Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Deutschlandtag der Jungen Union: Aufarbeitung, erster Versuch
> Die Generalsekretäre von CDU und CSU stellen sich der Kritik. Während
> Ziemiak abwiegelt, tropft an Blume alles ab. Das zeigt, wie tief der
> Spalt ist.
Bild: Stellten sich der Jungen Union auf dem Deutschlandtag: Paul Ziemiak und M…
Münster taz | Irgendwann reicht es Johannes Winkel, dem Landeschef der
Jungen Union in NRW. „Wenn wir noch nicht mal jetzt Klartext reden, dann
haben wir echt verloren“, ruft er den Generalsekretären von CDU und CSU,
Paul Ziemiak und Markus Blume, zu. Die beiden Männer stehen am späten
Samstagnachmittag auf der Bühne der Münsterlandhalle, wo an diesem
Wochenende [1][der alljährliche Deutschlandtag der Jungen Union] tagt. Es
soll um die Aufarbeitung des Wahldebakels bei der Bundestagswahl gehen.
„Ihr beide“, schimpft Winkel weiter, „habt es zu verantworten, dass in
diesem Bundestagswahlkampf die Jusos und Olaf Scholz geschlossener waren
als die CDU und die CSU. Das ist eine absolute Frechheit.“ Da klatschen die
Delegierten im Saal begeistert, die ohnehin auf der Barrikade sind. Nicht
nur weil die Union aus ihrer Sicht auf den falschen Kandidaten setzte, noch
allerlei andere Fehler machte und am Ende bei der Bundestagswahl ein
desaströses Ergebnis einfuhr. Sondern auch, weil CSU-Chef Markus Söder sein
Kommen an diesem Wochenende kurzfristig cancelte und sich damit der
Auseinandersetzung mit dem Parteiennachwuchs entzog. Und viele im Saal aber
der Ansicht sind, dass die Seitenhiebe aus München gehörigen Anteil am
Wahlausgang haben.
Den Ärger der Jungen Union darüber bekommt nun vor allem
CSU-Generalsekretär Markus Blume zu spüren – der aber alles an sich
abtropfen lässt. „Welche Bedeutung hat die Parteikonferenz in Bayern, dass
sie Markus Söder nicht ermöglicht hierher zu kommen?“, will etwa einer der
Delegierten aus Nordrhein-Westfalen wissen. „Offensichtlich eine große,
sonst wäre er da.“, entgegnet Blume kühl. Und fügt hinzu, Söder habe sich
doch der Jungen Union gestellt: der in Bayern.
Keinen Millimeter kommt der Mann dem aufgebrachten Parteinachwuchs
entgegen; nicht das kleinste Eingeständnis, dass das Verhalten des
CSU-Chefs problematisch gewesen sein könnte, ist von Blume zu vernehmen. Da
kann sich die JU noch so sehr abmühen. Hatten noch so viele Redner:innen
im Laufe des Treffens betont, wie wichtig die Geschlossenheit zwischen CDU
und CSU und wie gefährlich das Zerwürfnis sei, Blume trägt hier wenig dazu
bei, den Konflikt zu besänftigen. Applaus bekommt der CSU-Mann dann auch
nur von der Jungen Union aus Bayern. Das zeigt, wie tief der Riss ist, der
sich zwischen den Schwesterparteien aufgetan hat. Da können Ziemiak und
Blume ihre persönliche Zusammenarbeit etwa beim Wahlprogramm noch so sehr
loben.
Ganz anders als Blume geht [2][CDU-Generalsekretär Ziemiak] vor, der bis
2019 selbst Vorsitzender der Jungen Union war und den das Wahldebakel den
Job kosten dürfte. Ziemiak sagt gleich zu Beginn, dass nicht nur Laschet
Verantwortung für den Wahlausgang trage, sondern auch er als
Generalsekretär. Der CDU-Vorsitzende hatte am Morgen in einem sehr
selbstkritischen Auftritt die gesamte Verantwortung übernommen. Auch an
Ziemiak ist die Kritik groß. Uninspirierte Plakate, unspezifische
Botschaften, dazu Terminabsprachen mit der CDU-Zentrale, die nicht
eingehalten wurden, und natürlich der falsche Kandidat, all das wird
Ziemiak vorgeworfen.
## „Zu beliebig im Inhalt“
Dann tritt ein Delegierter aus Nordrhein-Wesfalen ans Mikrofon, ein Typ in
rosafarbenem Kapuzenpulli, der offensichtlich in Rage ist. „Wir sind in
unserem Inhalt einfach viel zu beliebig geworden“, sagt er und verweist auf
den Wahl-o-mat, den hunderttausende Menschen machten. Doch die Union habe
bei vielen Fragen neutral angekreuzt. „Wir haben keine Position zum
Mindestlohn. Keine Position bei konventioneller und ökologischer
Landwirtschaft. Keine Position zu so vielen Fragen“, beginnt er und liest
dann Frage für Frage vor. Und immer ruft er: „Die Union: keine Position“.
