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# taz.de -- Psychologe über Burn-Out-Studie: Einfach mal ein Schwätzchen halt…
> Deutsche sind gestresst, zeigt eine neue Studie. Psychologe Stephan
> Grünewald fordert Gehaltsabzug für alle, die mehr als 40 Stunden
> arbeiten.
Bild: Frauen sind noch stärker von Burn-out betroffen, denn „Männer tun sic…
taz: Herr Grünewald, die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts galt als das
Zeitalter der Nervosität. Heute sind wir erschöpft und ausgebrannt. Ist
unsere Psyche nur Moden unterworfen?
Stephan Grünewald: Wenn es eine Mode gibt, dann die, dass nervöse Störungen
als Burn-out bezeichnet werden. Burn-out besitzt ein viel höheres
Sozialprestige. Das klingt wie eine moderne Tapferkeitsmedaille, weil es
bedeutet, dass jemand gebrannt hat. Es sind aber zum Teil die gleichen
Krankheitsbilder wie früher, etwa Depressionen.
Werden die psychischen Krankheiten nur häufiger diagnostiziert oder sind
wir wirklich so überlastet?
Viele Menschen haben auf Autopilot geschaltet. Sie erhöhen ihr Lebens- und
Arbeitstempo, weil sie hoffen, dass sie durch die besinnungslose
Betriebsamkeit potenzielle Krisen abwehren können. Das macht krank.
Die Krise hat Deutschland doch noch gar nicht erreicht. Der Staat kassiert
mehr Steuern als erwartet. Die Arbeitslosigkeit stagniert.
Viele Unternehmen legen aber schon aus Krisenangst heraus Arbeitsbereiche
zusammen, die Vorgaben für die Mitarbeiter werden erhöht. Es gibt einen
objektiven Druckzuwachs, weil immer höhere Renditen in immer kürzerer Zeit
erwirtschaftet werden soll.
Mal ehrlich: Die Generationen zuvor haben mehr gearbeitet.
Aber anders. Die hatten eine Rhythmik von Innehalten und Betriebsamkeit.
Dahin sollten wir auch zurück. Das ist besser, als eine Kürzung der
Arbeitszeiten zu fordern. Sie pressen dann nur in 30 Stunden, was Sie
vorher in 35 gemacht haben. Wir brauchen wieder Zeit, um ein Schwätzchen zu
halten, Gedanken schweifen zu lassen, Pausen zu machen.
Wer soll das bezahlen?
Dieses mentale Durchlüften führt doch dazu, dass wir unterm Strich viel
produktiver sind. Dagegen reiben wir uns mit dem pausenlosen Stakkato immer
stärker auf. Wir leiden unter einer Rhythmusstörung. Früher waren wir das
Land der Dichter und Träumer und Querdenker. Heute sind wir das Land der
Bürokraten und Workaholics.
Wie viele Stunden pro Woche sollten wir denn arbeiten?
Wer mehr als 40 Stunden arbeitet, sollte eigentlich mit Gehaltsentzug
bestraft werden. Denn er betriebt Raubbau an seiner Kreativität. Aber
natürlich kann man das nicht so formalistisch lösen.
Gibt es einen Unterschied zwischen Frauen und Männern?
Männer tun sich einfacher damit, Fluchtburgen zu beziehen. Das kann das
Büro sein, der Verein, der Fußballplatz oder der Fernseher. Frauen haben
durch eine Fünffachbeanspruchung häufiger das Gefühl, permanent gefordert
zu sein.
Fünffachbeanspruchung?
Eine Mutter will sich rührend um die Kinder kümmern, im Job gut
vorankommen, auch die attraktive Gespielin sein, sich um ihren
Freundeskreis kümmern und sich selbst verwirklichen. Sie wird am Ende des
Tages immer ein schlechtes Gewissen haben.
ThyssenKrupp hat einen Raum der Stille eingerichtet, in dem Mitarbeiter in
einem meditativen Umfeld zur Ruhe kommen können. Stahlmanager meditieren
ihren Stress weg – eine Lösung?
Das ist ein Ansatz. Am besten wäre es jedoch, den guten, alten
Mittagsschlaf wieder einzuführen: 20 Minuten aufs Ohr legen.
Das ist in Fabriken utopisch.
Das ist freilich nicht überall möglich, es gibt aber andere Möglichkeiten:
Tischtennisplatten, Kicker. Das Ziel ist, mal eine halbe Stunde etwas
komplett anderes zu machen und so die Blick- und Problemstarre aufzulösen.
31 Oct 2013
## AUTOREN
Hanna Gersmann
## TAGS
Burnout
Studie
Stress
Psychologie
Protestbewegung
Langeweile
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