# taz.de -- Ausstellung zu Dekolonialem Urbanismus: Klänge der Befreiung | |
> Die Ausstellung „Freistaat Barackia: Landscapes of Liberation“ im | |
> Kunstraum Kreuzberg zeigt weltweite Praktiken der Dekolonisierung und | |
> Solidarität. | |
Bild: Trat bei der Eröffnung auf: Die Sängerin und multidisziplinäre Künstl… | |
Bitte Klingeln! – Oussama Tabtis berührende Soundinstallation „Parlophones… | |
(2020) birgt auf Knopfdruck ein mehrsprachiges Archiv von Geschichten der | |
Migration nach Brüssel. Die Protagonist_innen erzählen von Fluchtwegen, | |
deren Etappen von Damaskus über Rostock bis Antwerpen reichen. Sie ezählen | |
vom Ankommen in Brüssel und der räumlichen Trennung von Geflüchteten, die | |
auf einem ehemaligen Militärgeländen im Wald weit außerhalb der Stadt | |
untergebracht sind und bewusst von der Stadtbevölkerung abgetrennt werden, | |
aber auch von Orten des solidarischen Wohnraums, die schließlich ganz | |
individuell und außerhalb staatlicher Strukturen in Brüssel entstehen. | |
Die Ausstellung „Freistaat Barackia: Landscapes of Liberation“ im | |
[1][Kunstraum Kreuzberg], in der Tabtis Klingeln an der Wand hängen, ist | |
ein weiterer Baustein des Projektes „Freistaat Barrackia“ von Nyabinghi Lab | |
(Nathalie Anguezomo Mba Bikoro, Tmnit Zere, Saskia Köbschall), zu dem | |
bereits Gesprächsreihen im [2][HAU], Events im öffentlichen Raum und der | |
[3][Barackia Podcast] (immer Dienstags, u. a. mit International Women* | |
Space) gehören. | |
Inspiriert von der Geschichte von Barackia (1870-1872), einem unabhängigen | |
Freistaat, der von Wanderarbeiter*innen und entrechteten | |
Stadtbewohner*innen in Kreuzberg gegründet wurde, ist die Ausstellung | |
weniger Kulturhistorie dieses Zeitfensters, sondern vielmehr ein Spiegel | |
dekolonialer Orte und Praktiken der Selbstversorgung und Solidarität | |
weltweit. | |
Und so bildet Elsa M’balas Soundarbeit „Untitled“ (2021) mit Berichten von | |
der Besetzung des Oranienplatzes und der Gerhart-Hauptmann-Schule 2012-14 | |
einen passenden Kreuzberger Auftakt. Insbesondere Schwarze Frauen | |
reflektieren hier die anhaltenden Proteste für Bewegungsfreiheit. | |
## Rassismus als staatliches Projekt | |
Dass Rassismus nicht individueller Affekt, sondern ein strukturelles, oft | |
staatliches Projekt ist, kommt im Performance-Video „Present body“ (2020) | |
von MIMIMI-space zum Ausdruck, das gemeinsame Gespräche des Kollektivs und | |
die Choreografie „CLEANSE/NU“ dokumentiert, in der Tänzer_innen mit | |
Bewegungen einen Zustand ertasten, der koloniale Einschreibungen in Körper | |
verlässt. | |
Im Nebenzimmer zeugt Pascale Obolos Mixed-Media-Installation, die von zwei | |
Filmen begleitet wird, von einem Akt des Exorzieren des deutschen | |
Kolonialismus in Kamerun. Geröllreste in der Raumecke hier im Kunstraum | |
deuten an, dass das Denkmal des deutschen Kolonialgouverneurs Jesco von | |
Puttkamer, das in Buéa unweit des Schloss von Puttkamer auf dem deutschen | |
Friedhof steht, vielleicht endlich zu Fall gebracht wurde. | |
Performance, Tanz und Gesang ziehen sich als dekoloniale Praktiken durch | |
die Ausstellung: Simone Leighs Videoinstallation „Free People’s Medical | |
Clinic“ (2014) etwa verweist auf die Weitergabe medizinischen Wissens durch | |
Lieder und verweist auf die lange Geschichte afromamerikanischer Bewegungen | |
gegen den Medical Industrial Complex in New York, angefangen bei The United | |
Order of Tents, einem Geheimorden Schwarzer Krankenschwestern im 19. | |
Jahrhundert. | |
Auch in Bintou Dembélés bewegendem Film „S/T/R/A/T/E/S“ (2021) tanzt sich | |
eine Gruppe von Tänzer_innen zu Musik von Charles Amblard unter anderem im | |
Centre Pompidou-Metz durch Schichten körperlicher Erinnerung in neue Ebenen | |
künstlerischer Repräsentation. | |
Die Momente der Gegenbewegung und solidarischen Aktivierung, die die | |
Ausstellung über Dekaden und Geopolitiken hinweg vereint, zeugen von einer | |
geteilten Vision, die sogar weit mehr als 150 Jahre zurückreicht und die, | |
ebenso wie das Kreuzberger Barackia, jeweils lokal verortet ist, dabei aber | |
dezentral und damit planetar immer weiter ihre Wirkung entfaltet. | |
8 Jan 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.kunstraumkreuzberg.de/programm/free-state-of-barackia-landscape… | |
[2] https://www.hebbel-am-ufer.de/programm/pdetail/free-state-of-barackia/ | |
[3] https://www.mixcloud.com/nyabinghilab/ | |
## AUTOREN | |
Noemi Molitor | |
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