# taz.de -- Deutschlandtag der Jungen Union: Großes Schaulaufen | |
> Beim Deutschlandtag der Jungen Union betreten vier mögliche | |
> Laschet-Nachfolger die Bühne. Zwei stechen besonders hervor. | |
Bild: Ralph Brinkhaus nimmt beim Deutschlandtag der Jungen Union die Rolle des … | |
MÜNSTER taz | Möglicherweise war der Tipp einfach falsch. „Er müsse etwas | |
„sehr, sehr lautes“ machen, habe der Chef der Jungen Union, Tilman Kuban, | |
ihm geraten, sagt Ralph Brinkhaus, als er am Sonntagmorgen kurz vor elf auf | |
der Bühne der Münsterlandhalle steht. Seit Freitag hält die JU hier in | |
Münster ihren Deutschlandtag ab, am Samstagabend hat es eine Party gegeben, | |
ein Teil der Delegierten schaut noch etwas müde aus. Brinkhaus legt los. | |
Brinkhaus ist gerade als Fraktionschef der Union im Bundestag wiedergewählt | |
worden, allerdings nur für ein halbes Jahr. Landet die Union, wie erwartet | |
wird, in der Opposition, ist der Posten neben dem CDU-Vorsitz und dem | |
Generalsekretär einer der wenigen wirklich einflussreichen, die zu vergeben | |
sind. Brinkhaus ist einer der fünf Männer, die für die Spitzenjobs | |
gehandelt werden. Alle fünf waren an diesem Wochenende bei der JU zu Gast, | |
vier als Redner geladen. Nur Norbert Röttgen, dessen Anhängerschar bei der | |
traditionell deutlich konservativen JU eher kleiner ist, sitzt am Samstag | |
einfach nur da. | |
Es sind drei bemerkenswerte Tage, die die JU hier veranstaltet. Tage, in | |
denen der gescheiterte Kanzlerkandidat Armin Laschet mit einer sehr | |
selbstkritischen Rede der JU ein wenig den Wind aus den Segeln nimmt, denn | |
natürlich will diese mit Laschet und den beiden Parteien hart ins Gericht | |
gehen. | |
In denen CSU-Chef Markus Söder Laschet endlich einmal unterstützt, indem er | |
kurzfristig absagt und damit den Unmut der Delegierten auf sich zieht. In | |
dem die JU hart austeilt, aber erstaunlich wenig Selbstkritik übt. Und in | |
denen viel von Zusammenhalt, inhaltlicher sowie personeller Neuaufstellung | |
die Rede ist, aber auch die Unsicherheit zutage tritt, wohin die Reise | |
gehen soll. | |
Bei Merz funkt es nicht | |
Eine Klärung aber zumindest deutet sich an: Friedrich Merz scheinen im Jahr | |
2021 auch viele aus der JU nicht mehr für den richtigen Kandidaten für den | |
CDU-Vorsitz zu halten. Merz, der 2018 nach dem Rückzug von Angela Merkel | |
vom Parteivorsitz ein Polit-Comeback versuchte und bereits zweimal, | |
allerdings nur knapp, im Kampf um den Parteivorsitz unterlag, durfte am | |
Freitagabend den Auftakt machen. | |
Einzug mit Beats und Applaus, alles deutet darauf hin, dass nun ein Déjà-vu | |
bevorsteht, die JU hatte Merz Ende vergangenen Jahres noch als Kandidaten | |
unterstützt. Doch zwischen Merz und den Delegierten funkt es nicht. Merz | |
springt von Punkt zu Punkt, ist mal bei dem Kölner Muezzinruf, mal bei den | |
vermeintlich links-grünen Öffentlich-Rechtlichen, mal bei einem neuen | |
Generationenvertrag, die CDU bezeichnete er als „insolvenzgefährdeten | |
schweren Sanierungsfall“. | |
Schon bald fangen Delegierte das Plaudern an, dazu „kreisen“ Bierflaschen, | |
wie Merz spitz bemerkt. Begeisterung ist im Saal nicht zu spüren. Als sich | |
dann einer der Delegierten für die Problemanalyse bedankt, aber gern wissen | |
