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# taz.de -- Das Problem mit den E-Rollern: Chaos mit Ansage
> E-Roller sind nicht mehr zu übersehen – und machen die Großstädte
> unsicher. Nicht nur das. Wir zeigen die größten Schwachstellen.
Bild: Weder öko noch safe: echt enttäuschend, diese E-Roller
1. Die Unfallgefahr ist groß
Bundesweite Zahlen zu Unfällen mit E-Rollern gibt es zwar noch nicht. Aber
erste Meldungen aus einzelnen Städten [1][sind alarmierend]. Allein in
Berlin hat die Polizei in den ersten vier Wochen nach der Zulassung am 15.
Juni 21 Unfälle mit 4 Schwer- und 15 Leichtverletzten registriert. In 18
Fällen war der oder die Scooter-NutzerIn verantwortlich.
„Hauptunfallursache ist überwiegend die Unachtsamkeit bei der Benutzung von
E-Scootern“, teilt die Berliner Polizei mit.
In Köln hat die Polizei eine Dringlichkeitssitzung mit Anbietern von
Leih-E-Scootern anberaumt, nachdem sie bis Ende Juli 21 Unfälle mit 7
Schwerverletzten aufgenommen hat. Behindertenverbände und der Sozialverband
VdK warnen vor der Gefahr, die von den Flitzern vor allem für Menschen mit
einem Handicap ausgeht. „Seit Zulassung der E-Roller fühlen sie sich
unsicherer, wenn sie in der Stadt unterwegs sind“, sagt VdK-Präsidentin
Verena Bentele. Viele hätten mit ihrem Rollator oder ihrem Rollstuhl auf
dem Bürgersteig Slalom fahren müssen.
Auch die E-Roller-FahrerInnen leben gefährlich. Forderungen nach einer
Helmpflicht sehen die Anbieter skeptisch, weil E-Scooter dann nicht mehr
flexibel für jedeN nutzbar wären, etwa für TouristInnen. Dass die sich in
der Stadt oft nicht auskennen, trage nicht gerade zur Verkehrssicherheit
bei.
2. Zu viele Roller stehen im Weg
In vielen Städten blockieren abgestellte E-Roller Gehwege und Ausfahrten.
Weil die Gefährte nicht besonders stabil stehen, fallen sie schnell um.
Seit die Elektrokleinstfahrzeugeverordnung am 15. Juni in Kraft getreten
ist, haben etliche mietbare Anbieter E-Roller auf den Markt geworfen. „Der
Rechtsrahmen erlaubt, E-Roller in Städten anzubieten, es ist keine
Genehmigung erforderlich“, sagt eine Sprecherin von VOI, nach eigenen
Angaben europäischer Marktführer bei E-Rollern mit Präsenz in 32 Städten,
davon 8 in Deutschland.
Weil die Anbieter an guten Beziehungen zu den Städten interessiert sind,
verpflichten sie sich aber, bestimmte Vorgaben zu befolgen: etwa
Obergrenzen dafür, wie viele E-Scooter in einem bestimmten Gebiet
aufgestellt werden. Oder dass das Abstellen auf Grünflächen nicht erlaubt
ist. „Insgesamt haben die Städte aber wenig Einfluss darauf, wo E-Roller
abgestellt werden“, sagt eine Sprecherin des Deutschen Städtetags.
3. Es gibt zu wenig verbindliche Regeln
Weil Kommunen bislang wenig Handlungsspielraum bei E-Rollern haben, fordert
der Deutsche Städtetag „klare Spielregeln“. „Die Anbieter müssen ihre
Kundschaft besser über die regelkonforme Nutzung aufklären“, sagt
Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy. „Und sie müssen sicherstellen, dass die
Fahrzeuge nicht überall herumstehen und dabei zum Teil andere
beeinträchtigen oder behindern.“ Die Anbieter müssten etwa über ein
Beschwerdemanagement sicherstellen, dass im Weg stehende Roller schnell
entfernt werden.
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat die Kommunen bereits im
Juli zu einem härteren Durchgreifen bei Regelverstößen aufgefordert. In
einem Brief an den Präsidenten des Deutschen Städtetags, den Leipziger
Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD), hatte er die Städte und Kommunen
aufgefordert, die Sanktions- und Steuerungsmöglichkeiten der Verordnung für
mehr Sicherheit und den Schutz schwächerer Verkehrsteilnehmer „in vollem
Rahmen“ auszuschöpfen. Beide Seiten sind im Gespräch, um abzustecken, an
welchen Punkten nachgebessert werden muss.
