# taz.de -- CSU-Maskenaffäre: Sauter schweigt, Söder simst | |
> Der Untersuchungsausschuss „Maske“ tritt auf der Stelle. Doch es gibt | |
> einen neuen Protagonisten in der Affäre: Ministerpräsident Söder. | |
Bild: Alfred Sauter (CSU) betritt den Maskenausschuss im bayerischen Landtag | |
MÜNCHEN taz | Der Rest war Schweigen. Dabei hatte die Tagesordnung diesmal | |
besonders spannend geklungen: Im Untersuchungsausschuss des bayerischen | |
Landtags, der die CSU-Maskenaffäre aufklären will, waren am Donnerstag | |
gleich mehrere der zentralen Figuren als Zeugen geladen. Es geht um | |
[1][Masken-Geschäfte der Staatsregierung], mögliche Beteiligungen von | |
Abgeordneten und beträchtliche Provisionszahlungen. Doch dann wurde es eine | |
der bislang unergiebigsten Sitzungen des Ausschusses. | |
Kurz vor halb drei, Auftritt [2][Alfred Sauter]. Sauter war in den | |
Neunzigern bayerischer Justizminister und jahrzehntelang einflussreicher | |
CSU-Mann und Strippenzieher, inzwischen ist er quasi Persona non grata in | |
der eigenen Partei. Er soll sich bei der Vermittlung von Maskendeals | |
bereichert haben, wird dem schwäbischen Landtagsabgeordneten vorgeworfen. | |
Sauter kommt in den Konferenzsaal, der ihm noch von früher äußerst vertraut | |
sein muss. Hier finden immer die Sitzungen der CSU-Fraktion statt. | |
Bereitwillig stellt sich der Zeuge vor die Kameras, setzt sich dann. | |
„Kollege Sauter“, spricht ihn der Ausschussvorsitzende Winfried Bausback | |
von der CSU an. Er belehrt ihn über seine Rechte als Zeuge, bittet ihn um | |
Angaben zur Person. Die üblichen Formalitäten zu Beginn jeder | |
Zeugenbefragung, dasselbe Prozedere wie vor Gericht. Sauter kennt das, er | |
ist selbst Rechtsanwalt. Und nun die Frage, ob sich Sauter zur Sache äußern | |
wolle. „Keine Aussage“, sagt dieser nur. „Wiedersehen“, und das war’s. | |
## Laut Gericht nicht bestochen | |
Die weiteren Auftritte vollziehen sich mehr oder wenig identisch. Georg | |
Nüßlein immerhin betont, nachdem auch er mit Blick auf die gegen ihn | |
laufenden Ermittlungen ebenfalls von seinem Aussageverweigerungsrecht | |
Gebrauch gemacht hat, dass er das nur auf ausdrücklichen Rat seines Anwalts | |
tue – „so schwer mir das persönlich fällt, weil ich glaube dass dieser | |
Untersuchungsausschuss durchaus seine Begründung hat“. | |
Sauter und Nüßlein hatten ihre Landtags- beziehungsweise Bundestagsmandate | |
genutzt, um Ministerien in Bayern und im Bund Masken der hessischen Firma | |
Lomotex für einen Kaufpreis von insgesamt 63 Millionen Euro zu vermitteln. | |
Diese Vermittlungstätigkeit ließen sie sich jedoch mit saftigen Provisionen | |
entgelten. | |
1,243 Millionen Euro sollen an die Firma von Sauters Töchtern geflossen | |
sein, 660.000 Euro an Nüßlein. Klingt ungeheuerlich, ob es einen | |
Straftatbestand erfüllt, ist jedoch noch offen. Das Münchner | |
Oberlandesgericht jedenfalls kam im November zu dem Schluss, dass der | |
„Tatbestand der Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern“ nicht | |
erfüllt sei. Ein Urteil, gegen das die Generalstaatsanwaltschaft Beschwerde | |
beim Bundesgerichtshof einlegte. | |
Auch der Grünen-Abgeordnete Florian Siekmann, stellvertretender | |
Vorsitzender des Untersuchungsausschusses, ärgert sich: Die Gerichte seien | |
machtlos, „weil die CSU über Jahre Anti-Korruption im Strafrecht verhindert | |
hat“. | |
## Strauß-Tochter öffnet Türen | |
Politische Folgen hatte die Affäre für die beiden CSU-Politiker jedenfalls: | |
Sauter trat unter Druck aus seiner Fraktion aus und legte seine Parteiämter | |
nieder. Nüßlein verließ sogar die Partei und trat im vergangenen Jahr nicht | |
mehr zur Bundestagswahl an. Auch zwei weitere geladene Zeugen, ein | |
Vertrauter Sauters und ehemaliger CSU-Kreisschatzmeister sowie ein | |
Unternehmer, die zu dem Lomotex-Komplex aussagen sollen, hüllen sich in | |
Schweigen. | |
Noch kürzer ging die Sache nur bei der Zeugin Andrea Tandler. Schon zum | |
zweiten Mal folgte die PR-Beraterin der Ladung mit Verweis auf ihre | |
Gesundheit nicht. Man werde nun beim Gerichtsärztlichen Dienst eine | |
entsprechende Begutachtung in Auftrag geben, kündigte Bausback an. Tandler | |
gilt als Schlüsselfigur, die von der Krise finanziell profitiert haben soll | |
wie kaum jemand sonst. | |
Tandler ist die Tochter von Gerold Tandler, einst CSU-Generalsekretär, | |
