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# taz.de -- Coup-Roller vor dem Aus: Sharing Sozialismus
> Der Elektroroller-Anbieter Coup stellt sein Geschäft ein. Das ist nicht
> schlimm – denn eine echte Verkehrswende braucht ohnehin ganz andere
> Ideen.
Bild: Der Elektroroller-Pionier Coup verlässt den Markt
Noch zu Beginn des Jahres war man optimistisch bei Coup. Der Verleiher von
E-Rollern kündigte an, seine Flotte der leisen Scooter in Berlin, Paris und
Madrid deutlich auszubauen. Ein paar Monate später aber ist die Euphorie
verflogen. Die Dienste des Sharing-Unternehmens werden zeitnah komplett
eingestellt, die Fahrzeuge eingelagert, Restguthaben der Kund*innen können
noch abgefahren oder ausbezahlt werden. Der Versuch des milliardenschweren
Boschkonzerns, sich mit der hundertprozentigen Tochter Coup einen Anteil
des Sharingsegments der Mobilitätsindustrie zu reservieren, ist damit
vorerst gescheitert.
„Eine Fortführung von Coup ist auf dem hart umkämpften Sharingmarkt bei
gleichzeitig hohen Kosten langfristig wirtschaftlich nicht möglich“,
[1][heißt es in einer Erklärung des Unternehmens]. Ein Satz, der implizit
ein prinzipielles Problem mit der Sharingökonomie anspricht. So
einleuchtend das Prinzip der geteilten Nutzung vorhandener Produkte und
Serviceleistungen zunächst auch ist, so viele Probleme tun sich bei der
kommerziellen Umsetzung der verschiedenen Ideen auf.
Im Falle von Coup wird das Hauptproblem der weite Zeithorizont sein, in dem
sich frühestens Profite generieren lassen. Damit ist man nicht allein.
Selbst Uber, ein Branchenriese der Sharing Economy, der nicht einmal
Ausgaben für eigene Fahrzeuge hat und den Großteil der wirtschaftlichen
Risiken auf seine Fahrer*innen outsourct, operiert weiterhin mit
Milliardenverlusten. Noch hält das Versprechen auf künftige Profite auf
einem quasimonopolistisch dominierten Markt das Risikokapital bei der
Stange. Noch.
Genau dieser Zwang zur absolut beherrschenden Stellung ist der Fluch, dem
die Unternehmen auf dem „hart umkämpften Sharingmarkt“ unterliegen. Die
deshalb nötige permanente Expansion mit großen Investitionen und mindestens
mittelfristig viel zu niedrigen Erlösen fordert schon ein gerüttelt Maß an
Gottvertrauen bei Investor*innen.
## Der Preis der Mobilität
Coup hatte noch versucht, durch Veränderung des Abrechnungsmodus die
Einnahmenseite zu verbessern. Das ist ein zwar nachvollziehbares, in der
Logik des Systems aber unsinniges Unterfangen. Der Roller war gewissermaßen
abgefahren, als jemand bei Bosch in der Abteilung für Venturekapital mal
nachgerechnet hat, wie lange es bei idealem Verlauf mit der Amortisierung
wohl dauern würde.
Allein in Berlin bedeutet die abrupte Beendigung des Experiments nach
Unternehmensangaben für 75 Menschen den Verlust des Arbeitsplatzes.
Rabiatere [2][Start-ups verbessern ihre Margen noch durch sittenwidrige
Beschäftigungsverhältnisse]: Sogenannter Juicer, die nach dem
Stücklohnprinzip die Batterien von Tretrollern aufladen, oder
scheinselbständige Fahrdienstleister*innen ohne Grundlohn können ihr
trauriges Lied von der schönen neuen Sharingwelt singen. Der Traum von
flexiblerer und umweltverträglicherer Mobilität hat also seinen Preis und
seine Grenzen.
So ist neben der offensichtlich unsozialen Struktur all der
individualisierten Angebote ihnen auch ihre relative Nutzlosigkeit gemein.
Überall dort, wo zusätzliche Mobilitätsangebote wirklich nötig wären, in
städtischen Randgebieten oder gar auf dem Land, ist die Bevölkerungs- und
damit Nutzungsdichte für einen profitablen Betrieb einfach zu niedrig.
## Bonbonfarbene Straßenfüller
Stattdessen drängen sich die Anbieter in den ohnehin von Einzelfahrzeugen
überquellenden Metropolenzentren und müllen diese in ihrem gnadenlosen
Konkurrenzkampf mit bonbonfarbenen Rädern, Rollern und Scootern zu. Gewiss,
die Reisepanzer in Privatbesitz nehmen mehr Platz weg, nur verschwinden die
ja nicht, nur weil Coup einen Roller danebenstellt.
Eine Lösung des Problems könnte doch der Ausbau des öffentlichen Verkehrs –
seine Subventionierung gar – sein, damit er auch wirklich allen offen steht
und, ja, [3][meinetwegen auch Fahrverbote]. Und warum auf halbem Wege zum
Sozialismus stehenbleiben?
Bezahlen ließe sich ein nachhaltiges Verkehrskonzept ja vielleicht mit dem
durch Steuern eingetriebenen Geld, das sonst nur in Hochrisikoanlagen der
Sharing Economy verbrannt würde. Überhaupt, „Sharing“: Teilen geht auch
ganz ohne Profitinteresse und sollte zur Erfüllung menschlicher
Grundbedürfnisse, zu denen Mobilität gehört, ohnehin eine
Selbstverständlichkeit sein.
26 Nov 2019
## LINKS
[1] https://cdn0.scrvt.com/7e9405e6bd8a7cc5de817901b3e441a8/6f26d46115afeaf2/ec…
[2] /Uber-in-Kalifornien/!5625080
[3] /Zeit-fuer-eine-echte-Verkehrswende/!5621054
## AUTOREN
Daniél Kretschmar
## TAGS
Elektromobilität
Verkehrswende
Sozialismus
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Autos
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