# taz.de -- CO2-Abspaltung und -Speicherung: Viele Wege, ein Ziel | |
> Durch neue Technik und einen anderen Umgang mit dem Erdboden kann man der | |
> Atmosphäre CO2 entziehen: mit Pflanzenkohle und Humusanreicherung. | |
Bild: Der Erhalt humusreicher Böden ist am effizientesten, um CO2 langfristig … | |
BERLIN taz | Um den Klimawandel zu verlangsamen, muss der Ausstoß des | |
klimaschädlichen Gases Kohlendioxid (CO2) reduziert werden. Zugleich | |
propagieren Klimawissenschaftler aber auch Verfahren, der Atmosphäre | |
bereits emittiertes CO2 wieder zu entziehen. Das kann mit unterschiedlichen | |
Verfahren geschehen. | |
Eines nennt sich „Direct Air Capture (DAC)“. Bei dieser Technik wird CO2 | |
physikalisch oder chemisch aus der Umgebungsluft abgeschieden. Das ist | |
energieaufwendig und teuer: Pro Tonne CO2 kostet das 800 bis 1.000 Euro. | |
Günstiger ist es, wenn man direkt in die Minderung von Emissionen | |
investiert. Für rund 85 Euro pro Tonne kann man zum Beispiel derzeit | |
Zertifikate [1][im europäischen Emissionshandel] kaufen und stilllegen – | |
und so die insgesamt erlaubte Emissionsmenge reduzieren. Aus ökonomischer | |
Sicht wird DAC erst dann rentabel sein, wenn dessen Preis pro Tonne | |
niedriger liegt als jener im Emissionshandel. | |
Auch rein energetisch betrachtet ist das Verfahren aktuell wenig sinnvoll: | |
Pro Tonne CO2 werden 1.000 Kilowattstunden Strom benötigt. Hinzu kommt ein | |
mehrfacher Bedarf an Wärme. Um die nationalen Emissionen zu kompensieren, | |
würde nicht einmal die hierzulande erzeugte Strommenge ausreichen. Fazit: | |
Es ist erheblich günstiger, von fossilen auf erneuerbare Energien | |
umzusteigen, als Öl, Kohle und Gas erst zu verbrennen und dann zu | |
versuchen, die Emissionen wieder einzufangen. | |
Ein zweites Verfahren heißt „Bioenergy with Carbon Capture and Storage | |
(BECCS)“, also [2][„Bioenergie mit CO2-Abscheidung und -Speicherung“]. Die | |
Nutzung von Bioenergie ist – abgesehen von zusätzlicher Prozessenergie, | |
etwa für die Ernte der Pflanzen – innerhalb des gesamten Wachstumszyklus | |
der Pflanze CO2-neutral. Wenn man aber zum Beispiel bei einer Biogasanlage | |
das entstehende CO2 abtrennt und endlagert (etwa in ausgebeuteten Gas- oder | |
Erdöllagerstätten), entzieht man der Atmosphäre am Ende sogar CO2. | |
## Mithilfe von Pflanzen CO2 entziehen | |
Das Problem jeder [3][CO2-Abtrennung (CCS)] aus Verbrennungsprozessen ist | |
jedoch laut Umweltbundesamt „vor allem der enorme zusätzliche | |
Energieaufwand für die Abscheidung, den Transport und die Speicherung“. CCS | |
erhöhe – bei gleicher Ausbeute an Nutzenergie – den Verbrauch an begrenzt | |
verfügbaren Rohstoffen um bis zu 40 Prozent. | |
Auch mithilfe von Pflanzen kann man der Atmosphäre CO2 wieder entziehen. | |
Die machen das zunächst ganz automatisch. Das zeigt sich anschaulich am | |
Jahresgang der globalen CO2-Konzentration: In der Vegetationsperiode der | |
deutlich landreicheren Nordhalbkugel sinkt der atmosphärische CO2-Gehalt | |
stets und liegt im September je nach Weltregion bis zu 18 ppm (parts per | |
