# taz.de -- Ausstellung im Haus der Wannsee-Konferenz: Täter blieben unbehelli… | |
> Eine neue Dauerausstellung im Haus der Wannsee-Konferenz dokumentiert | |
> unter anderem die mangelnde Strafverfolgung der Täter. | |
Bild: Die Ausstellung in der Gedenkstätte widmet sich nun ausführlicher der N… | |
BERLIN taz | In der Gedenkstätte Haus der Wannsee-Konferenz ist am Sonntag | |
eine neue Dauerausstellung eröffnet worden. Anwesend waren dabei vier | |
Holocaust-Überlebende, darunter die 94-jährige ungarische Jüdin Eva Fahidi, | |
die 1944 nach Auschwitz deportiert worden war. | |
In Vertretung von Außenminister Heiko Maas (SPD), der wegen der | |
Libyen-Konferenz verhindert war, erklärte die Staatsministerin im | |
Auswärtigen Amt, Michelle Müntefering, die Mittäterschaft des Amts am | |
Holocaust werde weiterhin eine „zentrale Rolle“ spielen. „Aus den | |
Verbrechen der Vorfahren erwächst Verantwortung, nie wieder gleichgültig zu | |
sein“, sagte Müntefering. | |
Die Gedenkstätte war im Januar 1993 eröffnet worden, nach einer langen und | |
quälenden Vorgeschichte, denn zunächst hatten Vertreter der Politik eine | |
solche Erinnerung für überflüssig erklärt. Mancher hätte es bevorzugt, wenn | |
das Gebäude am Wannsee, in dem Vertreter von SS, der Besatzungsbehörden und | |
Ministerialbürokraten am 20. Januar 1942 die Grundlagen für den Massenmord | |
an den europäischen Juden besprochen hatten, abgerissen worden wäre. | |
## Justizorgane versagten | |
Die Macher der nun eröffneten neuen Schau haben ihre Ausstellung gründlich | |
entrümpelt. Es geht großflächiger zu. Ein Ziel sei es, so | |
Gedenkstättenleiter Hans-Christian Jasch, die Verweildauer der Besucher zu | |
erhöhen. | |
Der Kern der Ausstellung, das nach dem Krieg von US-Amerikanern entdeckte | |
Protokoll der Tagung über die „Endlösung der Judenfrage“ und die Porträts | |
der Teilnehmenden, ist nun wesentlich deutlicher in den Mittelpunkt | |
gerückt. Vor allem aber, so Jasch, widmet sich die Ausstellung nun | |
ausführlicher der Nachkriegsgeschichte. Von den 15 Männern, die in diesem | |
Haus den Holocaust organisierten, sind nach dem Krieg lediglich fünf für | |
ihr Tun strafrechtlich belangt worden, davon kein einziger durch | |
Justizorgane der Bundesrepublik. | |
Es wird darauf hingewiesen, mit welch kruden Argumenten Politiker über | |
Jahrzehnte verhinderten, dass in dem früheren Haus der SS eine Gedenkstätte | |
entstehen konnte. Dokumentiert ist ein Satz von Josef Wulf, der selbst in | |
Auschwitz inhaftiert war und für dieses Projekt bis zu seinem Tod 1974 | |
gekämpft hat: „Du kannst dich bei den Deutschen totdokumentieren, es kann | |
in Bonn die demokratischste Regierung sein – und die Massenmörder gehen | |
frei herum, haben ihr Häuschen und züchten Blumen.“ | |
## Umstrittener Bezug zur Gegenwart | |
Die Massenmörder ruhen heute, im 75. Jahr nach dem Ende der NS-Herrschaft, | |
friedlich in ihren Gräbern, das hat sich durch die Biologie erledigt. Umso | |
mehr geht es der Gedenkstätte darum, Bezüge zur Gegenwart zu leisten. Hier | |
allerdings haben die Verantwortlichen zuletzt noch umgeplant. | |
„Fragen ohne Antworten“ war eine „Partizipationsstation“ überschrieben… | |
der die Frage gestellt wurde, ob das singuläre Ereignis Holocaust mit | |
aktuellen Vorkommnissen in Zusammengang gebracht werden könnte. Auf dem | |
Bildschirm sah man ein historisches Bild vom Strandbad Wannsee, unterlegt | |
mit der Information, dass Juden ab 1938 der Zutritt zu öffentlichen Bädern | |
verboten war. Ein Klick weiter tauchte eine Zeichnung mit einem Schild auf. | |
„Männliche Geflüchtete dürfen das Freizeitbad nicht besuchen“ war darauf… | |
lesen. Diese Zeichnung verwies auf Ereignisse am Rande der Einwanderung von | |
Flüchtlingen 2016. In einem Hallenbad in Bornheim bei Bonn hatten junge | |
Geflüchtete Badegäste belästigt und darauf ein vorübergehendes | |
Zutrittsverbot bekommen. | |
Dass das eine, die systematische Entrechtung und Ermordung der Juden, | |
nichts mit dem anderen, der Diskriminierung von Geflüchteten in der | |
Bundesrepublik, zu tun hat, sei ihnen selbstverständlich bewusst gewesen, | |
sagten die Ausstellungsmacher. Dennoch stieß die Multimediastation auf fast | |
einhellige Kritik der anwesenden Journalisten auf der | |
Eröffnungs-Pressekonferenz am Donnerstag. | |
Eine gute Stunde nach Ende der Pressekonferenz erhielten die Teilnehmer | |
eine E-Mail von Gedenkstättenleiter Jasch: „Da Sie für uns nicht nur | |
Journalistinnen und Journalisten, sondern auch unsere ersten Besucherinnen | |
und Besucher sind, haben wir uns entschieden, die Station nicht in Betrieb | |
zu nehmen.“ | |
20 Jan 2020 | |
## AUTOREN | |
Klaus Hillenbrand | |
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