# taz.de -- Die Wahrheit: Männer, Frauen, Worte | |
> Um deutsche Ehen ist es nicht gut bestellt - die Männer schweigen einfach | |
> zu oft. Helfen soll nun eine gesetzliche Mindestwortzahl in | |
> Partnerschaften. | |
Bild: Im Idealfall funktioniert die Interaktion zwischen Mann und Frau – nur … | |
Mangelnde Kommunikation ist sowohl Auslöser als auch Symptom vieler | |
kriselnder Partnerschaften. Schuld hat der Mann. In Langzeitehen spricht er | |
gerade einmal dreihundert Worte am Tag mit seiner Frau! Im Schnitt. Manche | |
bleiben deutlich darunter. Daran haben auch die neuen Möglichkeiten nichts | |
geändert. Welches Paar nutzt für den Austausch seiner Gedanken schon ein | |
ISO-9000 zertifiziertes Projektmanagement mit Steuerungsgremium und | |
Arbeitsgruppenstruktur? Welcher Ehemann äußert seine sexuellen Wünsche | |
mittels Powerpoint? Dabei wäre das vielleicht die Lösung. | |
Beziehungsexperten hingegen sagen, dass neue Technologien nichts bringen. | |
Sie setzen stattdessen auf die Mutter aller Kommunikation: In | |
Partnerschaften muss wieder mehr geredet werden. Doch genau das fällt | |
schwer: Wann soll man reden, gerade wenn beide Partner nicht berufstätig | |
sind? Wozu? Worüber? Und mit wem? Viele verheiratete Männer fragen sich | |
schaudernd: „Dreihundert Worte am Tag! Wie soll ich die denn schaffen?“ | |
Zugegeben: Kommunikation ist schwierig. Als ein Schlüssel zum Gelingen gilt | |
das aktive Zuhören: Nicht rausgehen, während der andere redet, Blickkontakt | |
aufnehmen, immer mal Nicken oder „hm, hm“ brummen. Zur Not das Gehörte kurz | |
wiederholen („… und darum werde ich morgen wieder zu meinen Eltern | |
zurückziehen!“). Viele Männer fühlen sich bereits damit überfordert, gera… | |
wenn das eigentliche Ziel männlicher Kommunikation – die primär nonverbale | |
Interaktion – bereits aufgegeben wurde. | |
Im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMAS) gibt es | |
Überlegungen zur Einführung einer gesetzlichen Mindestwortzahl in | |
Partnerschaften. Das Schweigen der Männer muss ein Ende haben. Laut | |
Referentenentwurf soll es verboten sein, die Mindestwortzahl durch den | |
obengenannten Trick zu erreichen: einfach wiederholen, was der andere sagt. | |
Bei den gesagten Worten muss es sich um verschiedene Worte handeln. Worte | |
müssen aus mindestens zwei Buchstaben bestehen und in einer Sprache | |
gesprochen werden, die der andere beherrscht. | |
Zudem soll es Anreize geben: Werden Worte sinnvoll zu Wortgruppen oder gar | |
zu Sätzen verknüpft, gibt es eine staatliche Zulage von 20 Prozent. Das | |
bedeutet: Wem ein Satz mit vierzehn Worten glückt, der bekommt zwei Komma | |
acht Worte vom Staat dazu – einfach so! | |
## Verlegung weiterer Ehen ins Ausland | |
Außerdem sollen die allgemeinen Sprachfähigkeiten gefördert und durch | |
VHS-Kurse wie „Reden ist Schweigen, Silber ist Gold“ und „Ein Mann, zwei | |
Wort!“ auf ein neues Level gehoben werden. Man muss die Wurzel beim Schwanz | |
packen! Damit kann man gar nicht früh genug beginnen! | |
In Großbritannien kam eine Studie bereits vor Jahren zu dem Ergebnis, dass | |
die mangelnde Ausdrucksfähigkeit gerade männlicher Teenager lediglich die | |
Kommunikation in der Familie, namentlich mit den Eltern, widerspiegelt. | |
Insbesondere wurden ein eingeschränkter Wortschatz (knapp zweistellig), der | |
Verzicht auf jede Form von Grammatik und der massive Gebrauch von aus der | |
Comic-Kultur entnommenen Onomatopoetika („Krzzz!“, „Pffft!“) und Invekt… | |
(„Keuch!“, „Schwanzwedel!“, „Boing die Bohne!“) bemängelt. Man mus… | |
prophetischen Gaben besitzen, um unter solchen Vorzeichen angesetzten | |
Beziehungsgesprächen einen ziemlich schwierigen Verlauf und geringe | |
Erfolgsaussichten vorherzusagen. | |
Den Kritikern geht das alles zu weit. Sie fordern, dass Worte mit mehr als | |
fünf Silben als zwei Worte gelten. Überschüssige Worte vom Vortag sollen | |
auf den Folgetag übertragen werden können. Auch alles, was in Abwesenheit | |
des Partners gesprochen wird, diesen aber mutmaßlich interessiert hätte, | |
soll mitzählen. Außerdem, so verlangen sie, muss auch qualitätsvolles | |
posthumes Handeln berücksichtigt werden, wie eine in Reimform gestaltete | |
Traueranzeige oder eine die Vorder- und Rückseite des Grabsteins | |
einnehmende Grabinschrift mit geschmackvollen persönlichen Anmerkungen. | |
Über die Höhe der gesetzlichen Mindestwortzahl gibt es noch keine Einigung. | |
Die CSU ist dafür und dagegen, hält dreihundert für viel zu hoch und ist | |
der Meinung, dass der Staat Männern nicht vorschreiben darf, wie sie | |
kommunizieren. Sie sollen frei entscheiden können, ob sie ihre an die | |
Partnerin gerichteten Worte aussprechen oder nur denken. Klar aber dürfte | |
sein: Mehr als 8,50 pro Stunde sind mit den Männerverbänden nicht zu | |
machen. Ihre Warnung ist deutlich: Der Ehestandort Deutschland ist in | |
Gefahr! Jedes Wort zu viel wird die Verlegung weiterer Ehen ins Ausland zur | |
Folge haben! | |
Arbeitsministerin Andrea Nahles hingegen sieht darin kein Problem: | |
„Dreihundert Worte schaffe ich ja schon, wenn ich jemanden anrufe, der | |
nicht rangeht!“ Dahinter verbirgt sich eine Fähigkeit, die der Grund dafür | |
sein dürfte, weshalb so oft keiner rangeht, wenn Frau Nahles anruft. Doch | |
das ist ein anderes Thema. | |
15 May 2015 | |
## AUTOREN | |
Robert Niemann | |
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