# taz.de -- CO2-Absauger in der Krise: Climeworks feuert ein Fünftel der Beleg… | |
> Die Schweizer Firma filtert mit zwei Anlagen auf Island Treibhausgas aus | |
> der Luft. Das läuft aber viel schlechter als geplant. | |
Bild: Die Kohlenstoffabscheidungsanlage von Climeworks in Reykjavik, Island, im… | |
Berlin taz | Das Klimaschutz-Unternehmen Climeworks baut weltweit 106 | |
Stellen ab, 78 davon in seinem Heimatland Schweiz. Die Ausgründung der ETH | |
Zürich betreibt zwei Anlagen, die das Treibhausgas Kohlenstoffdioxid aus | |
der Luft saugen. Anschließend kann es unterirdisch gelagert oder auch als | |
Rohstoff für manche industrielle Prozesse genutzt werden. | |
Nach einer starken Wachstumsphase wolle Climeworks jetzt „Beweglichkeit und | |
Effizienz“ bewahren, teilte die Firma zum personellen Kahlschlag mit. In | |
der Schweiz liefen Verhandlungen über einen Sozialplan für die Betroffenen. | |
„Climeworks ist heute technologisch und unternehmerisch gut positioniert“, | |
hieß es weiter. | |
Allerdings stocken die Pläne einer Expansion in die USA. Das liegt wohl | |
auch an den veränderten Bedingungen unter Präsident Donald Trump, der | |
beispielsweise die zuständigen Behörden zusammengestrichen hat. | |
Aktuelle Zahlen zum Betrieb der zwei Climeworks-Anlagen auf Island, die | |
Climeworks-Gründer und -CEO Jan Wurzbacher [1][kürzlich im sozialen | |
Netzwerk Linkedin teilte], lassen zudem an der Effektivität der Technik | |
zweifeln. Beide CO2-Absauger entziehen der Luft viel weniger des | |
Treibhausgases als angekündigt. | |
## Wenig Erfolg fürs Klima | |
Die neuere Anlage, Climeworks hat sie „Mammoth“ getauft, gibt es seit 2024. | |
Sie hat in den zehn Monaten bisher netto 105 Tonnen CO2 aus der Luft | |
gezogen. Das ist ungefähr die Menge, die zehn Menschen in Deutschland pro | |
Jahr ausstoßen. Netto bedeutet: nach Abzug der CO2-Emissionen, die der | |
extrem energieintensive Betrieb der Anlage sowie ihr Bau verursacht hat. | |
Die seit 2021 laufende Anlage „Orca“ hat netto 953 Tonnen CO2 geborgen. | |
Als gesamtes Unternehmen stößt Climeworks sogar mehr CO2 aus als die | |
Anlagen aufsaugen. Das heißt: wenn man nicht nur den Betrieb und die | |
Lieferkette der zwei Anlagen einrechnet, sondern zum Beispiel auch die | |
Geschäftstätigkeiten zum Aufbau künftiger Projekte. | |
Brutto hat „Mammoth“ 750 Tonnen CO2 aus der Luft gesaugt. Das bleibt weit | |
hinter dem angekündigten Potenzial zurück: Im Vollbetrieb sollte die Anlage | |
jährlich bis zu 36.000 Tonnen CO2 aus der Atmosphäre entfernen können. Bei | |
„Orca“ sind es jährliche 4.000 Tonnen. | |
## Climeworks gilt als Branchenführer | |
Auch Firmenchef Wurzbacher spricht auf Linkedin von einem „Unterschied | |
zwischen theoretischem und tatsächlichem Ergebnis“. Er begründet die | |
Diskrepanz mit „geplanten und ungeplanten Ausfallzeiten, Wetter und | |
Filterverlusten“. | |
Climeworks gilt als Branchenführer der allerdings weltweit kleinen | |
Start-up-Szene, die daran arbeitet, CO2 mit technischen Gerätschaften aus | |
der Luft zu ziehen. Die Fachwelt spricht von „Direct Air Capture“, auf | |
Deutsch also „direkte Lufterfassung“. Im Gegensatz dazu arbeiten andere | |
Unternehmen daran, CO2 nicht direkt aus der Luft, sondern aus den Prozessen | |
von Kraftwerken und Industrieanlagen abzufangen, bevor das Gas überhaupt in | |
die Atmosphäre gerät. | |
Climeworks erzielt Einnahmen, indem die Firma mit Großunternehmen wie | |
Microsoft, Swiss Re oder Boston Consulting Group Verträge zum Entfernen von | |
CO2 schließt. Auch Privatpersonen haben die Möglichkeit, für ihren | |
CO₂-Ausstoß zu bezahlen. | |
Die netto eingesparte Tonne CO₂ hat allerdings mit rund 1.000 Euro einen | |
sehr stolzen Preis. In der Regel dürfte es deutlich billiger sein, die | |
eigenen Emissionen zu reduzieren, statt sich bei Climeworks eine | |
