# taz.de -- Buch über Brecht und die Frauen: Auf den könnt ihr nicht bauen | |
> Brechts Beziehungen zu Frauen sind ein tiefes Gewässer. Zum 125. | |
> Geburtstag hat Unda Hörner darüber ein unterhaltsames Buch geschrieben. | |
Bild: Als Schauspielerin machte sie nicht nur seine Stücke berühmt: Helene We… | |
Bertolt Brecht und seine Frauen – darüber wurde schon viel geschrieben. | |
Seine notorische Untreue, sein Lavieren mit Unwahrheiten zwischen mehreren | |
Liebesbeziehungen, seine anmaßende Eifersucht: Brechts Biografie liefert | |
reichlich Stoff für moralische Empörung. | |
Mehr aber noch für eine Kritik an den Privilegien von Männern im | |
Literaturbetrieb der Moderne, an der Ungerechtigkeit, dass er, Bertolt | |
Brecht, als Autor lange den alleinigen Ruhm und den Lohn für das | |
einheimste, was er doch oft kollektiv und kreativ mit seinen Geliebten und | |
Co-Autorinnen in der gemeinsamen Schreibwerkstatt erarbeitet hatte. | |
Skrupellos, so beschreibt er sich selbst und sieht dies als junger Mann in | |
den 1920ern auch als das Recht eines, der sich für ein antibürgerliches | |
Leben entschieden hat. Brecht, der aufbegehrende Künstler, war ihm immer | |
wichtiger als Brecht, der Liebende oder Brecht, der Vater. „Und ich kann | |
nicht heiraten. Ich muss Ellbögen frei haben, spucken können wie mir’s | |
beliebt, allein schlafen, skrupellos sein.“ | |
## Uneheliches Kind und zwei Geliebte | |
So zitiert ihn Unda Hörner schon im ersten Kapitel ihres Buches „Brecht und | |
die Frauen. Gefährtinnen, Geliebte, gute Geister“, das pünktlich zum 125. | |
Geburtstag erschienen ist. Da ist er knapp über zwanzig, hat ein | |
uneheliches Kind und zwei junge Geliebte, die er voreinander verheimlicht. | |
Unda Hörners Buch ist keine feministische Abrechnung. Aber sie sucht auch | |
keine Beschönigung der Unzuverlässigkeit des Dichters, der in seiner Kunst | |
damit sogar noch kokettierte: „In meine leeren Schaukelstühle vormittags / | |
Setze ich mir mitunter ein paar Frauen / Und ich betrachte sie sorglos und | |
sage ihnen / In mir habt ihr einen, auf den könnt ihr nicht bauen“. | |
Hörners Empathie gilt den Mädchen, jungen Frauen und Künstlerinnen, die so | |
oft mehr erwarten von Brecht, als sie bekommen werden. Ihre Bewunderung | |
gilt vor allem Helene Weigel, Schauspielerin und dann doch langjährige | |
Ehefrau und Partnerin, die nicht nur seine Kunst mit ihrer Kunst förderte, | |
sondern oft auch noch die ihrer Konkurrentinnen. | |
## Lust am Unbotmäßigen | |
Der Ton der Autorin Unda Hörner ist leicht. Sie amüsiert sich und damit | |
auch die Leser:innen mit ihren historischen Figuren. Wie Brecht die | |
Frauen umwirbt und die Frauen ihn: Darin schimmert auch eine Lust am | |
Unbotmäßigen und eine Kraft auf, die das Geliebt-werden-Wollen ja nicht | |
zuletzt oft erfolgreich produktiv in die Kreativität umlenkte. Die | |
Arbeitsbeziehungen erwiesen sich teils als stabiler denn die | |
Liebesbeziehungen. | |
Das Buch ist chronologisch aufgebaut, die Geliebten geben den Kapiteln | |
Namen, was allerdings, je mehr es zu gleicher Zeit werden, kompliziert | |
wird. Wie die Perlen auf einer Schnur sind ihre Namen aufgereiht, kreisend | |
um den Fixstern Brecht: Die Jugendlieben Paula Banholzer und Marianne Zoff, | |
die Künstlerinnen Helene Weigel, Elisabeth Hauptmann, von der Inspiration | |
und Stoff zur „Dreigroschenoper“ kamen, Margarete Steffin und Ruth Berlau, | |
die im Exil in Dänemark zu ihm stieß und ihn dort unterstützte. Auch gerade | |
