# taz.de -- Biobauer über „Wir haben es satt“-Demo: „Nur ‚Mehr mehr me… | |
> Der brandenburgische Landwirt Heinz-Günther Klass kommt mit dem Trecker | |
> zur „Wir haben es satt!“-Demo. Er hofft auf eine gerechtere Förderung | |
> ökologischer Höfe. | |
Bild: Auch die zunehmende Trockenheit macht den Bauern in Brandenburg zu schaff… | |
taz: Herr Klass, warum ist es für Sie wichtig, an der „Wir haben es | |
satt“-Demo teilzunehmen? | |
Heinz-Günther Klass: Wichtig ist mir die Demonstration, um mich mit anderen | |
Leuten solidarisch zu zeigen und daran zu erinnern, dass das ganze System, | |
wie es jetzt ist, nicht funktioniert. | |
Wie ist denn das System? | |
Bisher gilt bei der Subventionierung der Landwirtschaft das | |
Gießkannenprinzip. Etwa 80 Prozent der Subventionen, die aus Brüssel | |
kommen, sind Direktzahlungen. Das heißt: Jeder Bauer, egal was er anbaut | |
und zu welchen Konditionen, bekommt den gleichen Betrag pro Hektar. Die | |
Basisprämie liegt momentan je nach Bundesland bei 180 Euro pro Hektar. Das | |
führt dazu, dass große Betriebe mit einer größeren Fläche mehr Geld | |
bekommen als ein kleiner Familienbetrieb wie wir. | |
Was bedeutet das für Sie? | |
Wir haben zu wenig Geld und sind den Großkonzernen ausgeliefert, da sie den | |
Preis für unsere Waren bestimmen. Zwischen Bauer und Markt ist immer der | |
Handel, und der entscheidet, wie viel unser Produkt wert ist. | |
Wie überleben Sie? | |
Zwar war das letzte Jahr katastrophal für unsere Ernte. Aber wir vermarkten | |
unsere Kartoffeln und Eier direkt. Deshalb sind wir in dem Falle nicht | |
vollkommen abhängig von den gegebenen Marktpreisen. Dennoch reicht das in | |
einem klimatisch extremen Jahr wie 2018 nicht aus, um zu überleben. Wir | |
hatten Glück und konnten unsere Kosten decken. | |
Wieso war das Jahr katastrophal? | |
Wegen der Hitze und der Trockenheit. Vom Roggen, der wegen den | |
Brandenburger Sandböden gut zum Anbau geeignet ist, haben wir nur ein | |
Drittel des normalen Ertrags erwirtschaftet. In einem durchschnittlichem | |
Jahr erntet man zweieinhalb Tonnen Roggen pro Hektar. 2018 waren es aber | |
nur 800 Kilogramm pro Hektar. Bei den Kartoffeln war es nicht ganz so | |
fatal, da konnten wir etwa 50 Prozent der normalen Menge ernten, da wir die | |
Möglichkeit hatten, die zwei Hektar für den Kartoffelanbau zu bewässern. | |
Die Trockenheit hat unser Gemüse und Getreidesorten extrem gestresst und es | |
wird nicht besser werden. Extreme Wetterverhältnisse wie Dürre, Kälte und | |
Starkniederschläge werden zunehmen. Das könnten wir einschränken, wenn sich | |
die Agrarpolitik ändern würde. | |
Was können Sie als Landwirt ändern? | |
Wir wirtschaften nach den Prinzipien des ökologischen Landbaus, bei dem der | |
Grundsatz ‚Ökologie vor Ökonomie‘ gilt. Wir setzen keine | |
chemisch-synthetischen Dünger oder Pflanzenschutzmittel ein und versuchen, | |
durch eine vielseitige Fruchtfolge den Boden fruchtbarer zu machen und | |
gleichzeitig den Betrieb auf stabilere Beine zu stellen. Die Tiere werden | |
möglichst artgerecht gehalten, mit deutlich mehr Platz, einer möglichst | |
natürlichen Fütterung und Auslauf. Wir würden gerne noch mehr tun, doch | |
fehlt uns dazu das Geld. Auch ist es wichtig, wieder Lebensräume für Tiere | |
und Insekten zu schaffen, etwa in Form von Hecken und Blühflächen. Einiges | |
machen wir schon, doch brauchen wir mehr finanzielle Unterstützung beim | |
Erhalt und Aufbau von Naturräumen. Eine neue Agrarpolitik könnte dies | |
durchsetzten. | |
Was erhoffen Sie sich von der geplanten EU-Agrarreform? | |
Dass kleine Betriebe besser geschützt werden und das Prinzip der Gießkanne | |
abgeschafft wird. Die Subventionen sollten meiner Meinung nach gedeckelt | |
werden, indem es etwa für die ersten 200 Hektar die volle Prämie, für die | |
nächsten Hektare dann aber nur noch 60 Prozent gibt. Die Gelder – sie | |
kommen von den Steuerzahlern – sollten mehr an Leistungen gekoppelt werden, | |
die der Umwelt und der Gesellschaft dienen. Das bedeutet die Erhaltung der | |
Artenvielfalt und der Reinigung des Wassers und der Luft. Zudem sollte | |
Julia Klöckner … | |
.. die Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft von der CDU .. | |
.. weg von dem Gedanken kommen, dass ‚mehr mehr mehr‘ weiter die Devise | |
bleiben kann. | |
Wie meinen Sie das? | |
Aktuell läuft es so: Je größer ein landwirtschaftlicher Betrieb ist, desto | |
kostengünstiger kann er wirtschaften. Mit der größeren Technik können | |
Flächen viel schneller bewirtschaftet werden, zum Schaden des Bodens: Der | |
wird durch die schwere Technik stärker verdichtet, Flächen werden möglichst | |
groß angelegt, Lebensräume für Tiere und Insekten zerstört. Der Landwirt | |
verliert immer mehr den Überblick und den Bezug zu seinem Boden. Das ist | |
ein Teufelskreis. Umweltleistungen und kleine landwirtschaftliche Betriebe | |
sollten in Zukunft mehr gestärkt werden und zwar durch klare und | |
konsequente Rahmenbedingungen der Politik. | |
18 Jan 2019 | |
## AUTOREN | |
Sarah Schroth | |
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