# taz.de -- Bericht zur UN-Mission im Südsudan: Blauhelme auf heiklem Terrain | |
> Die Vereinten Nationen haben das seltsame Verhalten mancher UN-Einheiten | |
> im Südsudan untersucht. Der Kommandeur der Mission muss gehen. | |
Bild: UN-Blauhelme vor einem Zaun, hinter dem von den Kämpfen Vertriebene steh… | |
BERLIN taz | Wieder einmal bestätigen interne Untersuchungen in den | |
Vereinten Nationen eklatantes Fehlverhalten einer UN-Mission. Der | |
Kommandeur der 13.000 UN-Blauhelme im Südsudan, General Johnson Mogoa | |
Kimani Ondieki aus Kenia, wurde am Dienstagabend abgesetzt, nachdem | |
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon einen Untersuchungsbericht über das | |
Verhalten der UN-Mission im Südsudan (Unmiss) während der jüngsten schweren | |
Kämpfe in der Hauptstadt Juba entgegengenommen hatte. Die politische | |
Unmiss-Chefin Ellen Margrete Loj aus Dänemark verkündete bereits vor einer | |
Woche ihren vorzeitigen Rücktritt. | |
Am 8. Juli waren in Südsudans Hauptstadt Kämpfe zwischen Regierungstruppen | |
und Soldaten des zum Vizepräsidenten ernannten Rebellenführers Riek Machar | |
ausgebrochen. Tagelange Gefechte mit Hunderten Toten endeten mit einer | |
Niederlage Machars, der aus Juba floh, während Angehörige seiner | |
Volksgruppe der Nuer gejagt wurden. | |
Die UN-Soldaten in Juba hätten „chaotisch und ineffizient“ reagiert, heißt | |
es in der UN-Untersuchung. Besonders unrühmlich war ein Überfall | |
südsudanesischer Soldaten auf das von internationalen Helfern bewohnte | |
Hotel „Terrain“ am 11. Juli. Der Hotelkomplex wurde geplündert, seine | |
Bewohner wurden ausgeraubt, ein Journalist wurde erschossen und mehrere | |
weibliche Hotelgäste wurden vergewaltigt. Die nur einen Kilometer entfernt | |
stationierten UN-Blauhelme griffen trotz ständiger telefonischer Hilferufe | |
nicht ein. | |
Im August rekonstruierte ein Reporter der Nachrichtenagentur Associated | |
Press das Geschehen im „Terrain“ aufgrund von Augenzeugenberichten. | |
Daraufhin ordnete der UN-Generalsekretär eine Untersuchung an. Geleitet | |
wurde sie von Exgeneral Patrick Cammaert aus den Niederlanden, ehemaliger | |
Kommandeur der Blauhelme an der äthiopisch-eritreischen Grenze und im Osten | |
der Demokratischen Repubilk Kongo. | |
## Ein explosives Thema | |
Cammaerts Recherchen waren Ende September abgeschlossen. Die UN haben nun, | |
über einen Monat später, lediglich eine Zusammenfassung freigegeben – so | |
explosiv ist das Thema. | |
Der Angriff auf das Hotel „Terrain“ am 11. Juli begann demnach um 15.30 | |
Uhr. Die UN-Einsatzleitung in Juba wollte Soldaten schicken, „aber jedes | |
Unmiss-Kontingent wies die Anfrage ab“, heißt es. Um 19 Uhr kamen | |
stattdessen Einheiten des südsudanesischen Geheimdienstes, setzten dem | |
Wüten ein Ende und brachten die Menschen in Sicherheit – außer zwanzig | |
lokale Mitarbeiter, die später freikamen, und drei internationale | |
Helferinnen. | |
Dass drei Frauen noch vermisst waren, erfuhr die Unmiss-Zentrale laut | |
UN-Bericht um 20.40 Uhr. Die Zusammenfassung führt aus: „Zwischen 21 und 22 | |
Uhr konnte eine Frau den UN-Sicherheitsdienst anrufen. Der | |
Sicherheitsbedienstete, den die Untersuchung nicht hat identifizieren | |
können, wies ihren Ruf um Hilfe ab und rief sie nicht zurück, als ihre | |
Telefoneinheiten verbraucht waren. Der UN-Sicherheitsdienst zeichnete den | |
Anruf nicht auf [. . .] Eine private Sicherheitsfirma im Auftrag einer NGO | |
holte die drei weiblichen Helfer am 12. Juli um rund 7 Uhr heraus.“ | |
Die veröffentlichte Zusammenfassung nennt keine Namen und Details. Die aber | |
stehen in einer parallel recherchierten Untersuchung der US-Organisation | |
Civic (Center for Civilians in Conflict), die 2005 zur Unterstützung von | |
Opfern des Irakkriegs der USA entstanden war. Der Civic-Bericht beschreibt | |
in allen Einzelheiten das Chaos bei den Blauhelmen in Juba in jenen Tagen | |
im Juli, als ihre Basen im Kreuzfeuer lagen und Dutzende der dort lebenden | |
Kriegsvertriebenen starben. | |
Um die Lage in den Griff zu bekommen, ernannte der kenianische | |
Unmiss-Kommandeur den Kommandeur des chinesischen Bataillons zum | |
UN-Einsatzleiter für Juba – aber die Kommandeure der anderen UN-Bataillone | |
aus Äthiopien und Nepal nahmen seine Befehle nicht an, weil er keinen | |
höheren Rang bekleidete. So weigerten sich die Äthiopier, Soldaten ins | |
„Terrain“ zu schicken. Zuvor waren die Äthiopier laut Civic viel aktiver | |
beim Schutz von Zivilisten gewesen als die Chinesen. Von denen wollten sie | |
sich also nichts sagen lassen. | |
Dass die UN-Zentrale jetzt die Unmiss-Spitze austauscht, ist die | |
entschlossenste UN-Reaktion auf Missstände seit über einem Jahr. Im August | |
2015 hatte die UNO den Leiter ihrer Blauhelmmission in der | |
Zentralafrikanischen Republik abgesetzt, nachdem Missbrauch von Kindern | |
durch UN-Soldaten bekannt geworden war. | |
2 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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