Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Brecht-Tage in Berlin: Ein Klassiker eben, immer aktuell
> Bertolt Brecht feiert seinen 125. Geburtstag. Im Berliner Brecht-Haus
> schenkt man ihm zum krummbuckligen Jubiläum Gespräche über den Krieg.
Bild: Bertolt Brecht, mal ohne seine geliebte Zigarre im Bild
Auf dem Weg zur Veranstaltung war am Bahnhof Friedrichstraße ein
Straßenmusiker zu hören, der tatsächlich „Blowin’ in the Wind“ in die …
Abendluft sang, in einer recht weinerlichen Version. Ist ja auch
beklagenswert, dass so wenig vorangeht, ja, „how many times must the
cannonballs fly / Before they’re forever banned?“ Die Kanonenkugeln
fliegen, verboten sind sie nicht. Erwähnung soll das hier aber eigentlich
nur deswegen finden, weil der Liedautor Bob Dylan für sein Schaffen dann
den [1][Literaturnobelpreis bekommen hat]. Und der Bertolt Brecht nicht.
Was nicht unbedingt fair ist. Denn Brecht hat nicht nur erfolgreiche
Liedtexte geschrieben, meist zur Musik von Hanns Eisler („Vorwärts und
nicht vergessen …“), sondern überhaupt eine Menge an Gedichten (sehr schön
diese naturlyrischen Zeilen: „Gegen Morgen in der grauen Frühe pissen die
Tannen / Und ihr Ungeziefer, die Vögel, fängt an zu schreien“ – sie finden
sich in seiner Selbstbeschreibung „Vom armen B.B.“). Dazu noch seine
Theaterstücke.
Ein imposantes Werk, mit dem man sich natürlich im [2][Literaturforum im
Brecht-Haus] beschäftigt, dort an der Chausseestraße, wo der Dichter die
letzten Jahre seines Lebens in Berlin gewohnt hat. Vornehmlich macht man
das bei den jährlich um seinen Geburtstag am 10. Februar herum
stattfindenden Brecht-Tagen.
In diesem Jahr steht der 125. an, ein eher krummbuckliges Jubiläum, das
doch für eine kleine Brecht-Renaissance sorgt. Zum Geburtstag gibt es so
[3][eine Brecht-Briefmarke] und eine 20-Euro-Sammlermünze.
Brecht-Büchertische in den Buchhandlungen gibt es eher nicht. Da findet
man, wenn man Glück hat, bestenfalls „Mutter Courage“ oder „Der gute Men…
von Sezuan“. So viel Klassiker muss sein. Schullektüre.
Das Thema der diesjährigen Brecht-Tage, sagte Literaturforumsleiter
Christian Hippe zur Begrüßung, war „fast zwangsläufig vorgegeben“: In
vielen seiner Texte beschäftigt sich Brecht mit Krieg. Und Krieg gibt es
gerade. Also.
Ausgewählt zur genaueren Betrachtung wurde mit der „Kriegsfibel“ ein nicht
so bekanntes Werk Brechts, eine Woche lang diskutiert unter verschiedenen
Aspekten, unter anderem in einem Gespräch mit Alexander Kluge.
Am Montag zum Auftakt wurde die Fibel erst einmal vorgestellt. Die
Schauspielerin Margarita Breitkreiz las, an der Wand projiziert waren die
Bilder zu sehen, zu denen Brecht seine strengen Vierzeiler verfasste,
Zeitungsfotos von zerstörten Städten, Erschießungen, leidenden Menschen,
Soldaten. Immer wieder Bilder von Hitler, Göring, Goebbels.
Von den Leiden des Krieges erfährt man in dieser Fibel. Ein Lehrbuch gegen
den Krieg ist es deswegen, auch wenn manche Brecht wegen seiner steten
Auseinandersetzung damit als Pazifisten sehen wollen, noch nicht.
Ein Krisengebiet wurde auch im zweiten Teil des Abends bereist. Der
Fotograf Armin Smailovic und der Autor Dirk Gieselmann stellten ihren
„Atlas der Angst“ vor, eine Reise durch Deutschland im Jahr 2016, der in
der Form mit der Text-Bild-Montage eben das auch von Brecht in seiner Fibel
verwendete Prinzip aufgriff. In der Pause dazwischen fiel auf, dass fast
niemand im Raum – mit 50 Menschen ist das Literaturforum schon voll, und so
war es auch – auf sein Handy schaute. Nur zwei, drei Leute vielleicht,
einer zeigte Babyfotos, augenscheinlich von der Enkelgeneration. Man
wartete einfach, manche plauderten. Man kannte sich.
Im abschließenden Publikumsgespräch war er dann plötzlich wieder da, der
aktuelle Krieg, der davor trotz des ganzen Krieges, Krieg, Krieg letztlich
draußen vor der Tür geblieben war. Ob seine Angst nicht gewachsen sei,
jetzt mit dem Ukrainekrieg, wurde Dirk Gieselmann gefragt. Am Anfang des
russischen Überfalls, ja, gab er zu. Große Angst. Aber dass man sich aber
eben an ihn gewöhnt habe.“
„Man gewöhnt sich an alles“, ergänzte Armin Smailovic. „Auch an den Kri…
8 Feb 2023
## LINKS
[1] /Kommentar-Nobelpreis-fuer-Bob-Dylan/!5341456
[2] /Literatur-in-Berlin/!5873164
[3] https://shop.deutschepost.de/125-jahre-bertolt-brecht-briefmarke-zu-0-85-eu…
## AUTOREN
Thomas Mauch
## TAGS
Schwerpunkt Stadtland
Kolumne Großraumdisco
wochentaz
Bertolt Brecht
Krieg
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Bertolt Brecht
Kolumne Großraumdisco
Friedhöfe
Bertolt Brecht
## ARTIKEL ZUM THEMA
Buch über Brecht und die Frauen: Auf den könnt ihr nicht bauen
Brechts Beziehungen zu Frauen sind ein tiefes Gewässer. Zum 125. Geburtstag
hat Unda Hörner darüber ein unterhaltsames Buch geschrieben.
Kurt-Weill-Abend in der Berliner Bar jeder Vernunft: Tote können sich nicht we…
Die Musik von Kurt Weill ist seit ein paar Jahren wieder sehr präsent auf
den Berliner Bühnen. Nicht immer aber kommt man ihm dabei auch nahe.
Friedhofsgeburtstag: Gießkannen und Geschichte
Der Dorotheenstädtische Friedhof in Mitte wird 250 Jahre alt. Zwischen den
alten und neuen Gräbern lebt die Geschichte Berlins.
Neue Brecht-Verfilmung: Schlimmer geht immer
In Heinrich Breloers Dokudrama über das Leben Bertolt Brechts fehlt das
Feuer. Und auch sonst hat die Verfilmung vieles missverstanden.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.