# taz.de -- Brennpunktschulen sollen mehr Geld erhalten: Förderung nach Sozial… | |
> Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger hat Details zum | |
> Startchancenprogramm vorgestellt. Umstritten ist vor allem, wie das Geld | |
> verteilt wird. | |
Bild: Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger | |
BERLIN taz | Bei der Ausgestaltung des „Startchancenprogramms“ werden sich | |
Bund und Länder einfach nicht grün. 4.000 Brennpunktschulen will die | |
Ampelregierung ab dem Schuljahr 2024/25 mit zusätzlichen Mitteln | |
ausstatten. Eine Milliarde Euro pro Jahr stellt der Bund dafür in Aussicht. | |
Doch wie genau die Schulen ausgewählt werden sollen, ist bislang nicht | |
geklärt. Im März hatten die Länder ihren Vorschlag vorgelegt, wonach 95 | |
Prozent der Mittel über den Königsteiner Schlüssel verteilt werden sollen – | |
davon würden vor allem die einkommensstarken Länder profitieren. Nur fünf | |
Prozent der Mittel würden nach sozialen Kriterien verteilt. | |
Aus Sicht von [1][Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP)] | |
viel zu wenig. Nun hat ihr Haus einen eigenen Vorschlag unterbreitet, wie | |
die Mittel zielführender verteilt werden könnten. Demnach plant der Bund | |
einen eigenen Sozialindex, der sich nach dem Anteil der Jugendlichen, die | |
zu Hause kein Deutsch sprechen, und der Armutsgefährdung richtet. Beide | |
Indikatoren sollen je zu 40 Prozent in den Index einfließen. Die restlichen | |
20 Prozent sollen sich nach der Wirtschaftskraft richten. | |
„Zentral sind die Benachteiligungsdimensionen Migration und Armut, da die | |
Wissenschaft eine hohe Korrelation dieser Faktoren mit Bildungsteilhabe und | |
Bildungserfolg ausweist“, heißt es in einem Konzept des | |
Bundesbildungsministeriums (BMBF), aus dem die Deutsche Presseagentur | |
zitiert. Zuerst hatte die Frankfurter Allgemeine Zeitung darüber berichtet. | |
Laut dem Konzeptpapier sollen vor allem Grundschulen von dem | |
Startchancenprogramm profitieren. Man kann dies als klare Reaktion auf | |
[2][den jüngsten IQB-Bildungstrend] vom Herbst 2022 sehen. Die Studie hatte | |
gezeigt, dass immer mehr Viertklässler:innen anteilig [3][nicht die | |
Mindeststandards in Mathe und Deutsch erreichen] – und die Bildungsschere | |
wächst. Eine weitere Forderung des BMBF: Die Programmziele müssen | |
wissenschaftlich begleitet und evaluiert werden. Hier zieht der Bund | |
Schlüsse aus dem Corona-Aufholprogram, bei dem die Länder sehr frei walten | |
konnten. | |
## Massive Kritik von den Ländern | |
Bei Fachpolitiker:innen der Ampel kommt das Konzept von | |
Stark-Watzinger gut an. „Das Eckpunktepapier zeigt, dass die Ministerin | |
genau verstanden hat, worauf es ankommt“, sagt die bildungspolitische | |
Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion Ria Schröder der taz. Schröder lobte | |
die geplante Abkehr vom Königsteiner Schlüssel und die regelmäßigen | |
Evaluationen. Der jetzige Vorstoß sei „ein Meilenstein, um das | |
Aufstiegsversprechen für jeden jungen Menschen zu erneuern“. | |
Nina Stahr, bildungspolitische Sprecherin der Grünenfraktion, bezeichnete | |
das Papier als „gute Grundlage“ für die weiteren Verhandlungen, auch | |
ampelintern. So sehe sie Gesprächsbedarf „beim Kriterium ‚Migration‘“. | |
Stahr bezieht sich auf den jüngsten „Chancenmonitor“ des Münchner ifo | |
Zentrum für Bildungsökonomik. Demnach ist vor allem die Bildung und das | |
Einkommen der Eltern entscheidend für die Bildungschancen der Kinder, der | |
Migrationshintergrund weniger. | |
Auf diesen Zusammenhang wies auch der Soziologe Aladin El-Mafaalani hin. Er | |
riet davon ab, den Migrationshintergrund für die Mittelvergabe | |
heranzuziehen. | |
Massive Kritik am BMBF-Konzept kommt von den Ländern. Das sächsische | |
Kultusministerium beispielsweise teilt auf Anfrage mit, die geplanten | |
Kriterien für die Mittelvergabe seien „in jedem Fall nicht akzeptabel“. | |
Migrationshintergrund und Sozialhilfebezug seien nur zwei von vielen | |
Kriterien, an denen sich erschwerte Ausgangslagen festmachen ließen. Wie | |
sich Bund und Länder nun einigen sollen, ist unklar. Zumal auch die | |
Finanzierung noch umstritten ist. Der Bund fordert, dass auch die Länder | |
eine Milliarde im Jahr dazu geben. Die Länder lehnen das ab. | |
4 May 2023 | |
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## AUTOREN | |
Ralf Pauli | |
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