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# taz.de -- Corona in Kenia: Virus macht krank, Armut tötet
> Unter Tagelöhnern in Kenias Hauptstadt grassiert die Sorge, wovon man
> leben soll, wenn Corona sich weiter ausbreitet. Schon jetzt gibt es kaum
> Arbeit.
Bild: Zukunftsangst am Zaun: Kindermädchen Alice Omwakwe (l.) mit Putzfrau Zam…
Nairobi taz | „Wenn das Coronavirus mich nicht umbringt, werde ich wohl vor
Hunger sterben“, fürchtet Joseph Mwongela. Der 27-Jährige läuft jeden Tag
aus Ongata Rongai, wo die ersten Coronavirusfälle in Kenia registriert
wurden, ins Zentrum der Hauptstadt Nairobi auf der Suche nach Arbeit. Er
steht jetzt am Eingang der katholischen Universität und schaut, wie
Studenten ihre Sachen in Autos und Busse laden, um nach Hause zu fahren.
Alle Lehranstalten sind geschlossen.
Mwongela ist einer der vielen Menschen, die täglich die übervollen
Satellitenstädte von Nairobi auf dem Weg zur Arbeit in der Metropole
verlassen: Friseure, Hausangestellte, Mechaniker, Busfahrer. „Ich kam vor
einem Jahr nach Nairobi, um Arbeit zu suchen, weil es zu Hause keine Jobs
gibt“, erzählt er. „Mein Bruder ist Automechaniker, er wohnt zur Miete in
einem Zimmer in Ongata Rongai, und ich teile das mit ihm. Aber es gibt kaum
Arbeit. Ich überlege jetzt, zu meinen Eltern in Ukumbani zu fahren. Die
haben jedenfalls einen Gemüsegarten und ein paar Schafe.“
Die Eltern leben weit außerhalb, auf einem Hügel weit entfernt vom nächsten
Dorf. Mwongela hofft, dass das Coronavirus nicht so weit kommt. Er hat
große Angst. Als am Freitag, den 13. März bekannt wurde, dass in Ongata
Rongai eine kenianische Studentin, gerade zurückgekehrt aus den USA,
positiv getestet worden war, schlug die Panik zu. Wer es sich leisten
konnte, fing an zu hamstern. Andere schickten Kinder und Senioren zu
Verwandten aufs Land.
[1][Kenias Gesundheitswesen] ist auch in normalen Zeiten unzureichend. Das
Pflegepersonal des Mbagathi-Krankenhauses in Nairobi, nach Angaben der
Regierung speziell ausgerüstet für Coronafälle, befindet sich in einem
Bummelstreik. Die Forderung: bessere Schutzkleidung und mehr Coronatests.
Nur Menschen mit Symptomen, die sich melden, werden derzeit getestet. Die
meisten Kenianer haben aber kein Geld für einen Arzt. Sie werden nie
offiziell wissen, ob sie Corona hatten oder etwas anderes.
„Ich bin machtlos“
Ein Schönheitssalon wollte daran verdienen und bot Coronatests auf Facebook
an. Kurz danach kam die Polizei und verhaftete alle Angestellten, weil
Schwindel vermutet wurde. Schon gleich nach der Ankündigung des ersten
Coronafalls machten Witze die Runde darüber, wer sich daran wohl bereichern
werde.
James Kiarie wird aber nur verlieren. Der 47-Jährige lebt normalerweise von
den Touristen. Er bietet am Straßenrand aus Holz geschnitzte Tiere an, vor
allem Vögel. „Seit der erste Fall bekannt wurde, habe ich nichts mehr
verkauft. Aber ich gebe noch nicht auf. Vielleicht möchten Kenianer so
etwas auch kaufen, um sich aufzuheitern in trüben Zeiten.“
Kiarie pendelt aus Kiambu, einem Städtchen nördlich von Nairobi. „Es macht
Angst, in einem Matatu (Kleinbus) hierher reisen zu müssen. Die sind
normalerweise übervoll und dreckig. Aber heute gab es viel weniger
Passagiere“, sagt der Witwer. Er sorgt sich um seine zwei Söhne, die ihm
beim Anmalen der Holztierchen helfen: Sie sind erwachsen, aber haben keine
Arbeit. In Kiambu hat er einen kleinen Gemüseacker mit ein paar
Bananenstauden. Trotzdem macht er sich große Sorgen über die Zukunft: „Ich
bin machtlos und kann nur beten, dass wir diese Plage überstehen.“
Viel beten – das tun auch die Putzfrauen und Gärtner, die aus Ongata Rongai
ins benachbarte Mittelklasseviertel zur Arbeit gehen. Sie haben alle
beschlossen, die vier Kilometer zur Arbeit zu laufen, weil sie Matatus
jetzt zu riskant finden. Ihre Arbeitgeber haben ihnen Videos gezeigt, wie
man sich die Hände intensiv wäscht, und so viel wie möglich aufgeklärt über
das Virus.
Selbstisolation unmöglich
„Ich bilde mir überall ein, das Coronavirus zu sehen, obwohl ich nicht
weiß, wie es aussieht. Ich habe solche Angst“, sagt das Kindermädchen Alice
Omwakwe (37). „Ich habe selbst zwei kleine Kinder, und meine Schwester
passt auf sie auf, wenn ich arbeite. Aber was wird geschehen, wenn wir
vielleicht nachher nicht mehr aus dem Haus gehen dürfen? Werde ich dann
noch bezahlt?“
Ein Drittel der Kenianer, ungefähr 17 Millionen Menschen, leben in Städten.
Davon wohnen etwas mehr als die Hälfte in Armenviertel oder in Orten wie
Ongata Rongai, wo die Einkommen niedrig und die Menschen nicht versichert
sind. Selbstisolation ist für sie kaum möglich, weil sie ohne Gehalt nicht
überleben können.
Das Kindermädchen redet mit ihrer Cousine Zamu Mwangale, Putzfrau im
Nachbarhaus. Die lebt allein mit ihrer kranken Tochter, die oft ins
Krankenhaus muss. „Sie bekommt dort wöchentlich Spritzen. Was ist, wenn
dort jemand kommt, der mit Corona infiziert ist? Wenn selbst [2][Amerika]
und Europa dieses Virus nicht bezwingen können, dann sind wir hier doch
vollkommen hilflos.“
23 Mar 2020
## LINKS
[1] /Coronavirus-breitet-sich-weltweit-aus/!5661644
[2] /US-Gesundheitssystem-und-Corona/!5669242
## AUTOREN
Ilona Eveleens
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
Kenia
Nairobi
Afrika
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Mali
Libyen
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