# taz.de -- Bürgermeister Müller zum Wahlchaos: Nachwahlen nicht ausgeschloss… | |
> Trotz Pannen habe es „nach jetzigem Kenntnisstand“ keine | |
> wahlverfälschenden Fehler gegeben. Einzelne Stimmbezirke könnten | |
> nachwählen müssen. | |
Bild: Mea culpa für diese Wahl: Innensenator Geisel und der Regierende Müller… | |
BERLIN taz | Die Wahlen in Berlin müssen nach bisherigem Kenntnisstand wohl | |
nicht wiederholt werden – zumindest nicht „großflächig“. Das sagte | |
Innensenator Andreas Geisel (SPD) in einer Pressekonferenz am | |
Freitagvormittag im Roten Rathaus. Auch der Regierende Michael Müller | |
sagte, nachdem alle 12 Bezirke nun [1][Berichte zum Wahlabend am 26. | |
September] vorgelegt hätten, „können wir, vorbehaltlich des jetzigen | |
Kenntnisstands, sagen, dass keine mandatsrelevanten oder | |
mandatsverfälschenden Fehler passiert sind.“ | |
Es könne aber sein, sagte Geisel, dass in drei Wahlkreisen, „eventuell auch | |
nur in einzelnen Stimmlokalen“, eine Nachwahl stattfinden muss. „Da bewege | |
ich mich aber derzeit noch im spekulativen Bereich“, betonte Geisel. Welche | |
Bezirke das seien, wollte er auf Nachfrage nicht sagen. In den Bezirken | |
habe es derart knappe Abstände bei den Erststimmen zur Abgeordnetenhauswahl | |
gegeben, dass, „wenn auch noch Fehler festgestellt werden sollten“, er | |
davon ausgehe, dass dort Neuwahlen stattfinden. Die Stimmen für die | |
Bundestagswahl sollen laut Geisel nicht betroffen sein. | |
Auch Müller betonte, es sei allein Sache der Bezirkswahlvorstände und der | |
Landeswahlleitung, nun gemeinsam „rechtsverbindlich“ festzustellen, ob es | |
Fehler gegeben hat, die einzelne Wahlergebnisse verändert haben können. Dem | |
könnten weder er noch Geisel vorgreifen, betonte Müller – schließlich werde | |
die Wahl „weder von der Verwaltung noch von der politischen Führung | |
umgesetzt“, sondern obliege der unabhängig agierenden Landeswahlleitung. Am | |
14.Oktober, wenn auch das amtliche Endergebnis der Abgeordnetenhauswahl | |
festgestellt werde, solle es einen entsprechenden Bericht geben, versprach | |
Geisel. | |
Auch die [2][Position der Landeswahlleitung, die nach dem Wahlchaos um ihre | |
Entlassung gebeten hatte], wolle man „zügig neu besetzen“, versprach | |
Müller. Man habe „keine Zeit zu verlieren“ – immerhin könne es sein, da… | |
bereits im nächsten Herbst neue Wahlentscheidungen anstünden. Müller nannte | |
als Beispiel Volksentscheide, die derzeit Unterschriften sammelten. Am | |
Mittwoch hatte das Volksbegehren Klimaneustart Berlin die erste Hürde von | |
20.000 Unterschriften locker genommen. | |
## Falsch beschriftete Kartons | |
Klar ist nach den Berichten der Bezirke bisher dieses: In insgesamt acht | |
Wahllokalen in Marzahn-Hellersdorf, Pankow, Steglitz-Zehlendorf, | |
Charlottenburg-Wilmersdorf und Friedrichshain-Kreuzberg sollen falsch | |
zugeordnete Stimmzettel ausgegeben worden sein. Das habe unter anderem an | |
bereits in der Druckerei falsch beschrifteten Kartons gelegen – was bei | |
Kontrollen in den Wahllokalen im Vorfeld wiederum nicht aufgefallen sei. | |
In einzelnen Wahllokalen sollen zudem Stimmzettel nicht ausgegeben worden | |
sein, obwohl sie eigentlich vorrätig waren, sagte Geisel, ohne ins Detail | |
zu gehen. Vor allem die Erststimmen für die Abgeordnetenhauswahl soll das | |
betreffen. | |
In vier Fällen [3][in Pankower Wahllokalen] soll es zudem zu einem „Abbruch | |
der Auszählungen“ gekommen sein, sagte Geisel. Warum, sei noch nicht klar. | |
Eventuell sei es den ehrenamtlichen HelferInnen schlicht „zu spät | |
geworden.“ Die hauptamtlichen WahlamtsmitarbeiterInnen hätten die | |
Auszählung dann aber bis morgens um 4 Uhr beendet. | |
Zu Unterbrechungen der Wahl, weil Stimmzettel ausgegangen waren, soll es in | |