Seine Stimme überschlägt sich da fast und der Saal tobt. „Wie kann das
sein?“ ruft er den Generalsekretären zu. „Es gibt Fragen, die sind
komplizierter als Ja-Nein“, versucht Ziemiak abzuwiegeln..„Es gibt manchmal
auch richtige Antworten und falsche Fragen“, sagt Blume. Doch da fährt
[3][JU-Chef Tilman Kuban] dazwischen: „Manchmal ist es auch schön, wenn wir
klare Antworten haben.“
Kurz bevor die beiden Genralsekretäre die Bühne betreten, hat die Junge
Union bereits eine Wahlanalyse verabschiedet, die auch nicht gerade
zimperlich ist. [4][Laschet, heißt es darin,] „konnte als Kandidat die
Menschen nicht so erreichen, wie es von vielen erhofft wurde“. Doch die JU
lädt die Schuld nicht allein bei dem gescheiterten Kanzlerkandidaten ab.
„Eine solche Kandidatur ist aber keine One-Man-Show. Weder im Sieg noch in
der Niederlage“, heißt es in dem Papier. Die Parteispitze, Söder, das
Konrad-Adenauer-Haus – die Kritik der JU ist breit gestreut.
## Versöhnliche Worte zum Schluss
Einer der weitreichendsten Fehler sei gewesen, den Kanzlerkandidaten zu
spät und ohne Beteiligung der Basis zu benennen. Als Konsequenz fordert die
JU nun eine Mitgliederbefragung in Sachen Parteivorsitz für den Fall, dass
es mehrere Kandidaten geben sollte. Auch will sie einen „Unionsrat“ mit
Mitgliedern aus CDU und CSU einführen, der künftig unter anderem das
Verfahren klären soll, wie der Kanzlerkandidat bestimmt wird.
Weit über eine Stunde dauert die Auseinandersetzung mit den
Generalsekretären. Am Ende schlägt Johannes Winkel, der JU-Chef aus NRW,
dann doch noch einen versöhnlichen Ton an. Als sich die beiden
Generalsekretäre auf die Stufe zur Bühne setzen und die weißen JU-Sneaker
mit den Deutschland-Farben an der Seite anziehen, die ihnen Kuban zum Dank
für ihr Kommen überreicht hat, sagt Winkel: „Wir gehen mit den gleichen
Schuhen in die gleiche Richtung.“ Das sei immerhin ein schönes Symbol.
An diesem Sonntag wird der Deutschlandtag fortsetzt, dann wird unter
anderem Ralph Brinkhaus, der Vorsitzende der Bundestagsfraktion von CDU und
CSU, ein Grußwort sprechen. Zur Fraktion gehören, wie auch zur Jungen
Union, beide Schwesterparteien. Brinkhaus' Auftritt könnte ein weiterer
Schaulauf werden. Wie Friedrich Merz, Jens Spahn und Carsten Linnemann, die
alle bereits gesprochen haben, werden auch Brinkhaus mögliche Ambitionen
auf den Parteivorsitz nachgesagt. Das gilt im übrigen auch für Norbert
Röttgen. Der saß am Samstag unter den Delegierten des Deutschlandtages.
Eine Einladung zur Rede hatte er nicht.
17 Oct 2021
## LINKS
[1] /Deutschlandtag-der-Jungen-Union/!5808276
[2] /Aktuelle-Nachrichten-zur-Wahl/!5804958
[3] /Deutschlandtag-der-Jungen-Union/!5808229
[4] /Die-CDU-nach-dem-Wahldebakel/!5804430
## AUTOREN
Sabine am Orde
## TAGS
Paul Ziemiak
Junge Union
Armin Laschet
Tilman Kuban
CDU/CSU
IG
CDU
Friedrich Merz
CDU/CSU
CDU/CSU
Tilman Kuban
## ARTIKEL ZUM THEMA
Machtkampf in der CDU: Letzte Ausfahrt Basis
Als autoritäre Organisation wählt die CDU mit dem Mitgliederentscheid ein
heikles Instrument. Doch die Probleme der CDU sind viel größer.
Neuaufstellung der CDU: Konservative Basisdemokratie
Die CDU-Mitglieder wählen ihren nächsten Chef. Eine Frau wird es kaum
werden. Die Partei braucht eine Modernisierung und mehr Junge vorn.
Deutschlandtag der Jungen Union: Großes Schaulaufen
Beim Deutschlandtag der Jungen Union betreten vier mögliche
Laschet-Nachfolger die Bühne. Zwei stechen besonders hervor.
Deutschlandtag der Jungen Union: Schaulaufen und Selbstkritik
Auf dem Deutschlandtag übernimmt Laschet die Verantwortung für das
Wahlergebnis. Mögliche Nachfolger buhlen um die Gunst der Jungen.
Deutschlandtag der Jungen Union: Parteinachwuchs auf Zukunftssuche
Die Junge Union will in Münster ein Aufbruchssignal senden. Zudem steht ein
Schaulaufen möglicher Kandidaten für den CDU-Vorsitz an.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.