# taz.de -- Debatte um Elektro-Tretroller: Parkplatzpflicht für E-Scooter? | |
> In einigen Hamburger Stadtteilen dürfen Elektro-Tretroller künftig nicht | |
> mehr wild abgestellt werden. Ein Pro und Contra. | |
Bild: Liegen öfter mal im Weg rum: Elektroroller | |
Pro | |
Endlich! Altona und Mitte haben die Faxen dicke von Roller-Rüpeln, die ihre | |
Gefährte am Ziel einfach fallen lassen. Erstaunlich, dass die Lokalpolitik | |
sich so lange von hippen Roller-„Start-ups“ hat auf der Nase rumtanzen | |
lassen, hinter denen in Wirklichkeit Konzerne wie Google, Uber, Daimler | |
oder BMW stecken. Ihr Geschäftsmodell basiert auf der privaten | |
[1][Aneignung öffentlichen Raums], gepaart mit organisierter | |
Verantwortungslosigkeit. | |
Die Folgen lassen sich – wenn nicht gerade Pandemie ist – am deutlichsten | |
nach Wochenenden auf und um St. Pauli beobachten: Auf manchen Plätzen | |
liegen zehn oder mehr Roller kreuz und quer in der Gegend herum wie | |
Überreste einer Roller-Schlacht. Lauter Stolperfallen. Dann kann es bis zum | |
nächsten Wochenende dauern, bis sie wieder jemand braucht. Vielleicht kommt | |
auch vorher ein scheinselbstständiger Subunternehmer, der ein paar davon | |
zum Laden einsammelt. Nicht selten stehen E-Roller auch quer auf einem | |
engen Fußweg, sodass Fußgänger sich daran vorbeidrängeln müssen. Mit | |
Rollator oder Rollstuhl? Aussichtslos. | |
Klar, auch andere Verkehrsmittel beanspruchen öffentlichen Raum. Aber nicht | |
mal Autofahrer würden ihre Blechkiste einfach auf der Fahrbahn stehen | |
lassen. Wenn sie falsch parken, droht ein Bußgeld – oder der Autoknast. Und | |
Räder parken schon deswegen am Straßenrand, weil nur da die Chance besteht, | |
sie anzuschließen und auch morgen wieder vorzufinden. Liegen sie im Weg, | |
entsorgt sie die Stadtreinigung genauso wie alte Sofas. | |
Nur die Roller bewegen sich in einem rechtsfreien Raum. Das mag daran | |
liegen, dass die Politik sie anfangs als Baustein der Mobilitätswende | |
begrüßt hat. Inzwischen hat sich jedoch gezeigt: Sie ersetzen eher Fußwege | |
auf der „letzten Meile“ als Autofahrten. Dafür sind sie nämlich zu teuer. | |
Sie bringen besonders hohe Unfallrisiken mit sich und die Entsorgung der | |
erstaunlich kurzlebigen Akkus ist ein Umweltproblem. | |
Kann sein, dass die Roller künftig zu unattraktiv sind, wenn man sie nicht | |
mehr vor der Kneipe fallen lassen kann. Kann sein, dass sie irgendwann nur | |
noch von Touristen benutzt werden wie einst die albernen Segway-Roller. | |
Erinnert sich noch jemand? Jan Kahlcke | |
Contra | |
Feste Parkplätze für [2][E-Scooter] würden eine gute Idee kaputt machen. | |
Der ganze Witz an den Elektro-Tretrollern ist, dass sie überall herumstehen | |
und man sich jederzeit einen schnappen kann. „Niedrigschwelliges Angebot“ | |
nennt man das. Die Initiativen, den Rollern feste Plätze zuzuweisen, zeugen | |
von einem spießigen Bedürfnis nach Aufgeräumtheit und haben die Idee nicht | |
begriffen. | |
Eine Verkehrspolitik, die Alternativen zum Auto anbieten will, denkt | |
integriert. Sie geht davon aus, dass öffentliche Verkehrsmittel dann | |
optimal funktionieren, wenn die Angebote für unterschiedliche Bedürfnisse | |
miteinander verzahnt werden. Nicht umsonst richtet der Hamburger | |
Verkehrsverbund (HVV) an U- und S-Bahnhöfen Switch-Points ein, an denen | |
Fahrgäste von einem Verkehrsmittel in eine große Auswahl anderer umsteigen | |
können. | |
An diesen Knotenpunkten halten Busse; dort stehen Leihwagen für kurze und | |
lange Strecke sowie Leihräder. Dazu kommen Taxen und Sammeltaxen für | |
diejenigen, die nicht auf den Bus warten wollen, oder die die letzte Meile | |
zu ihrem Ziel nicht zu Fuß zurücklegen wollen. In dieses System fügen sich | |
die Elektro-Roller prima ein. | |
Sie tragen dazu bei, die [3][öffentlichen Verkehrsmittel bequem und schnell | |
zu machen] und damit konkurrenzfähig zum eigenen Auto. Denn wenn Fahrgäste | |
erst zehn Minuten zur U-Bahn latschen müssen und dann noch mal zehn Minuten | |
zu ihrem Ziel, verflüchtigt sich der Vorteil, dass die Bahn nicht im Stau | |
steht. Dafür ist es aber auch notwendig, dass man die Roller am | |
persönlichen Start- und Zielpunkt abstellen kann. | |
Dass die Roller häufig von Touristen genutzt werden, ist kein Fehler, | |
schließlich lebt Hamburg auch von seinen Gästen. Der Kritik an der | |
Haltbarkeit der Scooter sind die Hersteller dadurch begegnet, dass sie | |
diese robuster gestaltet haben. Die Betreiber berichten von zurückgehenden | |
Beschwerden. Wie ein Witz mutet es an, dass nun ausgerechnet zuerst im | |
Schanzenviertel mit seinem Anarcho-Ruf für Ordnung im Roller-Unwesen | |
gesorgt werden soll. | |
Im Übrigen ist die Klage, dass die [4][E-Scooter] überall im Weg | |
herumstünden, stark übertrieben. Klar, ab und zu liegt mal einer umgestürzt | |
irgendwo rum, aber das rechtfertigt nicht die Erregung. Ein Vorschlag zur | |
Güte: Wie wär’s mit aufstellen? Gernot Knödler | |
20 Mar 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Das-Problem-mit-den-E-Rollern/!5611004 | |
[2] /E-Scooter-in-Hamburg/!5610716 | |
[3] /Oekobilanz-Elektro-Roller/!5613792 | |
[4] https://e-scooter-mieten.de/hamburg | |
## AUTOREN | |
Jan Kahlcke | |
Gernot Knödler | |
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