bayerischer Finanzminister und vor allem enger Vertrauter von Franz Josef | |
Strauß. Dessen Tochter, die heutige CSU-Europaabgeordnete Monika Hohlmeier, | |
wiederum ist seit vielen Jahren eng mit Andrea Tandler befreundet. Dieser | |
Kontakt kam Tandler nun zupass, als es im Februar 2020 darum ging, Masken | |
an deutsche Ministerien zu vermitteln. | |
Hohlmeier diente Tandler als Türöffnerin. So schickte die Politikerin | |
beispielsweise der damaligen bayerischen Gesundheitsministerin Melanie Huml | |
und deren Kollegen auf Bundesebene, Jens Spahn, Kurznachrichten und machte | |
sie auf das Angebot ihrer Freundin aufmerksam. Die Frankfurter Allgemeine | |
Zeitung sprach gar schon vom „Amiga-Filz“. | |
## 8,90 Euro pro Maske | |
Tandler und ein Partner sollen für ihre Vermittlung Provisionen in Höhe von | |
48 Millionen Euro bekommen haben. Hohlmeier, die am Montag vor dem | |
Ausschuss ausgesagt hat, will davon nichts gewusst haben. Dass sie selbst | |
auch Geld bekommen oder gefordert hat, darauf gibt es keinerlei Hinweise. | |
In einem bisher nicht öffentlich bekannten schriftlichen Gerichtsbeschluss | |
kam das Landgericht München zwar zu dem Schluss, dass eine Razzia wegen | |
Geldwäscheverdachts im vergangenen Jahr unrechtmäßig gewesen sei, führte | |
allerdings laut Süddeutscher Zeitung auch aus, dass Tandler außer ihrer | |
politischen Kontakte keinerlei Qualifikation vorzuweisen gehabt habe und | |
Chatprotokolle nahelegten, dass sie die Corona-Krise habe ausnutzen wollen, | |
um völlig überhöhte Preise durchzusetzen und sich auf diese Weise zu | |
bereichern. | |
8,90 pro Stück kosteten etwa die eine Million Masken, die die Schweizer | |
Firma Emix infolge des Deals nach Bayern geliefert haben soll – nach | |
Aussage eines Emix-Sprechers allerdings ein damals völlig marktüblicher | |
Preis, die Firma habe auch lediglich eine „handelsübliche Marge“ erzielt. | |
Deren Höhe wollte der Sprecher allerdings nicht nennen. | |
Trotz der schweigsamen Zeugen brachte der Donnerstag dann aber doch | |
interessante Neuigkeiten in der Maskenaffäre. Mit einem Bericht der | |
Süddeutschen Zeitung wurde ein neues Kapitel im Maskenkrimi aufgeschlagen. | |
Ein besonderes Kapitel, denn diesmal tritt [3][Ministerpräsident Markus | |
Söder] höchstpersönlich darin auf. | |
Er und Staatskanzleichef Florian Herrmann haben demnach dafür gesorgt, dass | |
eine vom damaligen CSU-Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer empfohlene | |
Firma aus dessen Passauer Wahlkreis den Zuschlag für Maskenlieferungen in | |
der Höhe von 18 Millionen Euro bekommen hat – trotz Zweifeln an der | |
Seriosität des Angebots. In der Tat habe die Firma dann später als | |
vereinbart geliefert, ein großer Teil der Masken seien überdies noch | |
mangelhaft gewesen. | |
## „Wer will Söder stürzen?“ | |
Die Berichterstattung ging so sehr ins Detail, zitierte aus | |
handschriftlichen Vermerken wie auch einer SMS Söders, dass sich der | |
bayerische SPD-Generalsekretär Arif Taşdelen schon Sorgen um seinen | |
Ministerpräsidenten machte: „SZ-Enthüllung über den Kauf von Schrottmasken | |
auf #Söders Geheiß“, schrieb er auf Twitter. „Das sind absolute | |
Insiderinformationen. Wer in der #CSU oder Staatsregierung will | |
@Markus_Soeder stürzen?“ | |
Die SMS Söders soll an den damaligen vorübergehend zur Unterstützung ins | |
Gesundheitsministerium abgeordneten Innenstaatssekretär Gerhard Eck | |
gegangen sein und gelautet haben: „Müsst Ihr nehmen, Scheuer muss das | |
garantieren.“ Laut Bausback seien die Insiderinformationen auch alle in den | |
Akten des Untersuchungsausschusses enthalten. Man hätte sich zur rechten | |
Zeit schon noch damit befasst. Er geht deshalb davon aus, dass eines der | |
Ausschussmitglieder sie durchgestochen haben muss – und ist sehr | |
ungehalten. | |
Sein Vize Siekmann dagegen spricht schon vor der Sitzung auf Twitter von | |
einer „neuen Dimension“ in der Maskenaffäre: „#Söder & #Scheuer drücken | |
Deal für Passauer Firma gegen jeden fachlichen Rat durch. Spätere | |
Reklamationen beschäftigen Verwaltung mitten in der Krise über Monate. | |
Beide werden sich dafür vor dem UA verantworten müssen!“ | |
13 May 2022 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
Dominik Baur | |
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