31 Wahllokalen in Charlottenburg-Wilmersdorf gekommen sein. Auch in 28 | |
Wahlokalen in Pankow und in einzelnen Stimmbezirken in | |
Friedrichshain-Kreuzberg seien die Wahlen „für maximal 90 Minuten | |
unterbrochen worden“, berichtete der Innensenator. | |
Zwei Wahllokale in Pankow hätten bereits „vorzeitig vor 18 Uhr | |
geschlossen“, sagte Geisel. Auch hier sei der Grund noch unklar. Rund 70 | |
Wahlberechtigte seien abgewiesen worden. Andererseits habe es in Pankow | |
wiederum auch Wahllokale gegeben, wo Menschen laut Geisel noch bis 19.30 | |
Uhr gewählt hätten, als die Hochrechnungen also schon liefen. Das sähe die | |
Bundeswahlordnung aber auch ausdrücklich vor. Ein Wahlabbruch um 18 Uhr sei | |
ja auch eine „Beschränkung des Wahlrechts und wäre ein hartes Mittel.“ | |
Für ebenso unproblematisch befand der Innensenator, dass | |
Charlottenburg-Wilmersdorf am Wahlabend lediglich Schätzungen statt | |
Ergebnisse zur Bezirksverordnetenwahl veröffentlicht hatte. Auch das sei | |
„ein üblicher, rechtlicher Vorgang“. | |
## Sonderweg von zwei Bezirken | |
Charlottenburg-Wilmersdorf und Pankow, die am Freitag auffällig oft von | |
Müller und Geisel genannt worden waren, sollen am Wahlabend einen „anderen | |
Weg“ gegangen sein als die restlichen Bezirke. Geisel sagte, dort habe man | |
offenbar viele Stimmzettel für die Briefwahl zurückgehalten und erst am | |
Wahlsonntag Nachschub für die Wahllokale ordern wollen. Das sei logistisch | |
dann offenbar schwierig geworden. [4][Der Berlin-Marathon hatte für | |
zahlreiche Straßensperrungen in der Stadt gesorgt.] | |
Medienberichte, wonach Minderjährige nicht nur Stimmzettel für die | |
Bezirkswahlen, sondern auch für Bundestag und Abgeordnetenhaus erhalten | |
hätten, dementierte Geisel: „Außer Zeitungsberichten liegt uns dazu nichts | |
vor.“ Auf Nachfrage räumte er allerdings ein, dass er „Einzelfälle nicht | |
ausschließen“ könne – weil die Stimmunterlagen der Minderjährigen zwar | |
entsprechend markiert gewesen seien, aber im Nachhinein nicht mehr | |
feststellbar ist, ob nicht doch einige in den Wahlurnen landeten. | |
Sowohl Geisel als auch Müller bemühten sich am Freitag sichtlich darum, | |
klar zu machen: Es tut uns leid. Man „erneuere ausdrücklich im Namen des | |
Senats die Entschuldigung, die der Finanzsenator bereits am Dienstag zum | |
Ausdruck gebracht hat“, sagte Müller etwas kompliziert. Auch danke man den | |
ehrenamtlichen HelferInnen, denen man keinesfalls die Schuld gebe, sagte | |
Müller. | |
Geisel, dessen [5][Entschuldigung eigentlich alle bereits am Dienstag nach | |
der Senatssitzung] erwartet hatten, weil er als Innensenator die | |
Rechtsaufsicht über die Wahlen hat, bemühte sich um eine Rechtfertigung: | |
Anfang der Woche hätten ihm noch nicht alle Berichte der Bezirke | |
vorgelegen. Die habe er abwarten wollen. | |
Die bereits angekündigte ExpertInnenkommission soll indes im Laufe des | |
Novembers ihre Arbeit aufnehmen. Denn Ziel müsse sein, sagte Müller, „dass | |
sich so etwas nicht wiederholt.“ Konkret nannte er eine Einsatzzentrale mit | |
einer Notrufnummer, Wahlzetteldepots an strategischen Punkten in der Stadt | |
und vorbestellte, abrufbereite Kurierdienste als Ansatzpunkte. Auch die | |
Schulungen der ehrenamtlichen HelferInnen müssten verbessert werden. | |
„So eine Wahl ist ja kein Hexenwerk“, befand der Regierende. „Wenn ich mir | |
in 10 Minuten eine Packung Milch liefen lassen kann, dann soll es nicht | |
möglich sein, innerhalb von 15 Minuten Stimmzettel per Kurierdienst zu | |
ordern?“ | |
8 Oct 2021 | |
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## AUTOREN | |
Anna Klöpper | |
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