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# taz.de -- Erster Prozess gegen G20-Demonstrant: Niederländer zu Haft verurte…
> Der 21-Jährige hatte einen G20-Polizisten in Hamburg mit zwei
> Bierflaschen attackiert. Das Urteil lautet zwei Jahre und sieben Monate
> Gefängnis.
Bild: Der Niederländer Peike S. kurz vor der Verhandlung
Hamburg taz | Der Zuschauerbereich im größten Saal des Hamburger
Strafjustizgebäudes ist bis auf den letzten Platz besetzt. Vor Gericht
steht der erste Angeklagte, der sich wegen der Ausschreitungen im Rahmen
der G20-Proteste verantworten muss. Als Peike S. in den Gerichtssaal
geführt wird, hat er die Kapuze vor das Gesicht gezogen, alle Kameras sind
auf ihn gerichtet. Als er neben seiner Verteidigerin am Platz angekommen
ist und die FotografInnen den Saal verlassen haben, nimmt der 21-Jährige
die Kapuze ab und dreht sich zu den rund 70 ZuschauerInnen um. Er lächelt,
winkt ihnen zu und berührt kurz mit der Faust seine Brust über dem Herzen.
Die Zuschauer applaudieren.
Das Urteil wird drakonisch ausfallen. Am späten Nachmittag verkündet das
Gericht, dass S. für zwei Jahre und sieben Monaten in Haft muss – deutlich
mehr, als es die Staatsanwältin verlangt hatte.
Dem 21-jährigen Niederländer wird fast alles vorgeworfen, was es im
Repertoire der Staatsanwaltschaft für Verfahren nach Demonstrationen so
gibt: schwerer Landfriedensbruch, gefährliche Körperverletzung, Widerstand
und tätlicher Angriff gegen Vollstreckungsbeamte. Seit dem 7. Juli sitzt er
in Hamburg in Untersuchungshaft.
S. wurde am Vorabend des G20-Gipfels festgenommen, an dem die autonome
„Welcome to Hell“-Demonstration stattfand, die – noch bevor sie in Gang
kommen konnte – von der Polizei zerschlagen wurde. Die verhinderten
DemonstrationsteilnehmerInnen fanden sich in spontanen Demozügen zusammen
und zogen in Richtung des Schanzenviertels. Immer wieder kam es zu
Konfrontationen zwischen PolizistInnen und DemonstrantInnen, es flogen
Flaschen und Böller, die Polizei setzte Schlagstöcke, Pfefferspray und
Wasserwerfer ein.
## Embryonalhaltung gegen Festnahme
Aus dieser Menge heraus soll Peike S. kurz vor Mitternacht zwei leere
Bierflaschen auf einen Berliner Polizisten geworfen haben. Die erste habe
diesen am Helm, die zweite am Bein getroffen, sagte der Polizist aus, der
in dem Prozess einer der beiden Zeugen ist. Er habe einen kurzen Schmerz am
Nacken verspürt, der allerdings wenige Minuten später wieder verschwunden
war. Der Polizist dreht sich nach seiner Aussage um und habe S. gesehen,
wie er gerade die zweite Flasche geworfen habe, die den Beamten am
Schienbeinschützer traf. Der Beamte rannte daraufhin auf S. zu, der – so
die Schilderung beider Beamter – zu diesem Zeitpunkt schon am Boden lag. Er
sei wohl selbst verschuldet hingefallen, sagten die Beamten aus, als er
nach einem Polizisten habe treten wollen.
Um sich gegen die Festnahme zu wehren, habe S. die Embryonalhaltung
eingenommen, sprich: sich ganz klein gemacht und die Arme und Beine vor den
Körper gezogen, um sich zu schützen.
## „Erziehungseffekt noch nie funktioniert“
Man könne aus den gesamten Umständen eine erhebliche kriminelle Energie
feststellen, sagte die Staatsanwältin und forderte eine Haftstrafe von
einem Jahr und neun Monaten ohne Bewährung. Man müsse auch die schweren
Ausschreitungen und „bürgerkriegsähnlichen Zustände“ in das Urteil
einfließen lassen, die Hamburg in den folgenden Tagen der Gipfelproteste
ereilt hätten. Zwar räumte die Staatsanwältin ein, dass man niemandem die
Taten von anderen zur Last legen könnte. Aber S.’ Tat habe dazu
beigetragen, das gesamte Klima zu verschärfen, somit sei er für die
schweren Ausschreitungen am Freitagabend und -morgen mitverantwortlich,
obwohl er zu dem Zeitpunkt bereits in Untersuchungshaft saß. Hier gelte es
auch, einen generalpräventiven Aspekt zu bedenken – das heißt, ein Exempel
zu statuieren, um Nachahmer vor ähnlichen Taten zu warnen.
S.’ Verteidigerin Verina Speckin merkte in ihrem Plädoyer an, dass ein
solcher Erziehungseffekt gegenüber der Allgemeinheit noch nie funktioniert
habe.
28 Aug 2017
## AUTOREN
Katharina Schipkowski
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