4. Die Strafen bei Verstößen sind zu gering
E-Roller dürfen nicht auf Bürgersteigen fahren. Tun die NutzerInnen es
trotzdem, müssen sie nur eine vergleichsweise geringe Strafe zahlen – rund
30 Euro. Das ist viel zu wenig, sagen Behindertenverbände. In anderen
Ländern sind die Strafen weitaus höher. In Frankreich zum Beispiel müssen
FahrerInnen, die von der Polizei mit dem E-Scooter auf dem Bürgersteig
erwischt werden, 135 Euro Strafe zahlen. Dort kostet auch das störende
Parken – 35 Euro werden fällig, wenn das Gefährt unbedacht in den Weg
gestellt wird.
5. Die Radwege sind zu voll
E-Scooter müssen auf einem Radweg fahren, wenn einer vorhanden ist. „Die
Radwege sind ohnehin zu klein und zu kaputt. Jetzt sind sie noch voller
geworden“, sagt Johanna Weidauer vom Fahrradverband ADFC. Das ist sowohl
für die Rad- als auch für die E-Roller-FahrerInnen störend und mitunter
gefährlich. Nach Beobachtung des Fahrradverbands weichen
E-Scooter-NutzerInnen immer wieder auf Gehwege aus. Doch da sollen sie auf
keinen Fall hin, sagt sie. „Wir brauchen größere und bessere Radwege“, sa…
Weidauer. „Dazu sind große Investitionen in die Radinfrastruktur nötig.“
6. Viele NutzerInnen sind leichtsinnig
Das Nutzen von E-Rollern ist gesetzlich ab 14 Jahren erlaubt. Viel zu früh,
sagen Behindertenverbände. Manche Anbieter, etwa VOI, sehen zwar ein
Mindestalter von 18 Jahren vor. Kontrolliert wird das aber nicht. „Wir
können das nicht regulieren“, sagt eine Sprecherin. Bezahlt wird über eine
App, KundInnen und Anbieter kommen nicht in Kontakt. Nach Polizeiberichten
fahren oft Kinder auf den Geräten. Auch werden die E-Roller mitunter von
zwei Personen gleichzeitig benutzt – ein erhebliches Risiko.
Immer wieder ziehen PolizistInnen auch stark alkoholisierte FahrerInnen aus
dem Verkehr. Behindertenverbände fordern eine Null-Promille-Grenze. Wer
einen E-Scooter mietet, braucht keinen Führerschein und nicht mal
Vorkenntnisse. Dabei sind die Gefährte nicht leicht zu beherrschen, das
Gleichgewicht zu halten ist nicht leicht. Deshalb fordern Verbände
obligatorische Sicherheitstrainings vor dem ersten Start.
7. Anbieter beuten EinsammlerInnen aus
Die Akkus der Roller benötigen regelmäßig neuen Strom. Bei der Firma Lime
übernehmen sogenannte Juicer das Aufladen. Die Juicer bringen im Sinne des
Wortspiels den Saft zurück in die Limetten. Die Anbieter Voi und Tier sind
ähnlich kreativ: sie beschäftigen Hunter und Ranger, um ihre Roller
aufzuladen. Die Juicer, Hunter und Ranger arbeiten in der Regel
selbstständig. [2][So wie Simon Baumann], der für Lime arbeitet und seinen
richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen will.
Auf einer App werden ihm alle E-Roller mit weniger als 15 Prozent Ladung
angezeigt. Dann sammelt er die Scooter ein – mit seinem Privatauto. Ein
Dienstfahrzeug wird nicht gestellt, es gibt auch keine zentrale Ladestelle.
Stattdessen lädt er die E-Roller bei sich zu Hause auf. Flexibilität heißt
das in Unternehmenssprache. Die Roller werden also in die eigene Wohnung
getragen, sie wiegen etwa 22,5 Kilogramm. „Ein Knochenjob“, sagt Baumann.
„Zwischen 5 und 7 Uhr morgens muss man die Roller wieder ausliefern“, fährt
er fort. Dafür gibt es von Lime vier Euro pro Roller. Verpasst der Juicer
seine zeitlichen Vorgaben, wird die Hälfte des Lohns abgezogen.
8. E-Scooter helfen weder Klima noch Mobilität
Leih-E-Roller stehen oft an Orten, die von sehr vielen Menschen
frequentiert werden. Die Firmen wollen die Zweiräder so schnell und so oft
verleihen wie möglich. Deshalb dürfen sie NutzerInnen nur an zentralen
Stellen wieder abstellen – und nicht in den Außenbezirken. Damit sind sie
[3][kein Ersatz fürs Auto] und lösen auch nicht das Versprechen von mehr
Mobilität ein.
6 Aug 2019
## LINKS
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## AUTOREN
Anja Krüger
Lukas Waschbüsch
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