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# taz.de -- Die Wahrheit: Deppenkraxeln
> Die Trendsportart des Sommers heißt „Verunglücken am Berg“. Immer mehr
> Idioten wollen jeden verwarzten Huckel erklimmen und stürzen prompt ab.
Bild: Warum kann dieser Vollidiot nicht einfach um den Berg herumlaufen, statt …
Der Mensch ist seiner Natur nach ein Landlebewesen. 98 Prozent seiner
Lebenszeit verbringt er unmittelbar auf der Erdoberfläche, nur zwei Prozent
in der Luft oder in Schaubergwerken, in denen der Führer zur Demonstration
der schweren Arbeitsbedingungen irgendwann das Licht abschaltet, bis jemand
aus der Gruppe ihm den Gefallen tut und „Boah, ist das dunkel!“ murmelt.
Das Erklimmen hoher Berge nimmt eine Zwitterstellung ein. Man hat zwar
immer Boden unter den Füßen, dieser befindet sich allerdings mitunter in
einer Höhe von vielen tausend Metern. Die Wege sind beschwerlich, die Natur
ist rau und karg, die Sicht in aller Regel so, dass man auf der Autobahn
berechtigt wäre, die Nebelschlussleuchte einzuschalten und rechts
ranzufahren. Warum zieht es Menschen dorthin?
Bei Licht besehen, gibt es nur einen einzigen wirklichen Grund, der es
erlauben würde, auf einen Berg zu steigen: wenn er im Weg ist. Das wird man
vom Watzmann ebenso wenig behaupten können wie vom Mont Blanc oder dem
Mount Everest. Keiner muss da rüber, weil die Spätverkaufsstelle auf der
anderen Seite liegt.
So ist es kein Wunder, dass die meisten wirklich hohen Berge erst in den
letzten hundert Jahren erstmals bestiegen wurden. Zuvor lagen sie
Jahrtausende lang unberührt in der Gegend herum. Selbst die Zugspitze, die
mit knapp 3.000 Metern in einer Höhe aufhört, in der richtige Berge erst
anfangen, hatte bis ins Jahr 1820 Ruhe. Unsere Vorfahren wussten, dass sie
dort nichts zu suchen hatten, und blieben brav im Tal. Abgesehen von der
fehlenden Ausrüstung hatten sie gar keine Zeit für wochenlange
Expeditionen. Immer gab es Wichtigeres zu tun.
Das würde man sich auch für manchen heutigen Zeitgenossen wünschen: Dass er
Wichtigeres zu tun hätte. Haben viele aber nicht, leider. Stattdessen
werden sinnloseste Rekorde gesammelt: Als erster ohne Flaschensauerstoff
auf dem Wasweißich, viermal mit nur einer Socke auf dem Kleinen Wurmberg,
alle Drittbesteigungen der jeweils elfthöchsten Berge der sieben Kontinente
und so weiter.
In den Anfangsjahren machten sich aufwändig ausgerüstete Expeditionen auf
den Weg, nach jahrelangem Training und detailliert vorbereitet, mit
einheimischen Trägern und dem neuesten technischen Equipment. Heute wollen
untrainierte Bankangestellte mit einem Body-Mass-Index an der Grenze zur
Adipositas an einem einzigen Vormittag den Mont Blanc hinaufschlappen. Ein
paar Tage später haben sie es zwar nicht auf den Gipfel, aber immerhin in
die Zeitung geschafft, in die Rubrik: „Bergrettung bricht Suche ab“.
## Pionierarbeit durch Messner
Pionierarbeit in Sachen Bergunglück leistete mal wieder der Südtiroler
Yeti-Experte Reinhold Messner, der bereits 1970 seinen Bruder Günther am
Nanga Parbat verlor und ihn erst 30 Jahre später wiedertraf, als
DNA-Gewebeprobe.
Viele Laien-Bergsteiger verunglücken aber gar nicht richtig, fallen also
irgendwo rein oder runter, wo sie eigentlich drüber oder hinauf wollten,
sondern bleiben einfach nur entkräftet hängen. Es reicht gerade noch, um
die Bergrettung zu rufen und ein Selfie zu posten. Denn Spaß muss ein!
Jüngst rief ein Tourist am Mont Blanc den Helikopter, weil er keine Lust
hatte, den ganzen Weg wieder zurück zu latschen. Vielleicht war er auch nur
überrascht, dass es dort oben keine Rutsche gibt, die ihn nach unten
befördert, so wie er das aus dem Freizeitpark kennt.
Neben den nicht barrierefreien Wegen gibt es im Hochgebirge noch eine
zweite große Gefahr: das Wetter! Am Berg ist es nämlich unberechenbar. Zum
Beispiel: Gerade war es noch schön, und plötzlich, ohne Warnung, ohne jedes
Vorzeichen, ist es weiterhin schön. Achtzehn Grad, die Sonne scheint, froh
zwitschert die Gemse. Es will einfach nicht „umschlagen“, wie der Alpinist
sagt. Da hockst du ganz umsonst in deinem Notbiwak und wartest auf einen
Kälteeinbruch oder wenigstens einen kleinen Schneesturm. Stunde um Stunde
vergeht, und nichts passiert! Um mit solchen Kapriolen fertig werden zu
werden, braucht es starke Nerven.
Andererseits: Ohne die Aussicht, in der jährlichen Opferstatistik an
herausgehobener Stelle erwähnt zu werden, wären die Berge für viele
Menschen gar nicht mehr interessant. Die Alpen oder das Pamir-Gebirge
würden imagemäßig auf einer Stufe stehen mit dem Münsterland oder dem
Eselpark Scharbeutz, wo das Schlimmste, was einem widerfahren kann, ein
nicht funktionierender Fahrkartenautomat auf dem Regionalbahnhof ist oder
dass die im Internet stehenden Öffnungszeiten nicht mehr stimmen.
Bei aller Kritik am Hochgebirgsklettern: Im Flachland ist objektiv nicht
genug los. Die Landschaft gibt es einfach nicht her. Da würde es auch nicht
helfen, wenn sich die hinter ihren Gartenzäunen stehenden Einheimischen,
die einem zur Not den Weg zum nächsten Bäcker zeigen, als Sherpa
bezeichnen.
8 Sep 2014
## AUTOREN
Robert Niemann
## TAGS
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