| # taz.de -- Covid-19 und die Flüchtlinge: Ihre Not ist längst real | |
| > Wegen Corona geht den Flüchtlingen an der türkisch-griechischen Grenze | |
| > unsere Aufmerksamkeit verloren. | |
| Bild: Für seinen skrupellosen Umgang mit Flüchtenden kommt Erdoğan Corona ge… | |
| Abstand halten. Zu Hause bleiben. Gegenseitige Solidarität. So wichtig und | |
| richtig unsere Prämissen zur [1][Corona-Bekämpfung] auch sind, aus Sicht | |
| mancher Menschen müssen sie wie Hohn klingen: Weil sie kein Zuhause haben, | |
| in dem sie bleiben könnten. Weil es Abstand in einem überfüllten Lager | |
| nicht gibt. Und weil das ohnehin knappe Gut der Flüchtlingssolidarität in | |
| Zeiten von Corona erst recht zur Mangelware wird. | |
| Auch am [2][Grenzübergang Kastanies/Pazarkule] hat die Pandemie inzwischen | |
| Einzug gehalten. Nicht weil die Menschen plötzlich krank geworden wären. | |
| Bis heute gibt es in dem Lager keinen einzigen bestätigten Corona-Fall. | |
| Krank waren sie nach Jahren der Flucht und Wochen unter Plastikplanen und | |
| Tränengas außerdem schon vorher. Nein, durch Corona ging den Flüchtlingen | |
| ein anderes überlebenswichtiges Gut verloren: unsere Aufmerksamkeit. | |
| Ohne dass sich an der Not der 15.000 Menschen etwas geändert hätte, | |
| verließen schon vor zwei Wochen die meisten Reporter die Region. Mit ihnen | |
| verschwanden erst die Schlagzeilen und dann der öffentliche Druck: An das | |
| Versprechen mehrerer EU-Staaten, zumindest 1.500 minderjährige Flüchtlinge | |
| aufzunehmen, erinnern derzeit nur noch einige NGOs. Türkische und | |
| griechische Politiker nehmen das neuartige Virus als Rechtfertigung, um so | |
| weiterzumachen wie eh und je: | |
| Während Griechenlands Migrationsminister [3][Mitarakis] illegale | |
| Deportationen nun mit Corona rechtfertigt, nutzen türkische Behörden die | |
| Angst vor dem Virus, um das Lager weiter abzuriegeln. Gerade jetzt wäre | |
| genau das Gegenteil nötig: Grenzen aus humanitären Gründen öffnen, Lager | |
| auflösen, die Menschen dezentral und mit Zugang zu medizinischer Versorgung | |
| unterbringen. | |
| Doch politische Maßnahmen, die dem Schutz von Flüchtlingen dienen, sucht | |
| man in Corona-Aktionsplänen ebenso vergeblich wie öffentliche Empörung über | |
| all das. Deshalb: Vergessen wir bei aller berechtigten Besorgnis, dass es | |
| bei uns zu einer humanitären Notlage kommen könnte, nicht, dass deren Not | |
| längst real ist. | |
| 23 Mar 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Fabian Goldmann | |
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