# taz.de -- Debatte um Prostitutionsgesetz: Sexarbeit oder Menschenhandel? | |
> Die Unionsfraktion stellt eine Anfrage zu Menschenhandel und | |
> Zwangsprostitution. Die Grüne Denise Loop kritisiert, dass die Union | |
> nicht differenziere. | |
Bild: Fassade im Frankfurter Bahnhofsviertel | |
BERLIN taz | Die Bundesregierung kann keine allgemeine Aussage dazu | |
treffen, inwiefern die Einführung des Prostitutionsgesetzes von 2002 zur | |
Eindämmung der organisierten Kriminalität beigetragen hat. Das geht aus | |
einer [1][Anfrage der Unionsfraktion] vor. Das Prostitutionsgesetz gibt es | |
seit 2002, seitdem werden auch die Zahlen zur organisierten Kriminalität im | |
Zusammenhang mit „Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung“ | |
erhoben. Da die Zahlen stark schwanken, trifft die Bundesregierung keine | |
Aussage zur Eindämmung. | |
„Innerhalb der Koalition erarbeiten wir einen nationalen Aktionsplan gegen | |
Menschenhandel. Das geht jetzt los“, sagt Denise Loop (Grüne), Obfrau im | |
Familienausschuss, der taz. Sie kritisiert die Anfrage der Unionsfraktion: | |
„Ich finde, es wird deutlich, dass nicht zwischen [2][Sexarbeit] und | |
Menschenhandel zur sexualisierten Ausbeutung differenziert wird.“ Wenn es | |
einerseits um Opferschutz gehe und andererseits um Freiwilligkeit, müsse | |
laut Loop stärker differenziert werden. | |
Die Unionsfraktion, die bereits im April 2021 eine ähnliche Anfrage | |
gestellt hatte, will in ihrer aktuellen Anfrage nun etwa wissen: „Hat die | |
Bundesregierung ihrerseits Studien in Auftrag gegeben, die untersuchen, | |
welche Auswirkungen es auf das Frauenbild von Männern hat, wenn eine Frau | |
wie eine Ware gekauft werden kann (wenn ja, wann werden diese vorliegen, | |
wenn nein, warum nicht)?“ | |
Denise Loop glaubt, dass die Unionsfraktion mit derartigen Fragen anstrebe, | |
dass die Bundesregierung ein Sexkaufverbot nach dem „Nordischen Modell“ in | |
Deutschland einführen soll. Das sogenannte [3][Nordische Modell] | |
kriminalisiert die Kund_innen von Prostituierten durch ein Sexkaufverbot. | |
Derzeit gibt es solche Regelungen in Ländern wie Schweden, Kanada und | |
Israel. | |
## Debatte um Nordisches Modell | |
Zwischen den Fraktionen im Bundestag kommt es deshalb immer wieder zu | |
Diskussionen: [4][Leni Breymaier], frauenpolitische Sprecherin der SPD, ist | |
Befürworterin des Nordischen Modells, obwohl die SPD ein Sexkaufverbot | |
ablehnt. Ihr Pendant Silvia Breher von der CDU sprach sich in der | |
Vergangenheit dagegen aus, äußert der taz gegenüber nun aber Sympathien für | |
das Nordische Modell, das auch von der Frauenunion gefordert wird: „Die | |
jetzige Situation ist für viele Frauen menschenunwürdig. Eine Überprüfung | |
der derzeitigen Regelungen und eine Veränderung an kritischen Punkten ist | |
aus unserer Sicht schon vor 2025 notwendig, um Menschenhandel und | |
Zwangsprostitution stärker zu bekämpfen.“ | |
„Ich glaube nicht, dass das Nordische Modell die richtige Lösung ist“, sagt | |
Denise Loop der taz. „Wir wissen, dass die Gewalt bei einem Verbot steigt, | |
sich also die Situation verschlechtert. Mit dem Nordischen Modell findet | |
Sexarbeit zwar statistisch nicht mehr statt, aber im Verdeckten.“ Das | |
steigere die Illegalität sowohl für Prostituierte als auch Opfer von | |
[5][Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung]. | |
Loop fordert „andere Mechanismen“: Neben der Evaluation des | |
Prostitutionsgesetzes, welche die Bundesregierung laut Loop „faktenbasiert | |
umsetzen“ werde, sollen Strafverfolgungsbehörden besser ausgestattet und | |
Beratungsstrukturen ausgebaut werden. Derzeit werde ein Aktionsplan gegen | |
Menschenhandel von der Bundesregierung erarbeitet. „Wir müssen erstmal | |
unsere Hausaufgaben machen und nachbessern, bevor wir ein anderes Modell | |
fordern“, so Loop. | |
Mit dem Prostitutionsgesetz von 2002 wurde Sexarbeit legalisiert. | |
Sexarbeiter_innen müssen seither sozialversichert sein und haben | |
Arbeitsrechte wie Arbeitsschutz. Das Verbot des „Menschenhandels zum Zwecke | |
der sexuellen Ausbeutung“ (§232 StGB) blieb bestehen. | |
Nachgebessert wurde bereits 2016, als das Prostituiertenschutzgesetz | |
(ProstSchG) verabschiedet wurde. Seitdem besteht eine Anmeldepflicht für | |
Sexarbeiter_innen. Sie müssen einen Arbeitsausweis bei sich tragen, Termine | |
dokumentieren und eine Steuerklärung machen. Das Gesetz steht jedoch gerade | |
bei Betroffenen in Kritik: Zwar soll es vor sexualisiertem Menschenhandel | |
und Zwangsprostitution schützen, jedoch dränge es laut Kritiker_innen viele | |
Betroffene in die Illegalität, da sich seither weniger Sexarbeiter_innen | |
anmelden. | |
Korrektur: In der vorherigen Version war davon die Rede, dass sich Silvia | |
Breher noch immer gegen das Nordische Modell ausspricht. Das ist nicht mehr | |
der Fall. | |
26 Apr 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://dip.bundestag.de/vorgang/schutz-von-frauen-in-deutschland-vor-mensc… | |
[2] /Diskriminierung-von-Sexarbeiterinnen/!5899377 | |
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Nordisches_Modell_f%C3%BCr_Prostitution | |
[4] /Anzeige-gegen-Bundestagsabgeordnete/!5738266 | |
[5] /Spanien-aendert-neues-Sexualstrafrecht/!5929331 | |
## AUTOREN | |
Nicole Opitz | |
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