Emissionsminderung zum Schönrechnen des eigenen CO₂-Ausstoßes zu kaufen. | |
Aus Klimasicht wäre das Senken der Emissionen auch dringend nötig. Der als | |
Goldstandard der Klimaforschung geltende Weltklimarat geht in seinen | |
Szenarien zwar davon aus, dass die Menschheit Technologien wie Direct Air | |
Capture benötigt, um die Klimakrise wirksam zu begrenzen. | |
Allerdings gilt das zusätzlich zur globalen Emissionsminderung auf null. | |
CO2 bleibt schließlich lange in der Atmosphäre. Selbst wenn irgendwann kein | |
neues Treibhausgas mehr hinzukäme, wäre die vorhandene Menge noch zu groß – | |
und müsste nachträglich reduziert werden. Zum Beispiel durch Direct Air | |
Capture. | |
## CO₂-Entnahme-Technologien fast durchweg kaum erprobt | |
Daneben kommen dafür weitere Wege infrage. Dazu gehören auch und vor allem | |
natürliche: der (Wieder-) Aufbau und die Pflege von Wäldern und Mooren | |
beispielsweise, in denen Kohlenstoff gebunden ist. | |
Auch eine Verbindung mit technischen Lösungen ist möglich, praktisch aber | |
wenig erprobt. Dabei lässt man Bäume schnell auf Plantagen wachsen, fällt | |
und verbrennt sie im Anschluss zur Energiegewinnung und fängt das dabei | |
entstehende CO2 ab. Das nennt sich Bioenergie mit Kohlenstoffabscheidung | |
und -speicherung oder kurz BECCS. Kommerzielle Anlagen sind aber bisher | |
rar. | |
An Plänen, mehr auf BECCS zu setzen, gibt es zudem enorme Kritik. Denn: Die | |
Nutzung im großen Stil würde gigantische Flächen für Plantagen erfordern. | |
Diese wären dann erstens verloren für nachhaltige, gesunde Ökosysteme. | |
Zweitens wären noch mehr Konflikte um Land und vermehrtes Landgrabbing | |
absehbar. Das dürfte besonders indigene Gruppen im globalen Süden | |
betreffen, die oft kein juristisch gesichertes Eigentum an ihrem Grund und | |
Boden haben. Fälle von Vertreibungen für Aufforstungsprojekte sind auch | |
jetzt schon bekannt. | |
Eine weitere Idee, um mehr CO₂ wieder aus der Luft zu holen, ist die | |
[2][künstliche Beschleunigung von natürlichen Prozessen wie der | |
Gesteinsverwitterung]. Auch hier gibt es bisher keine großflächige Nutzung. | |
Die wäre auch wiederum mit Nachteilen verbunden: Es wäre beispielsweise | |
eine Bergbauindustrie in einer Größe nötig, die der heutigen | |
Kohlewirtschaft gleichkäme. | |
Im praktischen Sinne stecken also im Grunde alle der neueren Ideen zur | |
CO2-Entnahme aus der Atmosphäre noch in den Kinder- oder höchstens | |
Jugendschuhen. Das geht auch aus dem [3][Sachstandsbericht zur | |
CO₂-Entnahme] hervor, den eine internationale Gruppe von | |
Wissenschaftler*innen im vergangenen Jahr vorgestellt hat. | |
Demnach entzieht die Menschheit der Atmosphäre aktuell 2,2 Milliarden | |
Tonnen CO2 im Jahr, alle naturbasierten und technischen Bemühungen | |
zusammengenommen. Davon entfallen 99,9 Prozent auf „konventionelle | |
Methoden“, vor allem Aufforstung. Alle neueren Lösungen zusammen teilen | |
sich die restlichen 0,1 Prozent. In diese kleine Sparte fallen auch die | |
kaum mehr als 1.000 Tonnen CO2, die die zwei Climeworks-Anlagen in Island | |
bisher netto aus der Luft gefiltert haben.Und zum Vergleich: Die Menschheit | |
führt der Atmosphäre immer noch jedes Jahr viel mehr CO₂ zu als sie | |
entfernt. Im vergangenen Jahr [4][führte die Nutzung fossiler Kraftstoffe | |
zu CO₂-Emissionen von 37,4 Milliarden Tonnen]. Durch veränderte | |
Landnutzung, etwa die Rodung von Wäldern für Agrarflächen, kamen weitere | |
4,2 Milliarden Tonnen hinzu. | |
24 May 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://www.linkedin.com/posts/jan-wurzbacher_climeworks-is-building-an-ind… | |
[2] /Wissenschaftlerin-ueber-Geoengineering/!5912251 | |
[3] https://static1.squarespace.com/static/633458017a1ae214f3772c76/t/665ed1e2b… | |
[4] /Jahresrueckblick-Erderhitzung/!6055410/ | |
## AUTOREN | |
Susanne Schwarz | |
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