in den schweren Jahren, als der Nationalsozialismus die Exilierten immer | |
weiter vor sich her trieb, bildeten die Kontakte der Frauen ein hilfreiches | |
Netzwerk aus. | |
## Managerin und Marketing-Assistentin | |
Auf ihrem Anteil an Brechts Werk liegt der Fokus des Buchs. Helene Weigel | |
als Schauspielerin machte nicht nur seine Stücke berühmt, sondern hielt ihm | |
mit viel Disziplin und eigenem Leid auch in vielen Dingen den Rücken frei. | |
Elisabeth Hauptmann war nicht nur Co-Autorin, sondern auch Managerin und | |
Marketing-Assistentin, die selbst in Zeiten der Emigration, als sie | |
zeitweise aus seiner Entourage verbannt war, weiter für ihn Kontakte zu | |
Verlagen knüpfte. Auch mit Ruth Berlau schrieb er zusammen. Sie begann in | |
den USA ein Brecht-Archiv aufzubauen, lernte fotografieren, um Brechts | |
Theater zu dokumentieren, und folgte ihm und Weigel nach Berlin 1948, sehr | |
zu Weigels Missvergnügen. | |
Doch das Buch hat ein Dilemma: Jede der Frauen wäre eine nähere Betrachtung | |
wert, doch die Geschichte einer jeden ist an ihrer Beziehung zu Brecht | |
festgemacht. Unda Hörner bemüht sich zwar, von beinahe jeder auch über ihre | |
emanzipatorischen Leistungen zu erzählen, die sie überhaupt erst ins | |
Kunstmilieu gebracht haben, und über die Stärke, die sie in diesem vom | |
Nationalsozialismus überschatteten Leben brauchten. | |
Aber auf knapp 140 Seiten Text, der gelegentlich auch etwas atemlos wird | |
und fast in Telegrammstil verfällt, um auch den historischen Hintergrund zu | |
skizzieren, bleibt dann doch nicht viel Raum. Für die letzte Geliebte, die | |
Schauspielerin Isot Kilian, dann sogar nur wenige Zeilen. | |
9 Feb 2023 | |
## AUTOREN | |
Katrin Bettina Müller | |
## TAGS | |
Bertolt Brecht | |
Geburtstag | |
Frauen | |
Dramatiker | |
Historie | |
Ausstellung | |
Theater | |
Berliner Ensemble | |
Bertolt Brecht | |
Karl Valentin | |
Stadtland | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Hinrichtung wegen Mordes in Berlin: Der Erste von so vielen | |
Vor 90 Jahren, am 9. Mai 1933, wird Ernst Reins in Plötzensee geköpft. Es | |
ist die erste Hinrichtung in Berlin nach dem Machtantritt der Nazis. | |
Berliner Ausstellung „Gestern wie heute“: Wanderer zwischen den Welten | |
In seiner Kunst fungiert Said Baalbaki als Sammler und Forscher. Zu sehen | |
sind seine Werke in der Galerie Nord in Moabit. | |
Fatma Aydemirs „Dschinns“ im Theater: Das Loch in der Familie | |
Fatma Aydemirs Familienroman „Dschinns“ lebt von seinen genauen | |
Beobachtungen. In Berlin hat Nurkan Erpulat den Stoff nun überzeugend | |
inszeniert. | |
125. Geburtstag von Bertolt Brecht: Berlin will sein Ensemble zurück | |
Kurz nach der Wende war Brechts einstiges Theater privatisiert worden. Nun | |
möchte das Land das boomende Haus wieder für sich allein haben. | |
125. Geburtstag von Brecht: „Ich hasse Sie!“ | |
Am 10. Februar vor 125 Jahren wurde Bertolt Brecht geboren. Als | |
schlitzohrigen Provokateur zeigt ihn ein Band mit Interviews aus drei | |
Jahrzehnten. | |
75. Todestag von Komiker Karl Valentin: Absurdl aus der Au | |
Zwischen Anarchie und Avantgarde: Vor 75 Jahren starb Karl Valentin. Eine | |
nur wenig über den Verdacht der Hommage erhabene Erinnerung. | |
Brecht-Tage in Berlin: Ein Klassiker eben, immer aktuell | |
Bertolt Brecht feiert seinen 125. Geburtstag. Im Berliner Brecht-Haus | |
schenkt man ihm zum krummbuckligen Jubiläum Gespräche über den Krieg. |