# taz.de -- Der Attentäter von Orlando: Ein derangierter einsamer Wolf | |
> Wer war Omar Mateen? Aussagen aus seinem Umfeld ergeben ein | |
> unvollständiges Bild. Der IS jedenfalls bekennt sich schon mal zu dem | |
> Attentat. | |
Bild: Trauer nach der Bluttat | |
BERLIN taz | Es war nur Minuten, bevor im Pulse in Orlando die ersten | |
Schüsse fielen, als der 29-jährige Omar Mateen, in den USA als Sohn | |
afghanischer Einwanderer geboren, die Notrufnummer der Polizei anrief. Er | |
nannte seinen vollen Namen, seinen Aufenthaltsort beim Club – und bekannte | |
seine Treue zum „Islamischen Staat“ (IS). Dann begann das Morden. | |
Am Montag veröffentlichte der IS eine offizielle Stellungnahme über seinen | |
Radiosender Albayan. Darin heißt es: „Einer der Soldaten des Kalifats in | |
den USA hat einen Angriff ausgeführt, bei dem ihm der Zugang zu einem | |
Treffen der Kreuzzügler in einem Nachtklub für Homosexuelle in Orlando, | |
Florida, gelungen ist.“ | |
Das bedeutet jedoch keineswegs, dass Omar Mateen auf Befehl handelte oder | |
dass überhaupt nur irgendjemand von seinen Plänen wusste. Erst im Mai, | |
erinnert die New York Times, habe IS-Sprecher Abu Mohammed al-Adnani in | |
seiner Jahresansprache zu Anschlägen innerhalb westlicher Staaten, | |
insbesondere den USA, aufgerufen. „Die kleinste Aktion in ihrem Herzen ist | |
uns mehr wert als die größte, die wir ausführen können“, hieß es darin. … | |
schon 2014 hatte er erklärt, niemand müsse um Erlaubnis fragen, um | |
Ungläubige zu töten – wer dazu die Gelegenheit habe, solle es einfach tun. | |
Der Treueschwur reicht dem IS, um die Tat für sich zu reklamieren. | |
Diese Strategie der Terrorakte durch „Einsame Wölfe“ allerdings ist keine | |
Erfindung des IS. Sie stammt aus dem Repertoire des US-Rechtsextremismus | |
und ist in verschiedenen theoretischen Schriften von US-Nazis und „White | |
Supremacy“-Strategen beschrieben. Die Täter sind in der Regel zuvor nicht | |
weiter auffällig. | |
Zweimal in den letzten Jahren war Omar Mateen ins Visier polizeilicher | |
Ermittlungen geraten: Beide Male ging es um mögliche islamistische | |
Verbindungen, beide Male gab es dafür keinerlei Hinweise und die | |
Ermittlungen wurden eingestellt. | |
Die Behörden sahen auch keinerlei Grund dafür, ihm die Lizenz zum Tragen | |
einer Waffe zu verweigern. Die Pistole und das halbautomatische | |
AR-15-Gewehr, die Mateen in der Mordnacht benutzte, hatte er erst wenige | |
Tage zuvor erstanden. | |
Auch Mateens unmittelbare Umgebung hat von einer islamistischen | |
Radikalisierung nichts mitbekommen. Der Imam des Islamic Center of Fort | |
Pierce, wo Mateen mehrmals wöchentlich betete, beschreibt ihn als | |
zurückhaltenden Menschen, der niemals mit anderen gesprochen habe. Auch | |
Mateens Vater und seine drei Schwestern, ebenfalls in der muslimischen | |
Gemeinde aktiv, wissen nichts von einer Radikalisierung. | |
## Hasstiraden gegen Homosexuelle | |
Was allerdings vielen aufgefallen war: Eine latente Aggressivität ging von | |
Mateen aus. David Gilroy, ein früherer Arbeitskollege in der | |
Sicherheitsfirma, bei der Mateen beschäftigt war – er hatte eine | |
Polizeikarriere angestrebt, war aber an den Prüfungen gescheitert –, | |
berichtet der New York Times, er habe „andauernd davon gesprochen, Leute | |
umzubringen“ und sei ständig in Hasstiraden gegen Homosexuelle | |
ausgebrochen. | |
Mateen sei immer „an der Grenze“ gewesen, immer unter Spannung, und er habe | |
keine vier Sätze sagen können, ohne das N-Wort zu benutzen oder gegen | |
Homosexuelle zu hetzen. Insgesamt habe Mateen ein Problem mit seiner Wut | |
gehabt, seinen Aggressionen. | |
Er, Gilroy, habe sich mehrmals an seinen Arbeitgeber gewandt, um auf | |
Mateens Verhalten aufmerksam zu machen, ohne Erfolg. Schließlich habe er | |
den Dienst quittiert, weil die Atmosphäre „vergiftet“ gewesen sei. | |
Daraufhin habe Mateen ihn mit SMS bombardiert, in denen er ihm Verrat | |
vorgeworfen habe. | |
## Häusliche Gewalt | |
Dass Mateen einen abgrundtiefen Hass gegen Homosexuelle pflegte, bestätigt | |
auch Mateens Vater: Mit Religion habe das nichts zu tun, meint Seddique | |
Mateen. Aber erst vor Kurzem sei sein Omar in Miami gewesen und habe dort | |
auf der Straße ein schwules Paar gesehen, das sich geküsst hätte. „Und so | |
was machen die vor den Augen meines Sohnes!“, habe Omar sich erzürnt. | |
Der dreijährige Sohn stammt aus der zweiten Ehe Omars. Die erste, 2009 nach | |
einem Onlinedating geschlossen, hielt nur knapp zwei Jahre. Omar sei sehr | |
gewalttätig gewesen, berichtet seine aus Usbekistan in die USA | |
eingewanderte Exfrau Sitora Yusufiy verschiedenen US-Medien. Regelmäßig | |
habe er sie geschlagen, wenn er nach Hause gekommen sei, zum Beispiel, wenn | |
sie die Wäsche noch nicht fertig gehabt habe. Auch sie bestätigt, Mateen | |
sei immer wieder laut und aggressiv geworden, wenn es um Homosexuelle ging. | |
Was im Kopf von Omar Mateen vorging und ob seine Motive tatsächlich | |
religiös oder politisch waren, ist noch nicht nachzuvollziehen. Sicher ist, | |
dass der IS auch dem geistig derangiertesten Gewalttäter eine Möglichkeit | |
der Einordnung und Rechtfertigung seines Wahns bietet. Bei Mateen könnte es | |
so gewesen sein. | |
13 Jun 2016 | |
## AUTOREN | |
Bernd Pickert | |
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