# taz.de -- Die Wahrheit: Samwer gut oder böse? | |
> Drei Brüder aus dem Netz sind auf dem Beliebtheits-Olymp angelangt. Alle | |
> Welt fragt sich nun: Was macht dieses Trio eigentlich? | |
Bild: Jungspunde im Internet: Oli, Marc und Alex Samwer (v. l. n r.). | |
Marc, Oliver und Alexander Samwer sind hierzulande die berühmtesten Brüder | |
seit den Grimms. Der jüngste Coup des sympathischen Trios bestand darin, | |
ihre Firma Rocket Internet an die Börse zu bringen. Nur: Was macht sie da? | |
Und wer holt sie abends dort wieder ab? | |
Die drei Samwer-Brüder haben, wenn wir das richtig verstehen, in jungen | |
Jahren mal das Internet bei irgendwem geklaut und dann verkauft. Seitdem | |
sind sie Multitrilliardäre, das ist eine Eins mit so vielen Nullen, dass | |
man noch extra welche anfertigen lassen musste. | |
Was macht man mit seinem Leben, wenn man mit Mitte zwanzig schon die erste | |
Trilliarde verdient hat? Würden sie nicht Samwer heißen, sondern | |
Samwowitsch, und stammten sie nicht aus Köln, sondern aus einem ehemaligen | |
Ostblockstaat, könnten sie ein feines Leben als Oligarchen führen: Minister | |
zum Rapport bestellen, jede Woche ein paar Luxusyachten in Auftrag geben, | |
ihren Neffen sämtliche Fernsehsender des Landes vermachen und sich selbst | |
zum Präsidenten des Weltverbandes Merkwürdiger Randsportarten wählen | |
lassen. Und wenn ihre Töchter einen arabischen Prinzen heiraten, tritt | |
Rihanna auf und es gibt ein Feuerwerk, dass sie in der Internationalen | |
Raumstation die Gardinen zuziehen müssen, weil es so blendet. | |
Doch so sind die Samwers nicht! Auch das, was andere junge Menschen mit | |
Geld machen – sich was kaufen –, kann sie nicht locken. Sie müssen nichts | |
kaufen, weil ihnen schon alles gehört. Selbst wenn sie alles noch einmal | |
kauften, müssten sie von ihren Trilliarden nur ein paar hergeben und hätten | |
immer noch genug zum Leben und für ein verlängertes Wochenende im Harz | |
zwischendurch. | |
Darum machen die Samwers einfach da weiter, wo sie nie aufgehört haben. | |
Zuletzt brachten sie ihre Firma Rocket Internet an die Börse. Bei Rocket | |
Internet handelt es sich um ein Unternehmen, bei dem man nicht genau sagen | |
kann, was das Geschäftsmodell ist. Ein Onlinehandel für Raketen wohl eher | |
nicht. Das unterscheidet Rocket Internet von traditionellen | |
Familienbetrieben wie dem der besagten Brüder Grimm, deren | |
Gebrauchtmärchenhandel einem nachvollziehbaren Konzept folgte. | |
## Sympathisch ist, dass die Samwers so sympathisch rüberkommen | |
Rocket Internet hingegen firmiert laut Wikipedia als „Internetinkubator“, | |
ein Wort, das man erst einmal durch einen Trennungsstrich in einen lesbaren | |
Zustand bringen muss: „Internet-Inkubator“. Nun ja. In jedem Falle geht es | |
aber auch bei den Samwers ums Geldverdienen, irgendwie. Dabei stehen sie | |
habituell für einen neuen Unternehmertyp. Locker, lässig, entspannt. Nicht | |
so wie früher, als Unternehmensgründer verschroben waren oder verrückt oder | |
von wildem Ehrgeiz getriebene brutale Ausbeuter, die nach | |
gesellschaftlicher Anerkennung durch die alten Eliten hechelten. | |
Sympathisch ist, dass die Samwers so sympathisch rüberkommen. Selten sieht | |
man sie dabei, wie sie mit wutverzerrtem Antlitz einen Untergebenen | |
fertigmachen, geschützte Singvögel an Rettich-Schaum zum Lunch verzehren | |
oder fünfzehnjährige Mädchen als persönliche Referentinnen einstellen. | |
Zudem tragen sie selbstverständlich keine Krawatten, sondern gern ein | |
legeres Seidentuch zum offenen Hemd. Neue Mitarbeiter werden von ihnen | |
persönlich begrüßt, und gar nicht wenige berichten stolz, dass sie zu Marc | |
„Oli“, zu Oliver „Alex“ und zu Alexander „Herr Dr. – wie war noch m… | |
Name?“ sagen dürfen. Mehr kann man nicht richtig machen, wenn man es nach | |
ganz oben auf den Beliebtheits-Olymp schaffen will. Was das betrifft, sind | |
sie Winnetou, Helene Fischer und Flipper in einem! | |
Bei Rocket Internet haben sie möglicherweise keinen richtigen Plan, dafür | |
aber laut Homepage immerhin eine Vision: Sie wollen die größte | |
Internetplattform der Welt werden. Sie wollen, dass jeder ihre Website als | |
seine persönliche Startseite festlegt. Sie wollen, dass man seine online | |
von Berlin aus bestellte Pizza zwanzig Minuten später im Libanon verzehren | |
kann. Sie wollen, dass es keine Kriege und Seuchen und Hungersnöte mehr | |
gibt – okay, das Letzte war jetzt nicht ganz fair. Denn natürlich müssen | |
Internetpioniere andere Prioritäten setzen. | |
Lange Zeit glaubte die geneigte, breite Öffentlichkeit, die Samwer-Brüder | |
seien so etwas wie moderne Erfinder. Nun erfährt man, dass ihre einzige | |
eigene Idee darin besteht, sich aus den Ideen anderer die schönsten | |
herauszupicken. Erfindungen – Fehlanzeige. | |
Auch der Familienstammbaum der Samwers gibt in dieser Hinsicht leider nicht | |
allzu viel her. Ein paar akademische Räte, Juristenvolk und so weiter. | |
Dabei stünde es ihnen wirklich gut zu Gesicht, wenn zum Beispiel vor | |
dreihundert Jahren ein am Hofe des Zaren dienender Vorfahr den | |
traditionellen Teezubereitungsapparat der Russen erfunden hätte – den | |
Samwowar. Denn, um es so unpolemisch wie nur möglich auszudrücken: Der ist | |
wenigstens zu etwas nütze. | |
17 Oct 2014 | |
## AUTOREN | |
Robert Niemann | |
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