möchte, wie denn Merz’ Lösungsvorschläge aussehen, reagiert dieser pikiert. | |
Möglicherweise schwant dem Nachwuchs jetzt, wo auch die eigene politische | |
Zukunft auf dem Spiel steht, dass Merz doch eher ein Mann von gestern ist. | |
„Friedrich Merz ist ein kluger Kopf, der sicherlich auch als Berater und | |
als Unterstützer mit dabei sein kann“, wird Kuban später in einem Interview | |
sagen. Soll in der Jungen Union wohl heißen: Als CDU-Chef sieht die JU Merz | |
eher nicht. Schon begeisterter reagieren die Delegierten auf | |
Gesundheitsminister Jens Spahn, der als zweiter der möglichen Kandidaten | |
spricht. | |
Spahn ist mit seinen erst 41 Jahren und seinem konservativen Profil auch | |
eine Art Alt-Hoffnung der JU. Doch seine strikte Coronapolitik hat so | |
manchem der jungen Leute nicht gefallen. Spahn spricht von einem | |
„beschissenen Wahlergebnis“, sagt aber auch, die CDU sei nicht erledigt. Er | |
beklagt die Zerrissenheit der Partei, fordert bessere Debatten und möchte | |
die Aussage „Das ist alternativlos“, die von Angela Merkel stammt, nie mehr | |
auf einem Parteitag hören. | |
Engagiert und deutlich klarer als andere Redner dekliniert er „Leitsätze“ | |
durch – „wenn man nachts wach gemacht wird und sagen soll: Wofür steht die | |
CDU?“ „Wer arbeitet, soll mehr haben“ sei so ein Satz. „Erwirtschaften | |
kommt vor dem Verteilen“ ein anderer. Oder, dass die Familie Kern der | |
Gesellschaft sei. All das gelte weiterhin für die CDU, müsse aber mit neuem | |
Inhalt gefüllt werden. Die Parteijugend, die auf Suche nach Sinnstiftung | |
ist, dankt ihm das mit viel Applaus. | |
Den meisten Zuspruch aber bekommt Carsten Linnemann, der Chef der | |
Mittelstandvereinigung, der für seine Nähe zur FDP und als Bremser einer | |
fortschrittlichen Klimapolitik bekannt ist. Die JU hat für Linnemann zwar | |
keinen Redeslot wie für Merz, Spahn und Brinkhaus vorgesehen, doch er nutzt | |
die zehn Minuten, die ihm „Der Pitch 2.0 – dein Plan für den Neuanfang“ | |
bietet. Er spricht sich für eine Mitgliederbefragung beim Parteivorsitz | |
aus, einen Herzenswunsch der JU. Auch fordert er von seiner Partei nicht | |
nur mehr Debatte, sondern „auch die ganz heißen Eisen anzupacken“, wie | |
Rente, Verbeamtungen und auch Migration. | |
Und Brinkhaus? Der hält eine Einpeitscherrede, in dem er vor allem gegen | |
die Ampel schießt, die lange auf Rot und Grün, aber nur sehr wenige | |
Sekunden auf Gelb stehe. „Das ist die strammste Linksagenda, die wir seit | |
Jahrzehnten hatten.“ Es ist die Rede eines Oppositionsführers, die | |
Brinkhaus da hält. Ganz klar: Zumindest diesen Posten reklamiert er auch in | |
der Zukunft für sich. Das Herz der JU aber erobert Brinkhaus nicht. Auch | |
weil er auf die Frage, was er von einer Mitgliederbefragung halte, trotz | |
mehrerer Nachfragen partout nicht antworten will. | |
Am Ende beschwört Tilman Kuban noch einmal den Aufbruch, der von dem | |
Deutschlandtag ausgehe. Auch wenn dieser nur bedingt ein Gradmesser für die | |
CDU ist: Es kann gut sein, dass Jens Spahn und Carsten Linnemann dabei eine | |
größere Rolle spielen werden. | |
17 Oct 2021 | |
## AUTOREN | |
Sabine am Orde | |
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