# taz.de -- Das Sterben der Bestäuber geht weiter: Jedes zweite Bienenvolk tot | |
> Imker melden nach dem Winter Verluste von bis zu 50 Prozent – drei- bis | |
> fünfmal so viel wie normal. Was Umweltschützer jetzt fordern. | |
Bild: Glücklich, wer noch Honig in seinem Stock findet | |
BERLIN taz | Bienensterben? Da war doch was. Aber was passiert eigentlich, | |
um die Verluste an Völkern zu reduzieren oder gar zu stoppen? Zu wenig nach | |
Ansicht von Naturschutzorganisationen – auch weil deren Vertreter*innen | |
sich nicht einig sind mit denen der freien Wirtschaft und öffentlicher | |
Institutionen, was überhaupt die Ursachen für das Problem sind. Der | |
Umweltverband BUND und die Aurelia Stiftung sind deshalb in die Vorlage | |
gegangen. Am Mittwoch stellen sie Eckpunkte für einen [1][nationalen | |
Bienenaktionsplan] vor. | |
Denn auch zu Beginn des Frühlings 2017 hat sich das Bild für Imker*innen | |
kaum geändert: Einige Bienenzüchter*innen meldeten Verluste von bis zu 50 | |
Prozent, normal ist, dass die Anzahl der Bienen über Winter um 10 bis 15 | |
Prozent zurückgeht. | |
Die Industrie macht die Varroa-Milbe als Hauptursache aus. Die Milbe kann | |
einerseits die Brut der Bienen schwächen und andererseits Viren übertragen, | |
die die Bienen nachhaltig schwächen. | |
Das glauben die Naturschützer*innen nicht: „Die Öffentlichkeit wird in die | |
Irre geleitet, wenn ihr glaubhaft gemacht wird, dass die Varroa-Milbe | |
Schuld am Bienensterben sei“, kritisiert Thomas Radetzki vom Vorstand der | |
Aurelia Stiftung. Er ist selber seit 40 Jahren Imker. Im Rahmen der 2015 | |
gegründeten Naturschutzorganisation Aurelia betreibt er Lobbyarbeit zum | |
Schutz der Bienen. | |
Wie viele Imker*innen und Bienenexperten sieht er das Hauptproblem in der | |
intensiven Landwirtschaft, die künstliche Dünger und chemische Pestizide | |
einsetzt und somit nicht nur den Lebensraum der Biene, sondern vieler | |
Insekten nachhaltig zerstört. | |
## Hohe Giftbelastung | |
In ihrem Aktionsplan setzen die Organisationen in fünf Punkten Ziele, um | |
den künftigen Bestand der für Natur und Landwirtschaft lebenswichtigen | |
Bestäuber zu sichern. Unter anderem fordern sie, für die Bienen gefährliche | |
Pestizide wie Neonikotinoide auch für Hobbygärten generell zu verbieten und | |
den umstrittenen Unkrautvernichter Glyphosat nicht wieder zuzulassen. | |
Vorhandene Lebensräume und sollen erhalten und geschützt sowie neue | |
Lebensräume für die Bestäuber wieder hergestellt werden. Dafür müsse die | |
Landwirtschaft umgestaltet und ökologischer angelegt werden. Zudem sollen | |
Zulassungsverfahren neuer Pestizide reformiert werden – sie müssten, so die | |
Forderung, industrieunabhägig und transparent sein. | |
Zudem verlangen die Umweltschützer*innen mehr Investitionen für die | |
Forschung. Es gebe zu wenig Daten zu weiteren möglichen Ursachen für das | |
Bienensterben. So sei auch nicht ganz klar, wie die Pestizide die Bienen | |
negativ beeinflussen. Werner Kratz, Ökotoxologe unter anderem von der | |
Freien Uni Berlin, spricht von einem „erheblichen Forschungsbedarf“. | |
Dass die Giftbelastung einen wichtigen Faktor darstellt, belegt nach | |
Ansicht der Expert*innen unter anderem die in den Bienenstöcken gesammelte | |
Pollenmasse, das sogenannte Bienenbrot. In mehr als 65 Prozent des | |
Nährstoffs wurden Pestizide und Herbizide, unter anderem auch Glyphosat, | |
entdeckt. [2][Rückstände der Gifte in Honig] hatte etwa die Stiftung | |
Öko-Test nachgewiesen. | |
Aurelia-Vorstandsmitglied Radetzki berichtete, die Europäische Kommission | |
halte die Imker*innen selbst für verantwortlich an der Belastung von | |
Bienenbroten und Honig. Auf eine Anfrage habe die Stiftung die Antwort | |
erhalten: „…vielmehr obliegt es dem Imker, sich relevante Informationen | |
über Anwendungen von Pflanzenschutzmitteln zu beschaffen, bevor er seine | |
Bienenstände in landwirtschaftlich oder anderweitig genutzten Flächen | |
platziert“. Tatsächlich kämen Imkereien jedoch nur schwer an Informationen, | |
welche Chemikalien Landwirt*innen ihrer Region einsetzen, da diese nicht | |
öffentlich gemacht werden. „ | |
In Deutschland werden bürokratische Hürden aufgebaut, die das Bienensterben | |
verschleiern“, lautet das Fazit des Ökotoxologen Kratz. | |
27 Apr 2017 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bund.net/service/publikationen/detail/publication/nationaler-bi… | |
[2] http://www.oekotest.de/cgi/index.cgi?artnr=13015&gartnr=90&bernr=04 | |
## AUTOREN | |
Yvonne Elfriede Hein | |
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