nicht einfach nichts tun. Man kann nur
Etwas nicht tun. Und das Nicht-Tun von Etwas ist ein bestimmtes Nichts-Tun
– also ein Tun. Das ist fürwahr fein gedacht. Und endlich mal eine Ausrede
mit Niveau.
25 Sep 2013
## AUTOREN
Robert Niemann
## TAGS
Langeweile
Burnout
Kolumne Internetexplorerin
Bergsteigen
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Burnout
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