million) niedriger als zum Ende des hiesigen Winters. Pflanzenwachstum hat | |
also großen Einfluss auf den atmosphärischen CO2-Gehalt. | |
Pflanzen, die verrotten, geben ihren gespeicherten Kohlenstoff aber wieder | |
ab. Es sei denn, dieser wird fossil gebunden – wie es bei der Bildung der | |
Kohle der Fall ist. Deshalb wird heute versucht, die alte Kunst des | |
Köhlerhandwerks neu zu etablieren und [4][Pflanzenkohle zu erzeugen]. | |
Anders als klassischerweise die Holzkohle soll diese aber nicht verbrannt | |
werden, sondern im Boden verbleiben, um den Kohlenstoff langfristig zu | |
binden. | |
## Große Mengen Kohlenstoff im Humus | |
Auch im Humus sind große Mengen Kohlenstoff gebunden: Ackerböden speichern | |
im Schnitt etwa 95 Tonnen Kohlenstoff pro Hektar, Dauergrünland fast das | |
Doppelte. Der [5][Humusgehalt in Ackerböden] liegt bei zumeist 1 bis 4 | |
Prozent, bei humusbildender Bewirtschaftung sind je nach Bodenart auch | |
Werte bis 8 Prozent möglich. Grünland kann sogar bis zu 15 Prozent Humus | |
anreichern. | |
Würde man auf allen Ackerflächen in Deutschland den Humusgehalt um 1 | |
Prozentpunkt erhöhen, würde man etwa so viel Kohlenstoff binden, wie | |
Deutschland in einem Jahr in Form von CO2 ausstößt. Der Erhalt und der | |
Aufbau humusreicher Böden – speziell von Grünland und Mooren – dürfte da… | |
einer der effizientesten (auch kosteneffizientesten) Wege sein, CO2 | |
langfristig zu binden. | |
2 Aug 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Emissionshandel-fuellt-Staatskasse/!5903781 | |
[2] /Negative-Emissionen/!5812778 | |
[3] /Debatte-um-Speicherung/!5905291 | |
[4] /Experte-ueber-Pflanzenkohle/!5932353 | |
[5] /Klimaschutz-Zertifikate-fuer-Humusbildung/!5836244 | |
## AUTOREN | |
Bernward Janzing | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
CCS | |
fossile Energien | |
Landwirtschaft | |
CO2-Emissionen | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Apokalypse der Woche | |
Kohle | |
Renaturierung | |
IG | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Grüne und die CO2-Speicherung: Der richtige Tabubruch | |
Die Grünen sind jetzt für Speicherung und Nutzung von Kohlendioxid. Das tut | |
der grünen Seele weh, ist aber notwendig. | |
Geplante Nordsee-Bohrungen: Rishi Sunaks fossiler Wahnsinn | |
Öl und Gas sind saubere Energiequellen? Fossile Kraftstoffe gehören zur | |
Klimaneutralität? Der britische Premier hat außergewöhnliche Ideen. | |
Experte über Pflanzenkohle: „Beachtliches Klimapotenzial“ | |
Pflanzenkohle-Technologie kann laut dem Geoökologen Robert Wagner in Berlin | |
Wärme und Strom liefern, Treibhausgase reduzieren und Böden verbessern. | |
Wortwahl in der Klimakatastrophe: Sprache als Klimakiller | |
2-Grad-Ziel, Umwelt, CO2-Äquivalente, Kompensation: Viele Klimabegriffe | |
sind verharmlosend oder sachlich falsch. Ein Plädoyer für klügere Sprache. | |
Nachhaltige Energie: Die coolere Kohle | |
Pflanzenkohle hat als Klimaretterin großes Potenzial. Die Technik ist | |
einfach, skalierbar und sofort einsetzbar. Steht sie vor dem Durchbruch? |