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# taz.de -- Bibliothekar über Jiddisch-Ausstellung: „Eine alte Literaturspra…
> In Oldenburg präsentiert eine Ausstellung überraschende Dokumente des
> Jiddischen. Darunter den ersten schriftlichen Satz in einem Wormser
> Gebetsbuch.
Bild: Vielfach besungen: Cover des 1922 edierten Gedichtbands „Foyglen“ (V�…
taz: Herr Leicht, wer ist der „goldene Pfau“, den Sie im Ausstellungstitel
anrufen?
Stefan Leicht: Er ist ein Symbol des [1][Jiddischen]. Seinen Ursprung hat
er in einem Volkslied, und seither steht er für die Schönheit dieser
Sprache, wird aber auch als Bote besungen. Und genau das will unsere
Ausstellung: eine Botin des Jiddischen sein und mit dem Vorurteil
aufräumen, Jiddisch sei „bloß“ ein Dialekt. Das Gegenteil ist der Fall:
Jiddisch ist eine alte [2][Sprache der Literatur,] aber auch der
Wissenschaft.
Aber begonnen hat Jiddisch als mündliche Sprache.
Ja. Ursprünglich war Jiddisch – eine sogenannte Komponentensprache aus
mittelhochdeutschen, hebräischen, slawischen und romanischen Elementen –
die Alltags- und Umgangssprache der aschkenasischen, also deutschen und
[3][osteuropäischen] Jüdinnen und Juden. Seit der Schoah leben allerdings
die meisten SprecherInnen in Israel und den USA.
Wann wurde Jiddisch verschriftlicht?
Als 1272 der erste auf Jiddisch geschriebene Satz im Wormser Machsor, einem
Gebetbuch, auftaucht. Da steht in einem schriftkünstlerisch gestalteten
hebräischen Wort ein jiddischer Segensspruch. In unserer Ausstellung zeigen
wir eine Reproduktion dieses ersten Schriftzeugnisses. Wir präsentieren
auch die erste Übersetzung des Tanachs – Thora inklusive Propheten und
Schriften – ins Jiddische. Angefertigt wurde sie 1678 von Jekutiel Blitz
aus dem ostfriesischen Wittmund, über den wir sonst wenig wissen.
Wie entwickelte sich derweil die jiddische Literatur?
Da wäre die 1645 in Hamburg geborene Glikl bas Judah Leib zu erwähnen, die
als erste Frau eine Autobiografie auf Jiddisch schrieb. Sie war sehr
emanzipiert und trotz ihrer zwölf Kinder eine weit gereiste Kauffrau.
Außerdem zeigen wir das Ma’assebuch und eine Ze’enah u-Re’enah, eine
Frauenbibel, mit Übersetzungen von [4][Bertha Pappenheim], die 1904 den
jüdischen Frauenbund gründete. Und nicht zu vergessen die drei Klassiker
der jiddischen Literatur – Mendele Mojcher-Ssforim, Scholem Alejchem und
Jizchok Leib Perez. In Israel erlebt das Jiddische dann besonders durch den
2010 gestorbenen Abraham Sutzkever eine neue Blüte.
Und als Wissenschaftssprache?
Unter den Jiddisch schreibenden ForscherInnen war zum Beispiel der
Philosoph und Jiddischist Chaim Schitlowsky Anfang des 20. Jahrhunderts.
Auch der Statistiker Jakob Lestschinksy schrieb auf Jiddisch. Er hat als
erster die Opfer der [5][Schoah] auf sechs Millionen geschätzt.
Welche Rolle spielt die Schoah in Ihrer Ausstellung?
Es gibt einen Raum mit Zeugnissen des Holocaust, der in Anlehnung an
[6][Elie Wiesels] Lager-Autobiografie „Die Nacht“ – nachtblau gestaltet
ist. Was nur wenige wissen: Obwohl die Erstausgabe auf Französisch
erschien, hatte Wiesel die erste Version auf Jiddisch verfasst. Wichtig zu
erwähnen sind auch Zeitschriften wie „Fun letstn churbn“, also „Von der
letzten Zerstörung“, die nach 1945 in DP-Camps erschienen. Berührend ist
zudem die Erstausgabe von Jizchak Katzenelsons, „Dos lid funem oysgehargetn
Yidishn folk“ später als „Großer Gesang vom ausgerotteten jüdischen Volk…
von [7][Wolf Biermann] übersetzt. Katzenelson überlebte die Schoah nicht,
aber seine in einem französischen Lager vergrabenen Manuskripte wurden 1944
gefunden und in Paris veröffentlicht.
Beleuchtet die Schau auch Antisemitismen in der Sprache von heute?
Ja. Auf einer Litfaßsäule kleben aktuelle Zeitungsartikel mit
unproblematischen, aber auch [8][problematischen Jiddismen] wie „schachern“
und „Ische“ – Vokabeln, die ursprünglich gar nicht negativ konnotiert
waren. Dazu haben wir zwei „Duden“-Ausgaben nebeneinander gelegt. In
derjenigen von 2019 stehen problematische Jiddismen noch unkommentiert, in
derjenigen von 2023 wurden sie um den Hinweis ergänzt, dass sie oft mit
antisemitischen Vorstellungen verbunden sind.
22 Jun 2024
## LINKS
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[4] /Juedisches-Museum-Frankfurt-neu-eroeffnet/!5720661
[5] /Holocaust-Ueberlebende-als-Zeitzeugen/!5827548
[6] /Nachruf-auf-Elie-Wiesel/!5318521
[7] /Ausstellung-ueber-Wolf-Biermann/!5943122
[8] /Antisemitismus-in-der-Sprache/!5709402
## AUTOREN
Petra Schellen
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